Blick Richtung Alzey - wie der Biotech-Standort Rheinland-Pfalz wächst Von Christian Schultz, dpa

Wenn Kanzler Scholz dem Spatenstich für ein Werk des Pharmariesen Eli
Lilly in Alzey beiwohnt, lenkt das die Blicke auch auf ganz
Rheinland-Pfalz - und dessen Weg zum wichtigen
Biotechnologie-Standort.

Mainz/Alzey (dpa/lrs) - Spatenstich hier, Spatenstich dort: Der April
2024 ist so etwas wie der Monat der Biotechnologie in
Rheinland-Pfalz. Gleich mehrere Großprojekte rücken in den Fokus,
weitere sagen sich an - zur Freude der Ampel-Landesregierung, die es
zu einem ihrer zentralen Projekte gemacht hat, Rheinland-Pfalz im
Windschatten des Erfolgs von Biontech zu einem wichtigen Standort für
die Biotechnologie insgesamt zu machen.

An diesem Montag (8. April) ist der symbolische Spatenstich für die
neue Produktionsstätte von Eli Lilly in Alzey. Der US-Pharmakonzern
investiert dort bis 2027 rund 2,3 Milliarden Euro, bis zu 1000
Menschen sollen einmal in der Fertigungsstätte für injizierbare
Medikamente arbeiten. Der Produktionschef von Eli Lilly, Edgardo
Hernandez, sagte im November, ein Kriterium für die Ansiedlung in
Rheinhessen sei die gute pharmazeutische Infrastruktur in der
Region. 

Habeck spricht von «großem Ausrufezeichen»

Eli Lilly will unter anderem vom boomenden Geschäft mit
Abnehmspritzen profitieren, das in den USA einen regelrechten Hype
erzeugt hat. Dieses Geschäft hat auch der dänische Pharmakonzern Novo
Nordisk mit seinem Abnehmmittel Wegovy im Blick. Das Unternehmen hat
erst 2023 seine neue Deutschlandzentrale in Mainz eröffnet. 

Eli Lilly kommt ohne staatliche Investitionen nach Alzey, wie
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im November erklärte.
Er nannte die Investition «ein großes Ausrufezeichen», es sei eine
der größten einzelwirtschaftlichen Entscheidungen in Deutschland in
diesem Bereich. Erwartet werden zu dem Spatenstich neben
Ministerpräsidentin Malu Dreyer auch Bundeskanzler Olaf Scholz und
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (alle SPD). 

Nur einen Tag später, am kommenden Dienstag (9. April), ist der
Spatenstich für ein neues Forschungs- und Verwaltungsgebäude des
Forschungsinstituts Tron in unmittelbarer Nähe zur Mainzer
Universitätsmedizin geplant. Tron steht für Translationale Onkologie,
die gemeinnützige Gesellschaft entstand 2010, Gründer waren unter
anderem die Biontech-Macher Ugur Sahin und seine Frau Özlem Türeci.
Die Unimedizin, die Johannes Gutenberg-Universität (JGU) Mainz und
das Land Rheinland-Pfalz sind Anteilseigner. Tron forscht an
Wirkstoffen zur immuntherapeutischen Behandlung von Krebs und anderen
Krankheiten.

Tron, Kadans, ein Campus und mehr

Der sechsstöckige Tron-Neubau mit 10 800 Quadratmetern Fläche soll
2027 fertiggestellt sein und Labore und Büros beherbergen. Er
entsteht wenige hundert Meter von der Firmenzentrale des in der
Corona-Pandemie weltberühmt gewordenen Impfstoffherstellers Biontech,
der sich mittlerweile wieder verstärkt der Entwicklung von
Krebstherapien zuwendet. Und wenige Kilometer stadtauswärts, vor den
Toren der Universität, wächst nach und nach ein Biotech-Campus, der
auch gezielt Gründer aus der Branche anlocken will. 

