Lauterbach will Klinikreform trotz Differenzen vorantreiben

Seit Monaten gibt es ein heftiges Ringen um die Zukunft der Kliniken
- ums Geld und um mehr Vorgaben zur Behandlungsqualität. Der Bund
macht klar, dass das Vorhaben jetzt auf den Weg kommen soll.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach setzt trotz
anhaltender Differenzen mit den Ländern auf zügige nächste Schritte
zur geplanten Krankenhausreform. Bei einigen geforderten Punkten wie
mehr Entbürokratisierung könne man mitgehen, sagte der SPD-Politiker
nach Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch in Berlin. Dagegen seien
generell vorgesehene Qualitätsvorgaben für den Bund nicht
verhandelbar. Die Notwendigkeit der Reform sei nicht infrage gestellt
worden. Alle wüssten, dass es eine «historische Gelegenheit» sei, das

System in einer Art neu aufzubauen, wie es benötigt werde. Aus den
Ländern wurden weiter Einwände laut. 

Lauterbach betonte: «Es gibt keine andere Reform.» Man sei zum Erfolg
verdammt. Er glaube nicht, dass die Reform noch scheitere, dafür sei
sie zu bedeutsam.«Springt uns der Ball vom Fuß, würden wir nicht nur

ein ungeordnetes Krankenhaussterben in den nächsten Jahren nicht mehr
abwenden können, sondern wir hätten auch mit Qualitätsdefiziten zu
kämpfen, die für die Bürger sehr schwer vermittelbar sind.» 

Zu einem nun vorgelegten Gesetzentwurf können die Länder und Verbände

bis zum 30. April Stellung nehmen. Die Länder hätten eine gemeinsame
Stellungnahme in Aussicht gestellt, erläuterte Lauterbach. Am 8. Mai
soll sich dann das Kabinett damit befassen, die erste Lesung im
Bundestag wird noch vor dem Sommer angestrebt. Der Minister
bekräftigte, dass das Gesetz so angelegt werden solle, dass es im
Bundesrat nicht zustimmungsbedürftig ist - auch wenn die Länder dies
wünschten.

Die Reformpläne zielen darauf, die Vergütung mit Pauschalen für
Behandlungsfälle zu ändern, um Kliniken von finanziellem Druck zu
immer mehr Fällen zu lösen. Künftig sollen sie 60 Prozent der
Vergütung allein schon für das Vorhalten von Angeboten bekommen.
Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen genauer
definierte Leistungsgruppen mit einheitlichen Qualitätsvorgaben sein.

Die Vorsitzende der Länder-Gesundheitsministerinnen und -minister,
Kerstin von der Decken (CDU) aus Schleswig-Holstein, forderte
Bewegung des Bundes. Die Länder seien sich einig, dass umfangreiche
Korrekturen am Entwurf notwendig seien, um eine von allen
befürwortete Reform zum Erfolg zu führen. «Dies kann nur gemeinsam
mit den für die Krankenhausplanung zuständigen Ländern gelingen.» D
ie
Hamburger Senatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) sagte, der vorliegende
Entwurf sei noch nicht so gestaltet, dass er den Praxischeck bestehen
würde. Gebraucht werde unter anderem eine detaillierte Analyse der
Auswirkungen.

Die bayerische Ressortchefin Judith Gerlach (CSU) kritisierte, viel
zu viele Krankenhäuser müssten ihr Leistungsangebot erheblich
verringern. «Das ist unverantwortlich.» Wenn Lauterbach sein Vorhaben
nicht korrigiere, werde Bayern vor dem Bundesverfassungsgericht
dagegen klagen. Ein neues Gutachten im Auftrag von Bayern,
Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg ergab
unter anderem, eine Gesetzesverabschiedung ohne Zustimmung des
Bundesrates berge «das Risiko einer formellen Verfassungswidrigkeit».

Lauterbach sagte, es werde mit der Reform zu Klinik-Schließungen
kommen, das sei auch gewollt. Dies seien aber gezielte und geplante
Schließungen im Sinne der Reform und keine, die sich ergäben, weil
benötigte Häuser nicht über die Runden kämen. Die
gesundheitspolitischen Sprecher der Ampel-Koalition, Heike Baehrens
(SPD), Janosch Dahmen (Grüne) und Andrew Ullmann (FDP), äußerten sich

zuversichtlich, dass es zu zügigen Beratungen für die Reform im
Bundestag kommt.

Von gesetzlichen Krankenkassen kamen Warnungen vor Abstrichen bei
Vorgaben für die Behandlungsqualität und eine stärkere
Spezialisierung. Barmer-Chef Christoph Straub mahnte vor der
Bund-Länder-Runde vor dem Risiko, dass von der groß angekündigten
Reform eine reine Finanzreform übrig bleibe. «Damit drohen enorme
Kosten für das System und die gesetzlich Versicherten, ohne dass die
dringend notwendigen Qualitäts- und Strukturveränderungen tatsächlich

angepackt werden.» Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas,
sagte, die Reform sei eine historische Chance, veraltete Strukturen
auf Vordermann zu bringen.