Erstes Urteil bestätigt: Trierer Amokfahrer bekommt wieder lebenslang Von Birgit Reichert, dpa

Der Prozess um die tödliche Amokfahrt in Trier musste wegen
Rechtsfehlern neu aufgerollt werden. Jetzt ist das Urteil gefallen.
Was war das Motiv?

Trier (dpa) - Im neu aufgerollten Prozess um die Amokfahrt in Trier
mit sechs Toten ist der Angeklagte erneut zu einer lebenslangen
Haftstrafe verurteilt worden. Er habe sich des sechsfachen Mordes aus
Heimtücke sowie des mehrfachen versuchten Mordes und mehrfachen
versuchten Totschlags schuldig gemacht, sagte der Vorsitzende Richter
Armin Hardt am Montag am Landgericht Trier. Es sei «eine schreckliche
Tat» gewesen, die «ganz Trier erschüttert hat und so viel Leid» ü
ber
viele Familien gebracht habe. 

Die Schwurgerichtskammer stellte zudem die besondere Schwere der
Schuld fest und ordnete die Unterbringung des 54-Jährigen in einer
geschlossen psychiatrischen Klinik an. Das alles war auch der Tenor
des Landgerichtsurteils von August 2022 gewesen. 

Psychisch krank, aber nicht schuldunfähig

Der Amokfahrer leidet laut dem Richter an einer paranoiden
Schizophrenie mit Wahnvorstellungen. Daher sei er laut
psychiatrischem Gutachten vermindert schuldfähig, sagte Hardt.
Schuldunfähig bei der Tat sei er aber nicht gewesen: Er habe sie
sogar vorbereitet und noch ein letztes Mal sein Lieblingsessen
Rouladen gekocht sowie seinen Nachlass geregelt. «Er wusste, dass die
Tat unrecht war», sagte Hardt.

Auch der Alkoholpegel des Amokfahrers, der bei der Tat demnach um die
1,6 Promille gelegen hatte, habe nicht dazu geführt, dass er das Auto
nicht sicher habe steuern können. Er habe seine Opfer «bewusst in
einem Zickzackkurs» angesteuert, um möglichst viele zu töten. In 18
Fällen blieb es beim Versuch. Die Verteidigung des Amokfahrers hatte
einen Freispruch wegen Schuldunfähigkeit und die Unterbringung in
einer geschlossenen Klinik gefordert.  

Prozess neu aufgelegt

Der Amokfahrer war am 1. Dezember 2020 mit einem Geländewagen durch
eine belebte Fußgängerzone in Trier gerast und hatte gezielt
Passanten angefahren. «Die Opfer waren bei dem Angriff völlig arg-
und wehrlos», sagte Hardt. Fünf Menschen starben unmittelbar: ein
neun Wochen altes Baby, dessen Vater (45) und drei Frauen im Alter
von 25, 52 und 73 Jahren. Zudem gab es Dutzende Verletzte und
Traumatisierte. Ende Februar dieses Jahres starb ein weiterer Mann
(66) an den Folgen der Verletzungen, die er bei der Tat erlitten
hatte.

Dass der Deutsche der Täter war, ist unbestritten und wurde nicht neu
verhandelt. Im Fokus der Neuauflage stand vor allem die Frage der
Schuldfähigkeit des Mannes. Der Bundesgerichtshof hatte nach Revision
des Angeklagten das erste Urteil wegen Rechtsfehlern überwiegend
aufgehoben. Er bemängelte, dass die Trierer Richter die
Schuldfähigkeit des Mannes nicht auf die Tat bezogen geprüft hatten.

In dem neu aufgelegten Amokprozess waren seit Ende Februar knapp 60
Zeugen gehört worden. Es waren alles Menschen, die vor oder nach der
Tat mit dem Angeklagten zu tun hatten - wie Bekannte des Mannes oder
Polizisten bei der Festnahme nach der Tat.

Die Frage nach dem Motiv

Der gelernte Elektroinstallateur, zur Tatzeit arbeits- und
wohnsitzlos, hat auch im zweiten Prozess zu den Vorwürfen
geschwiegen. Er macht «eine Erinnerungslücke» geltend. Somit bleibt
die Frage nach dem Motiv. Laut Richter Hardt ist die Tat zu erklären
mit der psychischen Erkrankung des Mannes. Sein Leben war demnach von
dem Wahn bestimmt, als Kind Opfer eines staatlichen Versuchs geworden
zu sein, bei dem ihm ein radioaktives Mittel gespritzt wurde. Seitdem
habe er sich verfolgt und benachteiligt gefühlt.

Seit Jahrzehnten kämpfte er vergeblich darum, 500 000 Euro
Entschädigung zu bekommen. Am Tag vor der Tat hatte er es wieder
erfolglos bei einem Anwalt versucht. Der Mann gilt laut Gutachten als
gemeingefährlich. Am Montag wurde seine einstweilige Unterbringung in
einer Klinik angeordnet.

Opfer bitten um Abschluss

Mit dem Urteil folgte das Gericht den Forderungen der
Staatsanwaltschaft. «Ich hoffe, dass das Urteil dazu führt, dass die
Opfer und Hinterbliebenen jetzt etwas zur Ruhe kommen können», sagte
der Opferbeauftragte der Landesregierung Rheinland-Pfalz, Detlef
Placzek, im Gericht. Er appellierte an den Täter, «es jetzt auf sich
beruhen zu lassen» und nicht erneut in Revision zu gehen.

Wolfgang Hilsemer, der bei der Tat seine Schwester verloren hat,
sagte, er sei mit dem Urteil «zufrieden». Er hoffe auch, dass der
Verteidiger nicht noch mal in Revision gehe und «dass er mal Empathie
gegenüber den Hinterbliebenen und den Opfern zeigt».

Der Anwalt des Amokfahrers, Frank K. Peter, kündigte nach dem
Richterspruch jedoch an, dass er auch gegen das neue Urteil Revision
einlegen werde. Ein juristisches Ende könnte also noch dauern.

Folgen des Urteils

Wird der Richterspruch rechtskräftig, bedeutet es laut dem Trierer
Strafrechtsprofessor Mohamad El-Ghazi das aus Angeklagtensicht
«härteste Urteil», das man sich vorstellen könne. Solange von einem

Verurteilten noch erhebliche Gefahren für die Allgemeinheit
ausgingen, werde er nicht entlassen. «Mit Blick hierauf
kommen Verweilzeiten von über 30 Jahren immer wieder vor. Die
Verbüßung endet dann durch den Tod des Strafgefangenen», sagte
El-Ghazi.