Bequemer ja, aber auch sicher? Unfälle mit Pedelecs und ihre Ursachen Von Franziska Spiecker, dpa

Mit dem Start der Fahrradsaison sind auch wieder mehr Menschen mit
Pedelecs unterwegs - Räder, die zuletzt wegen steigender Unfallzahlen
für Aufsehen sorgten. Was sind die Ursachen dafür?

 

Berlin (dpa) - Auf deutschen Straßen sind sie längst keine Seltenheit
mehr, in polizeilichen Unfallmeldungen auch nicht: Fahrräder mit
Elektromotoren, die bis zu einem Tempo von 25 Kilometer pro Stunde
beim Treten unterstützen. Die Zahl der Unfälle mit solchen Pedelecs
mit Verletzten ist zuletzt stark gestiegen. Laut Statistischem
Bundesamt hat sie sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als
verzehnfacht. Doch woran liegt das? Und welche besonderen
Risikofaktoren gibt es bei den Rädern?

Wie viel Pedelecs genutzt werden

Als einen Grund für den Unfall-Anstieg nennt das Statistische
Bundesamt die gestiegene Beliebtheit der Pedelecs. Während es 2014
demnach in nur 3,4 Prozent der privaten Haushalte in Deutschland
mindestens ein solches Rad gab, traf das 2022 auf 15,5 Prozent der
Haushalte zu.

Aber nicht nur der Pedelec-Verkehr, auch der Radverkehr insgesamt
habe zugenommen, sagt die Leiterin der Unfallforschung der
Versicherer (UDV), Kirstin Zeidler: «Auf den Radverkehrsanlagen, wie
man so schön sagt, ist es voller geworden.» Sie seien in den
vergangenen Jahren viel stärker genutzt worden, «aber nicht in
gleichem Maße mitgewachsen». Unfälle ließen sich dementsprechend
vermeiden, wenn die Radinfrastruktur verbessert würde, insbesondere
an Kreuzungen und Ein- und Ausfahrten. Diese Unfallschwerpunkte
würden sich bei Pedelecs und klassischen Fahrrädern nicht groß
unterscheiden.

Die Bundesgeschäftsführerin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs
(ADFC), Caroline Lodemann, nennt darüber hinaus auch einen Faktor,
der auf Unterschiede in der Nutzung von Fahrrädern mit und ohne
elektrische Unterstützung beim Treten verweist: «Pedelecs werden über

längere Wegstrecken und auch häufiger genutzt als normale Fahrräder.

Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls.»

Der Faktor Alter

Und was für eine Rolle spielt das Alter für das Unfallrisiko bei
Pedelecs? Feststeht: Der Anteil der jüngeren Menschen, die mit den
Rädern verunglücken, steigt. 2023 war fast jeder dritte mit dem
Pedelec Verunglückte laut Statistischem Bundesamt jünger als 45
Jahre, 2014 war es jeder neunte.

Zeidler sieht die Ursache für steigende Unfallzahlen bei den Jüngeren
in der stärkeren Verbreitung von Pedelecs unter ihnen. Eine
Untersuchung der UDV, die bei der Berechnung des Unfallrisikos auch
die Anzahl der gefahrenen Kilometer berücksichtigt, ermöglicht
außerdem einen Vergleich zum klassischen Rad. 18- bis 34-jährige
Pedelec-Fahrerinnen und -Fahrer haben demnach ein deutlich höheres
Risiko, an einem Unfall beteiligt zu sein, als Gleichaltrige auf
Rädern ohne elektrische Unterstützung. «Junge Erwachsene können die

Maximalleistung des Pedelec ausnutzen, um möglichst schnell zu
fahren», erläutert Zeidler. «Zudem könnten sie ihre eigenen
Fähigkeiten überschätzen.»

Auch bei Personen ab 80 Jahren ist das Risiko, an einem Unfall
beteiligt zu sein, laut der Untersuchung mit Pedelec höher als mit
klassischem Rad. Wer mit einem Pedelec fährt, ist nach Angaben des
Rechtsreferenten des ADFC, Roland Huhn, zudem durchschnittlich immer
noch älter als Radfahrerinnen und -fahrer insgesamt. Das erkläre,
warum Pedelec-Unfälle mit Verletzten häufiger tödlich endeten als
solche mit Rädern ohne elektrische Unterstützung. Denn bei älteren
Menschen sei das Risiko von schweren oder tödlichen Unfällen größer
.

Geschwindigkeit, Beschleunigung und Gewicht

In das Unfallgeschehen spielen Zeidler zufolge immer mehrere Faktoren
rein: Der Mensch - etwa wie geübt er ist und wie sicher er fährt -,
die Verkehrsinfrastruktur und das Fahrzeug. «Das Pedelec bringt
potenziell eine höhere Geschwindigkeit und eine höhere Beschleunigung
sowie ein größeres Gewicht mit», sagt sie. Damit steige auch die
Wahrscheinlichkeit für einen Unfall oder einen potenziell schweren
Unfall. «Das Risiko wird leicht unterschätzt.»

Mit einem schweren Bike sei zum Beispiel plötzliches Ausweichen
schwieriger und die Gefahr, ins Strudeln zu kommen oder zu stürzen,
höher als bei einem leichteren Fahrrad, das man schneller wieder in
den Griff bekomme. «Insofern spielen das Gewicht des Rades und die
Frage, ob Fahrende es beherrschen oder nicht, eine Rolle», erklärt
die UDV-Leiterin.

Tatsächlich kommt es auf dem Pedelec ihren Angaben nach verglichen
mit dem klassischen Rad häufiger zu Alleinunfällen, bei denen die
Fahrerinnen und Fahrer die Kontrolle verlieren und stürzen, «ohne
dass Dritte beteiligt sind». Durch Untersuchungen wüssten sie zudem,
dass Pedelec-Fahrende schneller unterwegs seien. Was für
Geschwindigkeiten zum Zeitpunkt eines Unfalls vorliegen - dazu gibt
es laut Zeidler allerdings keine konkreten Daten.

Empfehlungen für einen sichereren Pedelec-Verkehr

Um Unfallanalysen besser durchführen zu können, spricht sie sich für

eine bessere Datenbasis rund um Pedelecs aus. Für mehr Sicherheit
beim Fahren der Räder hält Zeidler außerdem eine stärkere Verknüp
fung
von Muskelkraft und Motorunterstützung für sinnvoll: «Das heißt: Be
i
starker Muskelkraft kann auch die Motorunterstützung stärker werden.»

Bei weniger kräftigen Fahrern würde der Motor dagegen weniger
unterstützen, sodass nur Geschwindigkeiten wie auf dem klassischen
Fahrrad erreicht würden. «Das würde Unfallrisiken und schwere
Verletzungen reduzieren, gerade bei Älteren», sagt sie.

Wer überlegt, sich ein Pedelec zu kaufen, dem rät die UDV-Leiterin,
sich im Handel beraten zu lassen. Denn es gebe ganz unterschiedliche
Pedelecs. Anschließend lautet Zeidlers Tipp: unbedingt Helm tragen
und sich mit dem Gerät vertraut machen. Eine Möglichkeit dazu sind
Fahrsicherheitstrainings, die auch Lodemann empfiehlt. «Aber das
Wichtigste ist und bleibt gute Radinfrastruktur», betont die
Bundesgeschäftsführerin des ADFC. Im ganzen Land bräuchte es
durchgängige, breite und sichere Radwege sowie eine konsequente
Verkehrsberuhigung.