Die «Tripperburgen» der DDR - MDR-Doku über Unrecht an Frauen von Inga Jahn, dpa

Damit sie sich besser in das System der DDR einfügen, wurden Frauen
ab 1961 in «Tripperburgen» gebracht. Viele der Betroffenen schämen
sich bis heute für das Unrecht, das ihnen widerfahren ist.

Halle/Leipzig (dpa) - Sie waren auffällig oft auf Partys oder der
Straße unterwegs, hatten Probleme mit ihrer Familie oder einen
Freund, der anderen nicht passte: Zu DDR-Zeiten wurden Tausende
Frauen unrechtmäßig in sogenannte Tripperburgen eingewiesen. Dort
sollten sie umerzogen werden. Dort geschah ihnen Unrecht. So mussten
sie etwa schmerzhafte gynäkologische Untersuchungen oder Experimente
über sich ergehen lassen. Eine MDR-Dokumentation zeigt nun die
Geschichten Betroffener. 

Hochrechnungen zufolge hat es zwischen 1961 und 1989 rund 50 000
Einweisungen in sogenannte venerologische Stationen von
Krankenhäusern gegeben - allein 5000 in Halle. Die jüngsten
Eingewiesenen waren zwölf Jahre alt. Als sie vor einem Jahr mit dem
Thema in Berührung gekommen sei, sei sie schockiert und sprachlos
gewesen, sagt Filmemacherin Elisa Scheidt im Interview der Deutschen
Presse-Agentur. «Ich habe mich gefragt: Wieso habe ich davon noch
nichts gehört?» Dann habe sie sich damit beschäftigt, was hinter dem

Thema steckt. 

Die ersten Stationen waren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs
eingerichtet worden - zunächst vor allem für Menschen, die etwa durch
sexuelle Gewalt von Soldaten erkrankt waren. Das änderte sich jedoch
mit der Zeit. «In der Praxis sind vor allem Frauen und weibliche
Jugendliche in die geschlossenen Krankenanstalten eingewiesen worden.
Diese Frauen waren zu 70 bis 90 Prozent niemals erkrankt an sexuell
übertragbaren Krankheiten. Darum ging es nicht. Es ging darum, Frauen
durch Strafe und Zwang zu disziplinieren», erklärt Historikerin
Steffi Brüning. 

Jene Frauen, die Scheidt in ihrer Dokumentation porträtiert, waren
teils mehrere Wochen in Anstalten in Halle, Leipzig oder Berlin. Der
Grund für ihre Einweisung war nicht immer der gleiche. «Die Frauen,
die dort waren, waren sehr unterschiedlich», beschreibt die
Filmemacherin. In ihrem 45 Minuten langen Stück habe sie neben dem
geschichtlichen Verlauf auch die große Spannbreite der Gründe
darstellen wollen, für die Frauen in einer «Tripperburg» gelangt
sind. 

Eine der Betroffenen wurde beispielsweise von ihren eigenen Eltern
dorthin gebracht. Eine andere wurde im Studentenwohnheim bei ihrem
afrikanischen Freund erwischt und daraufhin in eine Anstalt gebracht.
«Die haben uns geprügelt, die haben und misshandelt, Essen-Entzug,
drei Tage ins dunkle Zimmer musste ich rein, drei Tage ohne Essen,
ohne Trinken. Dann habe ich Wasser aus der Toilette getrunken»,
erzählt Angelika Börner, die 1965 als 15-Jährige in Halle
zwangseingewiesen worden war, in der Doku.

Die Ausstrahlung der Dokumentation ist für den 7. Mai geplant. Ein
anderes Team des MDR hat zudem einen Podcast zum Thema produziert.
Während beider Produktionen stand im Vordergrund, möglichst
traumasensibel über das Thema zu berichten, erzählen Scheidt und
Podcast-Host Charlotte Witt. «Das heißt zum Beispiel, dass wir uns
sehr genau darüber Gedanken gemacht haben, wo die Interviews
stattfinden», so Witt. Es gebe - beispielsweise in Leipzig - ein
großes Netzwerk von Betroffenen. 

«Die Frauen müssen aber erstmal so weit sein, darüber zu sprechen.
Das bedarf super viel Mut», sagt Witt. In Befragungen haben damals
zuständige Ärzte die Verantwortung für das Geschehene von sich
gewiesen. In den vergangenen Jahren wurden die Zwangseinweisungen
offiziell für rechtswidrig erklärt - die Gewalttaten sind jedoch
bereits verjährt. Für die Dokumentation seien einzelne Frauen nicht
infrage gekommen, weil «sie psychisch nicht stabil und noch so
traumatisiert waren, dass sie sich nicht klar erinnern konnten»,
ergänzt Scheidt. Viele Frauen schämten sich bis heute dafür, was
ihnen widerfahren ist.