Suchthilfe in Bayern erwartet Zulauf bei Beratungsstellen

Auch als Anbau und Besitz von Cannabis noch illegal waren, konnten
suchtkranke Menschen Hilfe suchen. In der Suchtberatung glaubt man:
Viele taten das aus Angst nicht. Nun könnte sich das ändern.

München (dpa/lby) - Die Freie Wohlfahrtspflege in Bayern erwartet
durch das neue Cannabisgesetz positive Effekte auf die Suchthilfe.
Man gehe davon aus, dass im Zuge der Teil-Legalisierung mehr
suchtkranke Menschen die Beratungsstellen aufsuchen würden, erklärte
Davor Stubican, der Sprecher der Koordinierungsstelle der bayerischen
Suchthilfe (KBS) der dpa. «Kriminalisierung und Stigmatisierung des
Konsums führen meist auch dazu, dass Betroffene die bestehenden
Hilfsangebote nicht in Anspruch nehmen.» Dass Entkriminalisierung die
Beratungsquoten steigere, sei durch Studien aus anderen Ländern wie
Portugal gut belegt, sagte Stubican. 

Suchtkranke Menschen, die sich in der Vergangenheit kriminalisiert
sahen, konnten zwar schon immer Hilfe suchen. Allerdings: Wer sich
ständig in Hab-acht-Stellung durch den Alltag bewege und den Konsum
verheimlichen müsse, sei in der Regel weniger aufgeschlossen für
Beratung. «Die Tatsache, dass man viel offener mit dem Konsum und
damit auch etwaigen Problemen umgehen kann, steigert die Erwartung
und Hoffnung, dass man gefährdete Menschen viel früher erreichen
kann», sagte Stubican.

In der KBS sind die in der Suchthilfe tätigen Verbände der freien
Wohlfahrtspflege in Bayern vertreten, darunter die Caritas, das
Diakonische Werk oder der Paritätische Wohlfahrtsverband. Sie
betreiben gemeinsam 110 Beratungsstellen im Freistaat. Das Münchner
Institut für Therapieforschung (IFT) hat die Zahlen von 80 Prozent
aller Stellen ausgewertet. Demzufolge haben sich im Jahr 2021 in
Bayern etwa 42 000 suchtkranke Menschen an die Beratungsstellen
gewandt. 

Jeder Fünfte kam wegen einer «cannabinoidbezogenen Störung». In
absoluten Zahlen waren das etwa 7500 Menschen. Fünf von sechs davon
waren Männer. Die größte Altersgruppe bildeten die 20- bis
35-Jährigen mit fast 60 Prozent. 30 Prozent sind unter 20 Jahre alt
und jede achte betreute Person sogar noch minderjährig.

Hier setzt etwa ein Schulpräventionsprojekt der bayerischen
Staatsregierung an. «Aber es müssen noch viele weitere Schritte
folgen», sagte Stubican. Minderjährige dürfen auch nach dem neuen
Gesetz weder konsumieren noch erwerben. «Man weiß aber, dass sie das
tun.» Hier gebe es immer noch großes Potenzial für einen
Schwarzmarkt. 

Um vor allem die Jugendlichen besser zu erreichen, dürfe Prävention
nicht allein in der Schule stattfinden. Auch müsse unbedingt die
Finanzierung von Jugendsuchtberatungsstellen geklärt werden, sagte
Stubican. Diese müssten nämlich von Kommunen finanziert werden,
während bei den Erwachsenen die Bezirke zuständig seien.

Die positiven Effekte entstünden nicht von heute auf morgen, gab
Stubican zu bedenken: «Nur weil der Konsum teil-legalisiert wurde,
haben wir in keiner Weise eine Entstigmatisierung.» Er verwies etwa
auf Ankündigung aus den Reihen der bayerischen Regierung, den Kampf
gegen Cannabis mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen so weit wie möglich
auszureizen. «Im Moment sind viele noch unsicher, wie sie mit der
neuen Situation umgehen sollen.» Es mangele an Information und
Wissen, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema überhaupt
aussehe. Bis man über aktuelle Zahlen für 2024 verfüge, die dann
womöglich einen Trend hin zu mehr Beratung abbildeten, werde es noch
einige Monate dauern.