Kuba diskret: Busenexpansion und Drogenentzug ohne Paparazzi Von Bernd Kubisch, dpa
Havanna (dpa) - Für die Schönheit wagen sich manche Amerikaner
auch gern mal auf kommunistisches Territorium. «Ich habe schon einige
Patienten aus Florida behandelt», sagt Dr. Jesús Burgué Cedeño in
Havanna stolz. Der jugendlich wirkende, drahtige Arzt mit markantem
Teint hätte auch als Bademeister oder Baywatch-Boy bei der Damenwelt
in Miami Beach alle Chancen. Er arbeitet als Schönheitschirurg und
Spezialist für Verbrennungen in der «Clínica Central Cira García»
in
Kubas Hauptstadt, eines der Vorzeigekrankenhäuser des Landes.
Aber warum kommen Patienten aus den USA, die wegen der Kuba-
Politik ihrer Regierung nur auf Umwegen via Cancún oder Jamaika
fliegen können, ins Fidel-Castro-Land? Für den Chirurgen ist das ganz
einfach: «Wir sind gut, schnell, preiswert, sicher und vor allem
diskret.» Natürlich sind US-Patienten in Kuba natürlich eher die
Ausnahme. Vor allem Mexikaner und Venezolaner, darunter auch einige
Stars und Sternchen, lassen sich von Dr. Burgué und seinen Kollegen
behandeln.
Um das Staatssäckel mit Devisen zu füllen, umwirbt die
sozialistische Insel schon länger auch Nischenmärkte wie den
Gesundheitstourismus. Nun will das staatliche Unternehmen «Turismo y
Salud» in Europa und in Deutschland besser Fuß fassen, was nicht
einfach ist. Mittelklasse und Wohlhabendere vor allem aus
Lateinamerika vertrauen schon länger Kubas Ärzten wertvolle
Körperteile wie Nase, Po und Busen an, wenn diese nicht dem
Schönheitsideal entsprechen.
Geschickte Hände und moderne Apparaturen entfalten, begradigen,
vergrößern, saugen ab und entschlacken. Die Mediziner Kubas kümmern
sich auch um alle ernsthaften körperlichen und seelischen Leiden in
den Spezialkliniken für Devisen zahlende Ausländer, die dann in
Einzelzimmer, Suite oder Villa wohnen.
Auch Internist Dr. Ramón de Armas Mesa verspricht Diskretion. «In
Kuba gibt es keine Namensnennung, keine Paparazzi, keine
Presseartikel. Es sei denn, der Patient wünscht dies.» Die
Tagespauschale mit Einzelzimmer, TV, Verpflegung und Grundversorgung
wie Pulsmessen beträgt in «Cira García» 90 CUC, wie der konvertible
Peso abgekürzt heißt, weniger als 80 Euro. Für eine Suite werden
umgerechnet etwa 110 Euro berechnet. Schönheitsoperationen am Busen
kosten (einschließlich Tagespauschale) etwa 1200 bis 1800 Euro,
ambulante Begradigung der Nase um die 700.
In der «Clínica Internacional Varadero», vor allem Anlaufstelle
für Urlauber mit akuten Gesundheitsproblemen, zahlt der Patient
ungefähr 70 Euro. Dass manche Versicherer in Deutschland Kubas
Abrechnungen als vergleichsweise hoch bewerten, kann Klinikchefin
Felicia Cordova Telleria nicht verstehen. «Wir sind billig im
internationalen Vergleich», sagt sie und verrät gleich noch, dass
sich hier mancher Badegast auch preiswert seine Zähne richten lässt.
Über die Gehälter spricht man hier offen. Ein Arzt mit viel
Berufserfahrung verdient in einheimischer Währung 800 bis 1000 Peso
(moneda nacional = mn), rechnet Internist de Armas Mesa (58) vor,
eine qualifizierte Krankenschwester bis zu 500. Mit Zuschlägen erhält
ein Mediziner umgerechnet also monatlich bis zu 43 Euro, drei bis
vier Mal so viel wie eine Verkäuferin, häufig weniger als ein Kellner
mit Trinkgeld im Touristenrestaurant. Dafür bekommt er keine zwei
Tankfüllungen, dafür aber 500 Kinobesuche oder 5000 Busfahren in der
Stadt.
