Studie: Deutsche überschätzen Krebs-Früherkennung

Berlin (dpa) - Der Nutzen von Untersuchungen zur Früherkennung von
Brust- und Prostatakrebs wird in Deutschland einer Studie nach
überschätzt. 92 Prozent der Frauen und 89 Prozent der Männer
versprächen sich vom Mammografie-Screening zur Brustkrebs-Vorsorge
oder PSA-Tests für die Erkennung von Prostatakrebs zu viel, sagte
Gerd Gigerenzer vom privat finanzierten Harding Zentrum am Max-
Planck-Institut für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin. Für die
Studie waren 2000 Menschen in Deutschland interviewt worden. Die
Deutsche Krebsgesellschaft hält das Urteil für verfrüht. Das
Mammografie-Screening etwa gebe es in Deutschland erst seit 2009
flächendeckend. PSA-Tests für alle Männer würden kritisch gesehen.

Für die Studie hat das im April eröffnete Harding Zentrum für
Risikokompetenz gemeinsam mit der Gesellschaft für Konsumforschung
(GfK) rund 10 000 Menschen in neun Ländern zu ihrem Wissen über den
Nutzen von Krebs-Früherkennung befragen lassen. Dazu zählten neben
Deutschland auch Belgien, die Niederlande, Spanien, Italien,
Frankreich, Großbritannien, Polen und der europäische Teil von
Russland. Die Interviewer stellten zum Beispiel die Frage, wie viele
von 1000 Frauen weniger an Brustkrebs sterben, wenn sie an einem
Screening teilnehmen. In Deutschland waren fast 14 Prozent der
befragten Frauen der Meinung, dass rund 200 Frauen weniger sterben.
Weniger als ein Prozent der Interviewten glaubte, dass nur eine Frau
weniger stirbt.

Dieses Ergebnis hat Gigerenzer, Professor für Psychologie,
alarmiert. Denn nach seinen Quellen, zu denen zum Beispiel eine große
Mammografie-Untersuchung aus dem Jahr 2006 zählt, sterben ohne
Screening 5 von 1000 Frauen über 50 Jahren an Brustkrebs. Mit
Screening - mit 10 Untersuchungen in 10 Jahren - sterben aber immer
noch 4 von 1000 Frauen an Brust-Tumoren. Somit profitiert nach
Gigerenzers Aussage nur eine von 1000 Frauen von der Vorsorge.

Diese Zahl werde in Deutschland weder von Ärzten noch von Medien
ausreichend vermittelt, kritisierte der Wissenschaftler. Oft sei von
20-Prozent-Raten die Rede, die vom Screening profitierten. Daraus
folgerten Frauen dann fälschlicherweise, dass 200 von 1000 Frauen das
Screening nutze. Ohne korrekte Informationen könne es keine mündige
Patienten geben. «Wir sind weit weg von einer Gesellschaft, die auf
Risiken intelligent reagiert», folgerte Gigerenzer, Mitautor der
Umfrage. Fraglich sei zum Beispiel, wie sinnvoll es bei knappen
Gesundheitsbudgets ist, ein teures Screening mit «kleinem Nutzen»
aufrecht zu erhalten.

Bei der Deutschen Krebsgesellschaft sieht Gynäkologe und
Vorstandsmitglied Matthias Beckmann diese Einschätzung kritisch. Die
Datenbasis der großen Mammografie-Studie von 2006 sei unter
Wissenschaftlern umstritten, sagte er. Ob und wie die Brustkrebs-
Sterblichkeit durch ein Screening gesenkt werde, könne sich erst nach
10 bis 15 Jahren zeigen. Entscheidend sei dann auch, wie viel Prozent
aller Frauen in einem Land daran teilgenommen hätten.

In Deutschland gibt es das Mammografie-Screening erst seit
Jahresbeginn flächendeckend für gesetzlich versicherte Frauen
zwischen 50 und 69 Jahren. So überrascht es Beckmann nicht, dass sie
über Nutzen und Risiken - zum Beispiel falsch-positive Befunde - noch
nicht umfassend informiert sind.

Für Beckmann gibt es bei Brustkrebs, der häufigsten Tumorart bei
Frauen in Deutschland mit rund 17 000 Todesfällen pro Jahr, eine
andere wichtige absolute Zahl. «Eine von zehn Frauen bis 75 Jahre
erkrankt an Brustkrebs», berichtet er. Für ihn sei das Screening
derzeit die einzige Möglichkeit, Frühformen der Krankheit zu
entdecken und dadurch bessere Heilungschancen zu erreichen.

Beim Nutzen vom PSA-Bluttest als Vorsorge gegen Prostatakrebs bei
Männern liegen Gigerenzer und die Krebsgesellschaft dagegen nicht so
weit auseinander. Ökonomisch sei ein flächendeckendes Screening bei
Männern wegen der geringen Effekte auf die Todesraten nicht zu
rechtfertigen, entschied die Krebsgesellschaft bereits im März.

Die Studie über das Wissen der EU-Bevölkerung beim Thema Krebs-
Vorsorge soll Anfang September im «Journal of the National Cancer
Institute» erscheinen.

dpa vl yybb z2 kl

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