Hier hatte zuletzt der niederländische Wissenschaftspark- und
Netzwerkbetreiber Kadans angekündigt, einen hohen zweistelligen
Millionenbetrag in neue Labor- und Büroräume zu investieren. Kadans
Science Partner entwickelt speziell angepasste Immobilien für
Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus den Bereichen Life
Science sowie Biotechnologie. 

Darüber hinaus engagiert sich unweit von Mainz Boehringer Ingelheim
kräftig in der Biotechnologie, der dortigen Baustelle für ein neues
Entwicklungszentrum für chemische Wirkstoffe stattete Kanzler Scholz
im vergangenen Mai einen Besuch ab. Rheinaufwärts in Ludwigshafen,
dem Stammsitz von BASF - ein weiterer Riese in der Biotechnologie -
wird zudem der US-Pharmakonzern Abbvie nach Angaben der
rheinland-pfälzischen Staatskanzlei Ende April den Startschuss für
ein Projekt geben. Details hierzu sind noch nicht bekannt, die
Staatskanzlei spricht von einer Investition in Spitzenforschung. 

Jahrelange Vorarbeit in Alzey

Es tut sich also auf Unternehmensebene eine ganze Menge. Das Land
Rheinland-Pfalz stellt bis 2026 bis zu 800 Millionen Euro für die
Biotechnologie und die Lebenswissenschaften zur Verfügung. Der
Landeskoordinator für Biotechnologie, Eckhard Thines, sieht großes
Potenzial für den Standort Rheinland-Pfalz und sprach sich kürzlich
dafür aus, noch offensiver dafür zu werben. «Wir müssen mehr
klappern», sagte er im Dezember der Deutschen Presse-Agentur. Dabei
dürfte der Termin bei Eli Lilly in Alzey am Montag helfen, lenkt er
doch die Blicke einer breiten Öffentlichkeit auf das Bundesland. 

«Unsere Wirtschafts- und Innovationspolitik in Rheinland-Pfalz trägt
Früchte», sagt Wissenschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP). Mit Eli
Lilly komme nun ein weiterer «bedeutender Player». Das Ministerium
verweist unter anderem auf einen Standortfinder im Internet, mit dem
Interessierte gezielt nach Arealen Ausschau halten können. Auch
würden Kommunen bei der Erschließung oder Erweiterung von
Gewerbegebieten finanziell gefördert, die Marke «Rheinland-Pfalz
Gold» werbe im In- und Ausland für den Standort. 

Für Alzey bringe die Ansiedlung von Eli Lilly ganz neue
Entwicklungsmöglichkeiten, sagt Bürgermeister Steffen Jung (SPD). Er
spricht von einer «Leuchtturmansiedlung». Die Stadt erhoffe sich
dadurch auch mehr Kaufkraft und Impulse für die Innenstadt. Dass der
Konzern sich trotz deutschlandweiter Suche für Alzey entschieden
habe, habe auch am verfügbaren Gelände gelegen. Bereits vor zehn
Jahren sei die Erweiterung des Industriegebietes Ost an der Autobahn
61 um 50 Hektar angedacht worden. Ursprünglich war geplant, ein
«Filetgrundstück» mit 12 bis 15 Hektar für eine besondere Ansiedlun
g
zurückzuhalten, erzählt Jung. 

Gab auch kritische Stimmen zur Erweiterung des Gewerbegebiets 

Im Mai vergangenen Jahres sei dann der Kontakt zu Eli Lilly zustande
gekommen. Dank einer Umplanung habe man letztlich die vom Unternehmen
benötigten 30 Hektar zur Verfügung stellen können. Im November 2023
sei die geplante Ansiedlung verkündet worden, kaum fünf Monate später

folge der symbolische Spatenstich. «Das ist schon beeindruckend
schnell», sagt Jung. Das gehe nur im Zusammenspiel mit allen
Beteiligten. 

Es gibt freilich auch in Alzey Kritiker der Erweiterung des
Gewerbegebiets. Bürgermeister Jung sagt, auch wegen einer
Bürgerinitiative habe es Änderungen im Bebauungsplan gegeben. Er sei
dankbar für diese kritische Begleitung, die habe durchaus
Verbesserungen gebracht.