Viel Arbeit durch Cannabis-Legalisierung für Saar-Staatsanwaltschaft Von Wolfgang Jung, dpa

Strafgefangene werden vorzeitig entlassen, Urteile müssen untersucht
werden: Die juristischen Folgen der Cannabis-Freigabe sind
weitreichend. Die Prüfungen laufen - und werden noch einige Zeit
dauern.

Saarbrücken (dpa/lrs) - Ein Erwachsener ist im Saarland vorzeitig aus
dem Strafvollzug entlassen worden und profitiert so von dem seit dem
1. April geltenden Gesetz zum Besitz von Cannabis. Das teilte die
Staatsanwaltschaft Saarbrücken auf Anfrage der Deutschen
Presse-Agentur mit (Stand 4. April). Rechtskräftige Strafen wegen
bestimmter Cannabisdelikte sind seit Monatsbeginn nicht mehr straf-
oder bußgeldbewehrt.

Zwei weitere Erwachsene würden wohl Mitte April entlassen, weil sich
die Strafe wegen der Regelung verkürze, hieß es. Hinzu komme eine
einstellige Zahl von Erwachsenen, bei denen eine derartige Strafe
zwar entfalle - die aber zur Vollstreckung anderer Strafen in Haft
blieben, hieß es.

Tausende Strafvollstreckungsverfahren prüfen

Grundsätzlich müssten alle etwa 21 000 laufenden
Strafvollstreckungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken
geprüft werden, hieß es. «Hintergrund ist, dass eine EDV-mäßige
Identifizierung, ob in einem Verfahren - auch - eine Verurteilung
wegen des Umgangs mit Cannabis erfolgt ist, nicht mit hinreichender
Sicherheit möglich ist.»

Zudem seien mehr als 2700 Verfahren für eine gesonderte, priorisierte
Auswertung identifiziert worden, bei denen ein erhöhter Verdacht
bestehe, dass sie der Neuregelung unterliegen könnten, hieß es.
«Diese Überprüfung ist weitestgehend abgeschlossen.» Hinzu komme di
e
Auswertung weiterer etwa 1300 Verfahren, in denen eine nachträgliche
Gesamtstrafe gebildet wurde - weil ein etwaiges einbezogenes
Cannabisdelikt mittlerweile straflos ist. «Diese Überprüfung ist noch

nicht abgeschlossen.»

Bisher seien etwa 700 Verfahren identifiziert worden, die der
Regelung unterliegen und nachzubearbeiten seien, hieß es. Davon seien
wohl etwas mehr als 300 Verfahren einer gerichtlichen Neufestsetzung
der Strafe zuzuführen.

Enormer Arbeitsaufwand

Die Staatsanwaltschaft verwies auf einen enormen Arbeitsaufwand.
Allein die Prüfung, ob rechtskräftig verhängte, bisher nicht
vollstreckte Strafen unter die Regelung fallen und damit einer
Nachbearbeitung bedürfen, dauere bereits seit rund vier Monaten an,
hieß es. Allein an der Prüfung der mehr als 2700 Verfahren der
priorisierten Auswertung habe eine Staatsanwältin in Vollzeit rund
dreieinhalb Monate gearbeitet. 

Andere Sondierungen durch Sachbearbeiter und Servicekräfte verliefen
im laufenden Betrieb und unter Einsatz von Rechtsreferendaren. Hinzu
kämen planerische und organisatorische Vor- und Begleitarbeit unter
Beteiligung etwa von EDV-Personal «in erheblichem Umfang». 

Abschluss unklar

Zudem komme nun der Aufwand für die Nachbearbeitung derjenigen rund
700 Verfahren hinzu, die der Regelung unterfallen. Insbesondere
müssten Gerichte etwa Gesamtstrafen neu bestimmen. «In mehr als 300
Verfahren wird eine gerichtliche Neufestsetzung der rechtskräftigen
Strafe erforderlich sein», hieß es.

Ein Zeitpunkt, wann sämtliche Arbeiten abgeschlossen sein könnten,
sei derzeit seriös nicht zu nennen, teilte die Staatsanwaltschaft
Saarbrücken mit.