Indonesiens «Opium fürs Volk»: Nelkenzigaretten qualmen überall Von Christiane Oelrich, dpa
Surabaya (dpa) - Die Szenerie hat etwas von einem Film: Die Hände
der Arbeiterinnen in der indonesischen Tabakfabrik sind so flink, als
würden sie im Zeitraffer gezeigt. Es sind immer dieselben Bewegungen,
ohne Unterbrechung. Darüber liegt ein süßlicher Geruch nach Tabak,
nur das dumpfe Klackern handbetriebener Maschinen ist zu hören. Hier
entsteht so etwas wie das «Opium fürs Volk» des Landes: Kretek -
Nelken-Zigaretten, die aus etwa 40 Prozent zerstoßenen Gewürznelken
und 60 Prozent Tabak bestehen. Rund zwei Drittel der indonesischen
Männer rauchen. Das Land mit seinen 240 Millionen Einwohnern ist
weltweit der fünftgrößte Markt für die Tabakindustrie. Die Regierun
g
versucht nur halbherzig, das Rauchen einzudämmen: Die Abhängigkeit
ist lukrativ für den Staat.
Den Nichtrauchertag am 31. Mai gibt es offiziell in Indonesien
auch - nur weiß es kaum einer. Jakartas Gouverneur Sutiyoso verbot im
vergangenen Jahr das Rauchen in öffentlichen Bereichen - die Regelung
hatte Einwohnern zufolge knapp zwei Wochen Bestand.
«Eben habe ich Opa Ahmed gesehen, der ist 85 und putzmunter und
raucht wie ein Schlot», sagt Diedik, ein Umweltschützer, bläst den
Rauch aus den Nasenlöchern und lacht. In Indonesien haben viele
Menschen nur einen Namen. Diedik weiß, dass Rauchen gefährlich ist.
«Das Risiko ist halt der Preis, den wir für das Vergnügen zahlen
müssen», sagt er. «Meine Großmutter hat sich mit Tabak die Zähne
sauber gemacht», erinnert sich Kusen, der eine eigene kleine Kretek-
Fabrik in Zentraljava hat. «Ich habe einen Freund, der hustete, das
ist mit den Kretek-Zigaretten weggegangen», erzählt der 68-Jährige.
Als völlig absurd weist die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
solche Aussagen zurück. Nelken setzten Eugenol frei, eine Substanz,
die Glücksgefühle erzeugt. Ärzte sagen, das liebliche Nelkenparfüm
maskiere den Tabakgeschmack und mache die Menschen damit besonders
süchtig. Die Nelken-Zigaretten sind mit umgerechnet 80 Cents pro
Packung etwas billiger als herkömmliche Filterzigaretten, enthalten
aber mit durchschnittlich 2,5 Milligramm Nikotin und 53 Milligramm
Teer mehr Schadstoffe als diese.
In der Fabrik des Herstellers Sampoerna in Surabaya (Ostjava)
sitzen 500 Frauen in Reih und Glied. Jede hat eine Holzkiste mit
Tabak zu ihren Füßen stehen, Zigarettenpapier auf dem Tisch und vor
sich eine altmodische Rollmaschine. Kleber aufs Papier, dieses auf
die Maschine, Tabak darauf, einen Bügel runter und wieder hoch -
fertig ist die Zigarette. «Ich schaffe 4500 am Tag», sagt Nina, ohne
aufzublicken. Je mehr Zigaretten gerollt werden, desto mehr Geld gibt
es.
Nina arbeitet seit 15 Jahren hier, von montags bis samstags, von
sechs Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags. Dafür gibt es rund
800 000 Rupien (rund 70 Euro) pro Woche - ein vergleichsweise stolzer
Arbeitslohn. Nina selbst raucht nicht, ebenso wie die meisten anderen
hier beschäftigten Frauen: Rauchen ist in Indonesien eine
Männerdomäne. Sampoerna stellt im Jahr mehr als 40 Milliarden Nelken-
Zigaretten her, die meisten für den heimischen Markt. Insgesamt
arbeiten 221 000 Menschen für die indonesischen Tabakhersteller. Vier
Prozent des Steuervolumens fließen durch das Rauchen in die
Staatskassen, allein in den ersten fünf Monaten dieses Jahres 462
Millionen Euro.
Aber irgendwie will die Regierung ja auch etwas für die
Volksgesundheit tun. Werbung mit rauchenden Menschen ist deshalb
verboten. Sampoerna wirbt stattdessen mit kerngesunden Sportlertypen:
Auf einem Plakat ist eine fröhliche Rudermannschaft im Wildwasser zu
sehen, auf einem anderen ein Adonis beim Stierkampf. Die Verknüpfung
von bewundernswerten Leistungsträgern und Zigaretten funktioniert
offenbar bestens.
Ihren Ursprung hat die Werbestrategie in den USA. Der Tabak-
Konzern Philip Morris kaufte vor zwei Jahren den drittgrößten
Tabakhersteller Indonesiens. «Eine großartige Gelegenheit, unser
Geschäft in dem fünftgrößten und wachsenden Markt auszuweiten»,
frohlockte die Firma, die in ihrem Heimatland Rekordurteile zu
Gunsten erkrankter Raucher zu verkraften hatte.
dpa oe xx a3 kl/tr
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