AOK-Chef: «Privatversicherer bekommen Krise nicht unter Kontrolle» Interview: Basil Wegener dpa

Berlin (dpa) - Die private Krankenversicherung (PKV) kommt immer
mehr ins Gerede. Der oberste CDU-Gesundheitsexperte im Bundestag,
Jens Spahn, findet die Trennung zur gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) nicht mehr zeitgemäß. Im Fall eines Wahlsiegs von SPD und
Grünen bei der nächsten Bundestagswahl brächen für die PKV ohnehin

schwere Zeiten an. Der Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, Jürgen
Graalmann, fordert in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa in
Berlin gleiche Bedingungen für PKV und GKV.

Viele private Krankenkassen haben Finanzprobleme - was soll aus der
PKV werden?

Graalmann: «Die Lage der PKV ist ganz offensichtlich bedrohlich. Das
hat viele Ursachen. So wie es aussieht, bekommen die Versicherer
diese Krise nicht selbst unter Kontrolle. Es wird stattdessen immer
wieder nach dem Gesetzgeber gerufen. Der soll die vollkommen
überzogenen Provisionszahlungen an die Versicherungsvertreter
begrenzen. Und er soll dafür sorgen, dass die Verhandlungserfolge von
AOK und Co. schlicht auf die Privaten übertragen werden. Von unseren
Erfolgen will die PKV jetzt profitieren, weil sie selbst nicht von
ihrem massiven Kostenproblem runterkommt. In der Folge steigen
Prämien dort auf ein immer höheres Niveau. Aus Umfragen wissen wir,
dass mittlerweile jeder Dritte Privatversicherte gerne in die GKV
wechseln will. Vor diesem Hintergrund halte ich einen einheitlichen
Versicherungsmarkt für die logische Konsequenz.»

Wie könnte das konkret aussehen?

Graalmann: «Auf diesem Marktplatz könnten sich GKV und PKV dem
Wettbewerb um die besten Versorgungsangebote stellen. Dazu gehört
dann auch, dass die Risikoselektion von gesunden Versicherten endlich
in der Versenkung verschwindet. Eines ist ganz klar: Vor gleichen
Rahmenbedingungen für GKV und PKV ist der AOK nicht bange.»

Wenn ein einheitlicher Versicherungsmarkt entsteht - haben die
gesetzlichen Kassen bei den lukrativen Zusatzversicherungen nicht das
Nachsehen?

Graalmann: «Die Versicherten müssen sich auch weiterhin auf ihre
Versicherung verlassen können. Das heißt, sie erhalten hochwertige
und umfassende Leistungen, wenn sie krank werden. Und das unabhängig
vom Einkommen. Wenn das heutige Geschäftsmodell der PKV gescheitert
ist, darf es keine politischen Kompensationsgeschäfte geben. Und:
Ausgangspunkt für Zusatzangebote müssen die Wünsche der Versicherten

sein. Und die wollen ganz einfach Leistungen aus einer Hand und von
einem Partner, dem sie vertrauen. Das können wir mit eigenen
attraktiven Tarifangeboten oder in Kooperationen tun.»

Was soll mit den Rücklagen der PKV passieren?

Graalmann: «Die Rücklagen gehören den Versicherten. Sie haben dafür

höhere Prämien bezahlt als sie tatsächlich an Leistungen bekommen
haben. Wenn der Gesetzgeber künftig den Wechsel von
Privatversicherten zurück in die Solidargemeinschaft der GKV
erleichtern will, ist es nicht einzusehen, dass die Versicherten ihre
Gelder weiterhin dem Versicherungskonzern "zwangsvererben" müssen.
Dieser Fehlanreiz muss weg. Es kann doch nicht sein, dass ein Konzern
gewinnt, wenn ihm die Klientel davonläuft. Das ist sicher auch eine
verfassungsrechtliche Frage.»

# dpa-Notizblock

## Redaktionelle Hinweise
- Korrespondentenbericht über die Zukunft der privaten
Krankenversicherung bis 1130 - ca. 60 Zl

## Internet
- [PKV-Zahlenbericht](http://dpaq.de/Rd5Zg)
- [Jens Spahn, CDU, zur PKV](http://dpaq.de/Pp1Zy)
- [Stiftung Warentest zu PKV-GKV](http://dpaq.de/8pqe5)
- [Artikel über Wechsler](http://dpaq.de/3IQbG)
- [Bund der Versicherten zu Beitragsplus](http://dpaq.de/VhQ1A)
- [Verbraucherzentrale zu Beitragsplus](http://dpaq.de/RZuKo)
- [Verbraucherportal WIDGE.de dazu](http://dpaq.de/nVqId)
- [Bericht über die Vermittlerbranche](http://dpaq.de/flFZY)

## Orte
- [AOK](Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin)

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