Trotz Startschwierigkeiten wird E-Rezept landesweit schon viel genutzt Von Christina Sticht, dpa

Niedersächsische Kassenärzte und Apotheker beklagen gut drei Monate
nach Einführung des elektronischen Rezepts technische Probleme.
Krankenkassen beobachten eine große Akzeptanz des neuen Angebots.

Hannover (dpa/lni) - Gut drei Monate nach der verpflichtenden
Einführung des elektronischen Rezepts beklagen Ärztinnen und Ärzte
sowie Apotheken noch technische Probleme. Bei der praktischen
Umsetzung gebe es «deutlichen Verbesserungsbedarf», sagte Marion
Charlotte Renneberg, stellvertretende Präsidentin der Ärztekammer
Niedersachsen, der Deutschen Presse-Agentur. «So kommt es leider
häufiger zu Systemausfällen, wodurch in der Praxis dann wieder
zeitaufwendig auf das papiergebundene Rezept umgeschwenkt werden
muss.» Ein zuverlässigerer Betrieb des Systems sei dringend
notwendig. Renneberg ist Hausärztin mit einer Praxis in Ilsede im
Landkreis Peine. Die Medizinerin kritisierte darüber hinaus, dass
etwa Rezepte für Selbstzahler und für Privatpatienten bisher nicht
elektronisch ausgestellt werden könnten.

Kassenärzte sind seit Anfang 2024 bundesweit verpflichtet, für
verschreibungspflichtige Arzneimittel E-Rezepte auszustellen. Zur
Einlösung haben Versicherte drei Optionen: per App, Papierausdruck
oder mit ihrer Krankenkassenkarte. «Das E-Rezept läuft in den Praxen
noch nicht rund», kritisierte Detlef Haffke, Sprecher der
Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN). Im März sei es
immer wieder zu Problemen beim Erstellen und Einlesen gekommen. Dies
gehe zulasten der Patienten, Praxen und Apotheken. «Wie in jeder
neuen Entwicklung kann es zu Anfangsschwierigkeiten kommen», sagte
Cathrin Burs, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen und
Inhaberin einer Apotheke in Braunschweig. Dies verlange den
Patientinnen und Patienten viel Verständnis ab. 

«Es passiert durchaus häufiger, dass ein verordnetes E-Rezept in der
Apotheke nicht abrufbar ist. Aber wir brauchen einen Beleg. Dann kann
es passieren, dass der Patient noch mal zurück zum Arzt gehen und
sich ein Papierrezept ausstellen lassen muss», erläuterte Berend
Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen.
«Wenn das E-Rezept elektronisch auf die Krankenkassenkarte gelegt
wird, wissen Sie zudem gar nicht, was der Arzt verordnet hat.». Damit
sei dem Patienten auch ein wenig die Kontrollmöglichkeit genommen
worden. «Das führt in den Apotheken manchmal zu erstaunten Reaktionen
wie: «Das Medikament wollte ich doch gar nicht!»», berichtete der
Inhaber einer Apotheke im ostfriesischen Norden.

Aus Sicht der AOK Niedersachsen verlief die Einführung des E-Rezepts
trotz anfänglicher Hürden erfolgreich. Die E-Rezept-Quote habe im
Januar bei rund 60 Prozent und im Februar bereits bei circa 70
Prozent gelegen, teilte die mitgliederstärkste gesetzliche
Krankenkasse auf dpa-Anfrage mit. Der Verband der Ersatzkassen (vdek)
in Niedersachsen sieht nur vereinzelte Startschwierigkeiten.
Flächendeckende Probleme seien dem Verband nicht bekannt. «Angesichts
von bundesweit fast 137 Millionen eingelöster E-Rezepte gehen wir
davon aus, dass das E-Rezept im Alltag der Versicherten angekommen
ist», betonte vdek-Sprecher Simon Kopelke der dpa. 

«Der wichtige Schritt, der jetzt kommen muss, ist die Einführung der
Elektronischen Patientenakte (EPA)», sagte Verbandschef Groeneveld.
«Dann kann jeder Arzt Einsicht nehmen, egal ob Hausarzt, Facharzt
oder Krankenhausarzt und auch der Apotheker. Im Moment empfehlen wir
eine Stammapotheke, so kann jeder Patient mit einer Kundenkarte seine
Medikation checken lassen, also etwa ob sich bestimmte Medikamente
auf Dauer vertragen.»

Nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
sollen alle gesetzlich Versicherten Anfang 2025 E-Patientenakten
bekommen - außer, man lehnt es für sich aktiv ab. Millionen
Patientinnen und Patienten sollen dann wichtige Gesundheitsdaten wie
Befunde und Laborwerte standardmäßig in einer elektronischen Akte
parat haben. Der Bundesrat machte Anfang Februar den Weg dafür frei
und ließ ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz passieren.