Eselkuscheln oder: Lange Ohren für Senioren Von Katja Sponholz, dpa

Tiere können emotionale Türöffner seien, sie bekämpfen Einsamkeit u
nd
lösen Freude aus. Auf einem Eselhof in Heusweiler gibt es berührende
Begegnungen - im wahrsten Sinne des Wortes.

Heusweiler (dpa/lrs) - Käthe Sebel ist mir ihren 90 Jahren die
älteste Teilnehmerin an diesem Nachmittag. Doch sie greift genauso
beherzt zum Striegel wie viele andere aus ihrer Seniorengruppe der
Pfarrei St. Josef in Saarbrücken-Malstatt. Als sie einige Minuten
später dem Esel über den Rücken streichelt, ist sie zufrieden. «Dem

habe ich etwas Gutes erwiesen», ist sie überzeugt. Wobei die
eineinhalbstündige Begegnung wohl zugleich ein Geben und Nehmen war:
Denn vom Striegel- und Streichel-Termin auf dem Eselhof Neumühle im
saarländischen Heusweiler profitieren sowohl Zwei- als auch
Vierbeiner. 

«Ich erlebe es oft, dass die Menschen gestresst oder auch traurig
hier ankommen. Dann verbringen sie Zeit mit den Eseln und gehen
danach glücklich und entspannt hier raus», berichtet Kathrin Bach,
die diesen «Lebenshof» mit inzwischen zwölf Eseln und mehreren
Kaninchen und Hunden seit über 20 Jahren betreibt. Seitdem bietet sie
ein buntes Programm an: Angefangen von Eselspaziergängen über
Erlebnispädagogik für Kindergärten und Schulklassen bis zu Workshops

und Firmenveranstaltungen mit Eselkuscheln. Gerade diese Vierbeiner
eignen sich ihrer Meinung nach besonders für diese Begegnungen: «Sie
sind absolut besonnen, strahlen eine wahnsinnige Ruhe aus, urteilen
nicht, nehmen dich so, wie du bist, sind unvoreingenommen und einfach
liebevoll.»

Damit verbindet sie einiges mit den Gästen, die an diesem Tag hier
sind, meint Gemeindereferentin Christine Mick: «Ich erlebe viele
Seniorinnen auch als sehr gelassen. Sie nehmen es so, wie es kommt»,
schildert sie. Als «störrisch» möchte sie weder Tiere noch Menschen

bezeichnen: «Weil sie nur noch das mit sich machen lassen, was sie
selbst auch wollen, weil sie sich nicht mehr irgendwelchen Ansprüchen
«beugen», sondern das machen, was ihnen guttut.»

Auch an diesem Nachmittag ist das nicht anders. Alles, was passiert,
geschieht absolut freiwillig - und mit Freude. Wenn die Tiere
wollten, könnten sie auch einfach auf die Weide traben und ihre Ruhe
haben. Stattdessen jedoch scharen sie sich um die Besucherinnen, von
denen einige gestützt werden müssen oder mit ihrem Rollator im Gehege
erscheinen. Während die Tiere genüsslich an frischem Heu fressen,
werden sie liebevoll gestriegelt und gestreichelt. Die meisten
Besucherinnen gehen ohne jede Angst auf sie zu und auch nah um sie
herum, um sie überall erreichen zu können. Vor allem Schwester
Franziska (78) ist aktiv: «Ich kenne es, sich um andere zu kümmern»,

sagt sie. «Ich war Erzieherin und habe auch 14 Jahre meines Lebens in
Togo verbracht.» Und dann striegelt sie konzentriert weiter und macht
sich auf den Weg zum nächsten Langohr. 

Ein paar Meter entfernt steht Linda Walter und strahlt. «Das war so
schön, das hat richtig gut getan», gibt die 76-Jährige zu. Was sie
bei diesem Kontakt mit den Tieren empfunden habe? «Ein ganz weiches,
wunderbares und warmes Gefühl. Nicht nur für mich, sondern ich glaube
auch für die Esel.»

Was die Frauen an diesem Nachmittag erleben, ist nicht nur eine
subjektive Emotion, sondern auch wissenschaftlich erwiesen: «Studien
zur tiergestützten Therapie belegen die Effektivität dieser Methode
in verschiedenen Bereichen, darunter die Betreuung von Personen mit
Demenz», sagt Christian Muth, Sprecher der Regionalgruppe
Rheinland-Pfalz/Saarland und Vorstand im Bundesverband Tiergestützte
Intervention (BTI).  Der physische Kontakt mit den Tieren führe zur
Freisetzung von Oxytocin, dem «Wohlfühlhormon», das beruhigend und
stressreduzierend wirke. Diese hormonelle Reaktion verbessere das
soziale Wohlbefinden und die Interaktion der Beteiligten. 

Gerade Esel, die ein stark ausgeprägtes soziales Verhalten aufwiesen,
seien besonders interessant für die Tiergestützte Intervention. Die
Klienten lernten, durch tiefgründige Kommunikation das Vertrauen des
Esels zu gewinnen. «Dieser Prozess fördert das soziale Verständnis
und die emotionale Kompetenz, besonders bei Senioren, und kann daher
eine sehr bereichernde Erfahrung sein», meint Muth. Es sei jedoch
wichtig, dass solche Aktivitäten unter professioneller Anleitung
durchgeführt werden, um die Sicherheit und das Wohl der Tiere und
Menschen zu gewährleisten.

Darauf legt auch Kathrin Bach Wert. Deshalb hat sie nach einem
Studium der Germanistik und Sozialpsychologie und einer
Steinmetz-Ausbildung auch noch eine Fortbildung zur Fachkraft für
tiergestützte Interventionen absolviert. Und das Wohlergehen ihrer
Vierbeiner, die allesamt aus dem Tierschutz stammen, nicht mehr
«gebraucht» wurden oder getötet werden sollten, liegt ihr besonders
am Herzen. «Ich will ihnen ein schönes Leben bieten», sagt sie. Die
56-Jährige ist überzeugt, dass auch die Esel die Begegnungen
genießen: «Als hier zu Corona-Zeiten keiner her durfte, haben sie
richtig gelitten und hatten Langeweile!» Das klassische Eselreiten
bietet Bach aber nicht an. «Das wäre übergriffig, das wollen die
Tiere nicht.» Nur wenn das Kinderhospiz komme, mache sie eine
Ausnahme: Damit die behinderten oder sterbenskranken Kinder noch
einmal ein besonderes Fühlen und Spüren auf dem Esel erleben
könnten. 

Ein kleines Geheimnis, das vor allem Kinder begeistert nutzen,
berichtet Kathrin Bach auch den Gästen aus der katholischen
Kirchengemeinde: Tatsächlich sei es nämlich so, dass der Wunsch, den
man einem Esel heimlich in seine langen Ohren flüstere, in Erfüllung
gehe. Nicht nur Linda Walter probiert das aus, sondern auch Gisela
Frey (60). «Er hat schön zugehört», sagt sie danach lächelnd.
«Hoffentlich geht es in Erfüllung - es wäre wirklich ein
Herzenswunsch.»

Ob es klappen wird, wird sich wohl erst in Zukunft zeigen. Die
Hoffnung von Gemeindereferentin und Seelsorgerin Christine Mick hat
sich jedenfalls schon erfüllt: «Viele der Frauen sind verwitwet und
allein», berichtet sie. «Ich wollte ihnen einfach ein Stück
Lebensfreude geben in dem manchmal oft einsamen Alltag.»