Kipppunkte in der Pflege in Deutschland vorhergesagt

Die Regierung wollte die Pflege eigentlich für einige Jahre
stabilisieren. Doch nun zeigt sich: Das Geld reicht wohl nicht mehr
lange - und das Personal auch nicht.

Berlin (dpa) - Den Versicherten könnte einer neuen Studie zufolge
schon bald eine weitere Erhöhung der Pflegebeiträge ins Haus stehen.
Bereits zum kommenden Jahreswechsel dürfte die immer weiter steigende
Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland einen Anstieg nötig machen,
heißt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur im neuen
Pflegereport der Krankenkasse DAK-Gesundheit, der an diesem Dienstag
in Berlin vorgestellt werden soll. Schon 2024 sei eine
Beitragssatzanpassung zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der
Pflegeversicherung wahrscheinlich. 

Zur Stabilisierung der Pflegeversicherung hatte der Bundestag im
vergangenen Jahr eine Reform beschlossen. Die Finanzen sollten
eigentlich bis 2025 abgesichert sein. Der Beitrag für Kinderlose
stieg auf 4 Prozent und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4
Prozent. Der Arbeitgeberanteil ging auf 1,7 Prozent herauf. Bei mehr
Kindern sinkt der Beitrag. 

Nun zeichnen sich laut dem DAK-Report bereits für das vierte Quartal
2024 deutliche Finanzierungslücken ab, «die voraussichtlich
Beitragssatzerhöhungen noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr
erforderlich machen», heißt es. 

Kipppunkte noch in diesem Jahrzehnt erreicht

Zudem schlagen die Wissenschaftler des Freiburger
Sozialforschungsinstituts AGP im Auftrag der DAK wegen der
Personallage Alarm. Die Arbeitsmarktreserve in der Pflege schrumpfe.
Aus der Gegenüberstellung von altersbedingten Berufsaustritten und
einer abnehmenden Zahl an Nachwuchskräften ergebe sich eine in den
kommenden Jahren verschärfte Lücke. Noch in den 2020er-Jahren werde
es nicht mehr ausreichend nachrückende Absolventinnen und Absolventen
von Pflegeschulen geben, um die Lücke der aus dem Beruf
ausscheidenden Baby-Boomer zu schließen.

So gab es laut der Studie 2023 über 1,14 Millionen professionell
Pflegende in Deutschland. Mehr als jede und jeder Fünfte von ihnen
erreiche in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter. In jedem
Bundesland müssten dann um die 20 Prozent des Personals ersetzt
werden - der Bedarf variiere zwischen 19,7 Prozent in Sachsen und
26,5 Prozent in Bremen. «In einzelnen Bundesländern werden noch in
diesem Jahrzehnt Kipppunkte erreicht, an denen deutlich mehr
Pflegende in den Ruhestand gehen als Nachwuchskräfte in den Beruf
einsteigen», so der Report. In Bremen und Bayern werde dies bereits
2029 der Fall sein.