SPD-Fraktionschef Mützenich für Kommission zur Corona-Aufarbeitung

Muss der Umgang mit der Corona-Pandemie aufgearbeitet werden? Darüber
wird seit Veröffentlichung der RKI-Protokolle vor drei Wochen
diskutiert. Aus der SPD kommt jetzt ein konkreter Vorschlag dazu.

Berlin (dpa) - Der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat die
Einsetzung eines Bürgerrats und einer Kommission mit Vertretern aus
Politik, Wissenschaft und Verwaltung zur Aufarbeitung der
Corona-Pandemie vorgeschlagen. In dem Bürgerrat sollten zunächst
zufällig ausgewählte Menschen aller Altersklassen und aus
unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen ihre Erfahrungen mit der
Pandemie schildern und daraus Empfehlungen für die Zukunft
entwickeln, sagte Mützenich der Deutschen Presse-Agentur. Diese
Ergebnisse sollten anschließend in die Arbeit einer neu zu
schaffenden Kommission einfließen, der auch Vertreter aus Ländern und
Kommunen angehören sollten.    

«Die Kommission soll bewusst über die Legislaturperiode hinaus über
etwa vier Jahre die Pandemieaufarbeitung mit den gesellschaftlichen
Realitäten und Herausforderungen auf regionaler, bundesweiter und
europäischer Ebene verknüpfen», sagte Mützenich. «Wir erhoffen un
s
von einem solchen Prozess, dass wir die Aufarbeitung der Pandemie nah
an den Menschen organisieren, deren Erfahrungen aufgreifen, mit den
Erkenntnissen aus Politik und Verwaltung zusammenführen und die
richtigen politischen Schlüsse daraus ziehen. Uns geht es um den
gesellschaftlichen Zusammenhalt.» 

Ende März hatte das Online-Magazin «Multipolar» die teilweise
geschwärzten Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch-Instituts
(RKI) aus der Anfangszeit der Pandemie öffentlich gemacht. In der
Folge wurde der Ruf nach einer Aufarbeitung der staatlichen Politik
zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit Zehntausenden Toten in
Deutschland lauter. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
hatte zuletzt angekündigt, dass die Dokumente entschwärzt werden
sollen, um mehr Transparenz zu schaffen.

Mützenich sagte der dpa, die SPD wolle «eine umfassende und
ganzheitliche Aufarbeitung der Pandemie erreichen - jenseits
parteipolitischer Sichtweisen». Dabei gelte es, alle
gesellschaftlichen Bereiche zu erfassen und die Erfolge und die
Probleme beim Kampf gegen die Pandemie zu erfassen, um dann die
Lehren daraus zu ziehen.

Im Gesundheitswesen laufe die Aufarbeitung bereits. Daraus hätten
sich viele positive Entwicklungen ergeben, zum Beispiel bei der
Digitalisierung und der Stärkung des öffentlichen
Gesundheitsdienstes. Die Pandemie habe aber praktisch alle
Lebensbereiche betroffen - von der Kinderbetreuung in den Familien,
den Schulen und Universitäten über die Kultur bis hin zur Wirtschaft
und den Unternehmen. 

«An vielen Stellen sind wir gut durchgekommen, aber es hat auch
Entscheidungen gegeben, die Verletzungen mit zum Teil langfristigen
Auswirkungen hervorgerufen haben», sagte Mützenich. Viele Betroffene
wünschten sich, über das Erlebte zu berichten, damit daraus
Konsequenzen gezogen würden. «Dies wollen wir ermöglichen.»