Herzmediziner der Berliner Charité zu Haftstrafe verurteilt

Nach dem Tod zweier Patienten kommt ein Arzt der Charité in Berlin
vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor. Er soll seine
Stellung missbraucht haben. Nun gibt es ein Urteil.

Berlin (dpa) - Nach dem Tod zweier Patienten ist ein Oberarzt der
Berliner Charité zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt
worden. Das Landgericht Berlin sprach den 56 Jahre alten
Herzmediziner am Freitag des Totschlags in zwei Fällen schuldig. Nach
Überzeugung des Gerichts hat der Facharzt für Innere Medizin in den
Jahren 2021 und 2022 auf einer kardiologischen Intensivstation
einen Patienten und eine Patientin (beide 73) jeweils mit einem
überdosierten Narkosemittel getötet. «Wir sind überzeugt, dass es
sich um eine gezielte Verkürzung des Lebens und damit eine Tötung
handelte», sagte der Vorsitzende Richter Gregor Herb. 

Arzt aus der Haft entlassen 

Gleichwohl setzte das Gericht den Haftbefehl außer Vollzug, sodass
der Arzt nach knapp einem Jahr in Untersuchungshaft zunächst nicht
zurück ins Gefängnis musste. Er muss sich zweimal wöchentlich bei der

Polizei melden, solange das Urteil nicht rechtskräftig ist. Die
Verteidigung kündigte an, Rechtsmittel einzulegen. 

Das Gericht blieb mit seinem Urteil deutlich unter dem Antrag der
Staatsanwaltschaft. Diese hatte wegen Mordes in zwei Fällen eine
lebenslange Freiheitsstrafe für den Mediziner beantragt. Zudem
forderte Staatsanwalt Martin Knispel, ein lebenslanges Berufsverbot
gegen den 56-Jährigen auszusprechen. Das Gericht sah jedoch eine
«grundsätzliche Zugewandtheit» des Mediziners für seine Patienten u
nd
deren Angehörige. 

Verteidigung hat Freispruch gefordert

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verteidigung des Mediziners
hatte auf Freispruch plädiert. Das Verhalten ihres Mandanten sei
nicht die Ursache für den Tod der jeweils 73 Jahre alten
schwerstkranken Menschen gewesen, sagte Rechtsanwältin Ria Halbritter
am Freitag in ihrem Plädoyer. Beide Patienten hätten sich in einer
«aktiven Sterbephase» befunden. In so einer Situation sei es erlaubt,
auf eine palliative Therapie umzustellen.  

Der Mediziner hatte die Vorwürfe im Prozess zurückgewiesen. Er habe
beiden zur Leidensminderung ein Sedierungsmittel verabreicht. Das sei
nicht in den Mengen erfolgt, wie sie in der Anklage genannt werden.
Er sei sich sicher, «das Leben der Patienten nicht verkürzt zu
haben», sagte der Arzt. Vorzuwerfen habe er sich nur, in den
angeklagten Fällen die Gabe von Propofol nicht dokumentiert zu haben,
erklärte er. 

Arzt seit August 2022 freigestellt

Der Oberarzt war von der Charité im August 2022 freigestellt worden.

Im Mai 2023 kam er in Untersuchungshaft. Ins Visier der Ermittler war
der 56-Jährige nach einem anonymen Hinweis gekommen. Nach
Charité-Angaben war dieser im Rahmen einer Art Whistleblower-System
mit Vertrauensanwälten eingegangen. Dorthin können sich Beschäftigte

der Klinik wenden, die etwa Ungereimtheiten bemerken. 

Mitangeklagt in dem Fall war eine Krankenschwester wegen Beihilfe zum
Totschlag in einem Fall. Gegen die 39-Jährige hatte das Gericht das
Verfahren nach viermonatigem Prozess gegen eine Geldauflage von 1500
Euro eingestellt. In ihrem Fall komme kein vorsätzliches Handeln in
Betracht, begründete das Gericht damals.