Corona-Aufarbeitung ohne erneute Enquete-Kommission Von Bernd Glebe, dpa

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will in die
Corona-Transparenz-Offensive gehen. Die rheinland-pfälzische Politik
ist verhaltener.

Mainz (dpa/lrs) - In Rheinland-Pfalz steht eine parlamentarische
Aufarbeitung der staatlichen Maßnahmen während der Coronapandemie auf
der Tagesordnung. Doch eine Enquete-Kommission des Landtags zu den
Vorgängen einzusetzen, wird sowohl von den Ampel-Fraktionen als auch
vom überwiegenden Teil der Opposition abgelehnt, wie eine Umfrage der
Deutschen Presse-Agentur in Mainz ergab. Nur die AfD-Fraktion dringt
auf eine solche überfraktionelle Arbeitsgruppe, die aus Abgeordneten
sowie Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis besteht.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte jüngst in
konkreten Bereichen der Pandemie-Politik Aufklärung zugesagt. Auch
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) spricht sich für eine
Aufarbeitung der Corona-Politik der Pandemiejahre aus, ferner gibt es
Forderungen für eine Enquete-Kommission im Bundestag. 

Für ihre Einsetzung muss ein Viertel der Mitglieder des Bundestages
stimmen. Ein solches Gremium kann umfangreiche Empfehlungen für die
Gesetzgebung zu wichtigen gesellschaftlichen Themen vorbereiten oder
- im Fall Corona - Empfehlungen für den Umgang mit künftigen
Pandemien. Das Haus des rheinland-pfälzischen Wissenschafts- und
Gesundheitsministers Clemens Hoch (SPD) will sich zum Einsetzen einer
Enquete-Kommission für die Pandemie-Politik-Aufklärung im Land äuße
rn
und verweist darauf, dass das eine Entscheidung des Landtags sei. 

Im Parlament von Rheinland-Pfalz war im Jahr 2020 bereits eine
Enquete-Kommission mit dem Titel «Vorsorge- und Bekämpfungsmaßnahmen

gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Rheinland-Pfalz und
Konsequenzen für die Pandemiepolitik» eingesetzt worden. Sie hatte
sich mit den Entwicklungen des Coronavirus SARS-CoV-2 in
Rheinland-Pfalz und den möglichen Konsequenzen beschäftigt.

Da es in Rheinland-Pfalz schon zu Beginn der Pandemie eine
Enquete-Kommission gab, sieht die Grünen-Fraktion keine weitere
Notwendigkeit für noch eine Kommission, wie der Gesundheitsexperte
der Fraktion, Josef Winkler, der dpa sagt. Allenfalls wäre eine
Enquete-Kommission auf Bundesebene sinnvoll, da die maßgeblichen
Rechtsgrundlagen etwa zum Infektionsschutzgesetz und den
Impfempfehlungen im Bund verabschiedet wurden.

Aus der Opposition sei bereits angekündigt worden, eine Evaluierung
der Maßnahmen auf Landesebene im Rahmen einer ausführlichen Anhörung

im Gesundheitsausschuss vorzuschlagen. «Dazu sind nun die
demokratischen Fraktionen im Gespräch», sagte der Grünen-Politiker.
Ähnlich äußerte sich auch der gesundheitspolitische Sprecher der
FDP-Fraktion, Steven Wink: Für eine erneute Enquete-Kommission auf
Landesebene sehen die Liberalen, eine der Regierungsfraktionen,
derzeit keinen Bedarf.

Das Infektionsschutzgesetz sei Bundesrecht. Zudem habe der Bund
zahlreiche und sehr umfangreiche Daten der Pandemiejahre aus allen 16
Bundesländern vorliegen. Eine Enquete-Kommission des Bundestages wäre
daher zweckmäßiger, sagte Wink der dpa. Der Mainzer Landtag und die
Fraktionen hätten sich in verschiedenen Fachausschüssen mit den
zahlreichen Facetten der Pandemie beschäftigt. «Die differenzierte
Arbeit in den Ausschüssen des Landtags werden wir natürlich auch
weiterhin fortsetzen.»

«Aus Sicht der SPD-Fraktion bedarf es in Rheinland-Pfalz keiner
weiteren Enquete-Kommission zur Evaluierung der Corona-Krise - unter
anderem, da es eine solche ja bereits während der Pandemie gab»,
erklärte auch ein Sprecher der Sozialdemokraten. «Eine Erkenntnis im
umfangreichen Abschlussbericht: Die Maßnahmen der Landesregierung
waren erforderlich, notwendig und zielgerichtet.» 

Dazu gebe es verschiedene kontinuierliche Formen der notwendigen
Aufarbeitung auf mehreren Ebenen. Das Gesundheitsministerium habe
etwa während der Pandemie einen Ethik-Beirat eingerichtet und die
Landesregierung Maßnahmen und Strukturen permanent überprüft und ihre

Schlüsse daraus gezogen. «Des Weiteren standen und stehen diese
Themen weiterhin insbesondere im Gesundheitsausschuss des Landtags
auf der Tagesordnung», erklärte der Sprecher der SPD-Fraktion. 

«Mit etwas zeitlichem Abstand zur Pandemie können wir uns eine
erneute parlamentarische Befassung mit dem Thema sehr gut
vorstellen», sagte der Gesundheitsexperte der CDU-Fraktion, Christoph
Gensch, der dpa. Eine mehrtägige, umfangreiche Anhörung im
Gesundheitsausschuss könnte dazu eine geeignete Möglichkeit sein. Die
Folgen der Pandemie erstreckten sich auf viele Bereiche des Lebens
sowie der Gesellschaft und hielten bis heute an. «Diesen gesamten
Zeitraum, über das unmittelbare Pandemie-Geschehen hinaus, müssen wir
betrachten, um zu einer ganzheitlichen Bewertung zu kommen.»

Der Gesundheitsexperte der Freien Wähler im Landtag, Helge Schwab,
verweist auf das Vorgehen im benachbarten Saarland. Im
Nachbarbundesland sei keine Enquete-Kommission eingerichtet worden,
dafür aber nach Ende der Pandemie im September 2023 eine zweitägige
Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss durchgeführt worden. Dieses
Vorgehen wäre auch für Rheinland-Pfalz sinnvoll. Die Nachbetrachtung
müsste jedoch nicht nur die gesundheitlichen Aspekte beleuchten,
sondern auch die rechtlichen Konsequenzen.

AfD-Fraktionschef Jan Bollinger betont dagegen, dass aus Sicht der
Oppositionsfraktion eine Enquete-Kommission das richtige Instrument
für eine offene und ehrliche Aufarbeitung der staatlichen
Corona-Maßnahmen wäre. Bereits im vergangenen September habe seine
Fraktion einen entsprechenden Antrag in den rheinland-pfälzischen
Landtag eingebracht. Einer Aufarbeitung durch eine wie auch immer
geartete Experten-Kommission stehe die AfD dagegen kritisch
gegenüber. In der Pandemie sei die Arbeit vergleichbarer Gremien
teilweise intransparent gewesen. Deshalb seien derartige Gremien
ungeeignet für eine offene und ehrliche Aufarbeitung.