Falsche Atteste gegen Corona-Masken? - Hamburger Arzt vor Gericht

Panikattacke oder Asthma - mit solchen Diagnosen soll ein Hamburger
Arzt seine Patienten in der Corona-Zeit vor der Maskenpflicht bewahrt
haben. Nun muss sich der 80-Jährige vor Gericht verantworten.

Hamburg (dpa) - Unter großem öffentlichem Interesse hat in Hamburg
ein Prozess um mutmaßlich falsche Gesundheitszeugnisse in der
Corona-Pandemie begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft einem Arzt für
Innere Medizin vor, zwischen April 2020 und September 2021 in 57
Fällen falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht
ausgestellt zu haben. Der 80-jährige Beschuldigte wollte sich am
Montag vor der Großen Strafkammer am Landgericht nicht zu den
Vorwürfen äußern.

Diagnose «CO2-Vergiftung» und «Panikattacken»

Laut Anklage soll er die für die Gesundheitszeugnisse erforderlichen
Untersuchungen bei den Patienten nicht gemacht haben. Diagnosen wie
«Symptome einer CO2-Vergiftung», «Panikattacken» oder «Asthma
bronchiale» soll er teilweise ohne Begründung notiert haben. In einem
Fall habe er es unterlassen, eine Patientin durch einen Facharzt für
Psychiatrie untersuchen zu lassen. Der Angeklagte habe die Diagnosen
in seiner privatärztlichen Praxis in Hamburg und als Leiter der
Initiative «Ärzte für Aufklärung» gestellt, hieß es.

Die Initiative war in der Corona-Zeit wegen ihrer Kritik an den
Schutzmaßnahmen und Warnungen vor einer Zwangsimpfung in Medien
scharf angegriffen worden. Die Hamburger Ärztekammer hatte sich von
der Initiative distanziert.

Verteidiger rügen Besetzung der Strafkammer

Die beiden Verteidiger hatten vergeblich versucht, die Verlesung der
Anklage zu verhindern. Zur Begründung erklärte Anwalt Ivan Künnemann,

dass die Große Strafkammer nicht ordnungsgemäß besetzt worden sei.
Über ihre Rüge soll in Kürze das Hanseatische Oberlandesgericht
entscheiden.

In einer Pressemitteilung erklärten die Verteidiger, die damaligen
Corona-Eindämmungsverordnungen des Hamburger Senats hätten
grundsätzlich jede Person mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung
oder Behinderung von der Maskenpflicht befreit. Es sei nicht geregelt
worden, wer solche Beeinträchtigungen bescheinigen dürfe. 

Dass Ärzte ihren Patienten Bescheinigungen ausstellten, ohne sie in
ihrer Praxis untersucht zu haben, sei in der Corona-Pandemie nichts
Ungewöhnliches gewesen. Die Verteidiger verwiesen auf die damals
übliche telefonische Krankschreibung.

Nach der Verhandlung sagte der Angeklagte vor Pressevertretern: «Ich
habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe mich an die Gesetze und die
Berufsordnung gehalten.» Ärzte, die unrichtige Gesundheitszeugnisse
ausstellen, können zu einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft
verurteilt werden.

Viele Zuschauer und Gerichtstermine

Rund 100 Zuschauer drängten in den Gerichtssaal, aber nicht alle
fanden Platz. Das Gericht hat vorerst 18 weitere Termine bis Ende
September angesetzt. Grund für die erwartete lange Verfahrensdauer
ist die große Anzahl von Zeugen. Sofern die Patienten des Arztes
schon selbst rechtskräftig verurteilt sind, haben sie kein
Aussageverweigerungsrecht und müssen vor Gericht Rede und Antwort
stehen. Ein Verständigungsgespräch vor Beginn der Hauptverhandlung
scheiterte. Die Verteidigung habe Freispruch gefordert, die
Staatsanwaltschaft habe jedoch auf Aufklärung der Vorwürfe bestanden,
berichtete Behr.