Kinder, Karussell - Kiffen? Bayern prüft Regeln für Volksfeste Von Sabine Dobel und Ute Wessels, dpa

Die Volksfestsaison ist gestartet - darf auf dem Rummel gekifft
werden? Das Gesetz sagt dazu nichts. Die Veranstalter sind sich
einig: Der Joint hat hier nichts zu suchen. Die Staatsregierung nimmt
nun das Thema auf.

München (dpa/lby) - Fahrgeschäfte, Bier, Steckerlfisch - und Joint?
Die Volksfestsaison hat begonnen. Darf auf dort nun zur Maß auch
gekifft werden? Die meisten Veranstalter blieben eine Antwort auf die
Frage nach einem möglichen ausdrücklichen Cannabis-Verbot für die
Feste bisher schuldig - sind aber weitgehend einig: Kiffende passen
nicht auf ein Volksfest. 

Nun prüft die bayerische Staatsregierung nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur ein Kiff-Verbot für bestimmte Bereiche. Etwa
der Englische Garten in München könnte so zur Tabu-Zone werden, aber
auch Außengelände von Gaststätten und eben Volksfeste. Konkret
beschlossen wurde in der Kabinettssitzung am Dienstag zunächst noch
nichts, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte. Er
stellte aber eine Regelung in Aussicht, damit Kommunen eigenständig
Cannabis-freie Zonen einrichten können - so wie es bisher schon bei
Alkoholsperrzonen möglich sei. Das könne auch eine Lösung sein für

Volksfeste oder für das Oktoberfest - «wie ja auch von der Branche
erwartet wird».

Das Cannabis-Gesetz selbst beinhaltet für Volksfeste keine Regeln.
Viele Veranstalter zitieren aber die Vorgabe des Gesetzes, dass
Cannabis-Konsum in unmittelbarer Nähe von Kindern und Jugendlichen
nicht erlaubt ist - und Volksfeste seien nun einmal Familienfeste. 

In Nürnberg und in Augsburg am Plärrer laufen die Volksfeste seit
Ende März. Dort heißt es, Cannabis sei bisher kein Thema gewesen.
«Bislang haben derartige Vorfälle die Polizei nicht beschäftigt»,
sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord. Die Stadt
Augsburg teilte mit, man sei referatsübergreifend und mit den
Sicherheitsbehörden im Austausch. 

Fürs Oktoberfest mit rund sechs Millionen Besuchern aus aller Welt
gibt es bisher noch keine spezielle Regelung, ebenso wenig beim
zweitgrößten Volksfest Bayerns in Straubing, dem Gäubodenvolksfest
mit im vergangenen Jahr gut 1,3 Millionen Gästen. Wie dort künftig
mit Cannabis umgegangen werden soll, wolle die Stadt Straubing
prüfen, sagte ein Sprecher vergangene Woche. Da das Gäubodenvolksfest

erst im August stattfinde, sei noch Zeit; man könnte eventuell von
den Erfahrungen anderer Kommunen mit Frühlingsfesten profitieren. 

Auch zur Wiesn sind es noch ein paar Monate hin. «Die Wiesn ist ein
Fest für alle. Dazu gehören auch Kinder und Jugendliche. Wir bewerben
ja die Wiesn als familienfreundlich. Und das Gesetz sagt, Kinder und
Jugendliche sind zu schützen. Daraus schließe ich: Wiesn und Kiffen
geht nicht zusammen», sagte der Münchner Wirtschaftsreferent und
Wiesnchef Clemens Baumgärtner (CSU) kürzlich. «Was schon durch das
Gesetz verboten ist, muss ich nicht nochmal verbieten.» 

Die gesetzliche Grundlage sei nicht ausreichend, sagte hingegen
Lorenz Kalb, Vorsitzender des süddeutschen Schaustellerverbandes.
«Wir haben den Landtag angeschrieben, und auch den
Ministerpräsidenten persönlich», sagt Kalb. «Auf Volksfesten hat
Cannabis nichts suchen. Wir haben spätestes alle 60, 70 Meter ein
Kindergeschäft.» Und das sei gleichzusetzen mit einem
Kinderspielplatz. Volksfeste seien aber wie Biergärten und Freibäder
im Gesetz nicht genannt. «Das halten wir für einen Fehler. Ich glaube
einfach, die haben die Volksfeste vergessen.» Beim seit 30. März
laufenden Nürnberger Volksfest verweise an jedem Geschäft ein
Aufkleber darauf, dass hier Cannabis-Konsum nicht erlaubt ist. «Das
ist nur durchsetzbar an den Geschäften, nicht auf den Straßen», sagte

Kalb. In der ersten Volksfestwoche habe es aber keine Zwischenfälle
mit Kiffern gegeben. 

Bei der Stadt Nürnberg hieß es, für eine Festlegung eigener
Verbotszonen fehle die bundesgesetzliche Ermächtigung. «Es ist
rechtlich nicht grundsätzlich verboten, auf Volksfesten Cannabis im
Außenbereich zu konsumieren, im Einzelfall aber wohl tatsächlich oft
kaum möglich, weil eine entstehende räumliche Nähe zu Minderjährige
n
sehr wahrscheinlich ist», erläuterte eine Sprecherin. Die Stadt
Nürnberg sei hierzu im Austausch mit den staatlichen Behörden und
Aufsichtsbehörden.

Einmal mehr bleiben Fragen. Sind Volksfeste vielleicht eine Art
Fußgängerzone? Dort ist Kiffen bis 20.00 Uhr verboten. Oder könnten
Joints in Verbindung mit Alkohol zur Sicherheitsgefahr werden - und
deshalb verboten werden? Vor allem ist weder im Gesetzestext noch in
der zugehörigen Begründung eindeutig definiert, was «unmittelbare
Gegenwart» von Minderjährigen bedeutet. 

Folgt man der Auffassung des bayerischen Gesundheitsministeriums, ist
eine unmittelbare Gegenwart und damit ein Konsumverbot immer dann
gegeben, wenn Minderjährige den Cannabis-Konsum mitbekommen. Nur so
kann laut einem Ministeriumssprecher das Ziel der Regelung sicher
erreicht werden, Konsumanreize für Kinder und Jugendliche zu
vermeiden. Beispielsweise in Biergärten, auf Volksfesten oder in
Freizeitparks sei daher eine unmittelbare Gegenwart von
Minderjährigen nicht an allen Orten und zu jeder Zeit auszuschließen.
Somit sollte - folgt man dem Ministerium - an diesen Orten auch dann
auf Cannabis-Konsum verzichtet werden, wenn es für sie kein speziell
formuliertes Verbot gibt.