Das kubanische Gesundheitswesen hat längst einen gewichtigen
Fürsprecher bekommen: Argentiniens Fußballstar Diego Maradona (47),
der nach Beendigung seiner sportlichen Karriere häufig wegen
Herzbeschwerden und Drogenproblemen für Schlagzeilen sorgte und sich
mehrfach auf der Karibikinsel behandeln ließ, zählt zu Kubas Promi-
Patienten. Während und nach seiner Therapie im Jahr 2000 in Havanna
hatte er dabei vor der internationalen Presse kräftig die
Werbetrommel für Fidel Castros Ärzte und Kliniken gerührt.
«Hier vor diesem Eingang campierten damals Fotografen,
Journalisten, Fernsehteams aus vielen Ländern.» Die Ärztin Iliana
Reyes Álvarez zeigt auf ein Rasenstück mit Palmen vor dem Eingang des
«Centro Internacional de Salud La Pradrera». Die Medizinerin ist
Auslandsexpertin von «Turismo y Salud», das zur staatlichen
Cubanacan-Gruppe zählt. Kein Wunder, dass es Maradona hier gefallen
hat: Die weitläufige Anlage der «La Pradrera»-Klinik ist in üppiges
Grün, Bougainvilleas und feuerrote Flamboyant-Bäume eingebettet.
«Hier, in Nummer 2, hat Maradona gewohnt, als er bei uns Patient
war», erzählt eine Assistentin der Klinikdirektion und zeigt auf eine
zweigeschossige Villa, die für längere Zeit unbewohnt wirkt. Der
Presserummel sei riesig gewesen, bestätigt die Frau. «Das waren wir
in Kuba gar nicht gewohnt.»
«Unsere Mitarbeiter haben viel Zeit für ihre Patienten, egal ob
Kubaner oder Ausländer, egal ob Arme oder Reiche», sagt «Pradrera»-
Klinikchef Dr. Pedro Llerena Fernández. «Wir können auch sehr gut
zuhören.» Und dann lässt er sich in seinem Arbeitszimmer lächelnd v
or
einer Großaufnahme ablichten, auf der Venezuelas Präsident Hugo
Chávez und Fidel Castro in schwachem Sonnenlicht zu erkennen sind.
Das Foto entstand vor Castros schweren Erkrankung.
Anders als Maradona werden ausländische Drogenpatienten sonst
meist im Ostteil Kubas behandelt. Die gut 50 Plätze der «Clínica
Antidroga» in Holguín, zu der die beiden Komplexe Quinque und Cocal
gehören, sind meist ausgebucht. «Oft haben wir eine Warteliste», sagt
Quinque-Ärztin Natalia Friman Rodríguez.
Die Zimmer sind komfortabel und haben anders als kubanische
Haushalte auch viele internationale TV-Programme, darunter den US-
amerikanischen Nachrichtensender CNN. Schwere Kokosnüsse hängen an
hohen Palmen. Hibiskus und Oleander blühen in Gelb, Weiß und Pink.
Der große Swimmingpool und die Bücherei sind an diesem Tag wie
leergefegt. Strand- und Kulturausflüge gehören zum Therapie-Paket.
Heute entspannt sich - natürlich in offizieller Begleitung - ein Teil
der Patienten am 50 Kilometer entfernten Atlantikstrand.
Zu ihnen gehören Sprösslinge gut betuchter Eltern, die ihren
Problemnachwuchs diskret behandeln lassen möchten. Auch Süchtige aus
Spanien, von der US-Insel Puerto Rico und aus Deutschland waren in
den letzten Jahren in Holguín zur Therapie. Ein Tag in der Klinik
kostet den Patienten - einschließlich Behandlung, Zimmer und
Verpflegung - in der Regel 150 CUC, etwa 120 Euro.
«Wir empfehlen meist eine Behandlung von gut drei Monaten», sagt
Ärztin Friman Rodríguez. Sie weiß sehr gut, dass das für Einheimisc
he
kaum erschwinglich ist. Aber echte Drogenprobleme gibt es ihrer
Meinung nach auf Kuba eh nicht. «Das ist dann eher der Alkohol», sagt
sie. Kokain und Marihuana seien schwer nach Kuba zu schmuggeln. Aber
auch für kubanische Rauschgiftsüchtige gebe es in etlichen Kliniken
auf der Insel Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten, betont
die Medizinern.
Mancher Ausländer wird in Holguín gratis behandelt. Ein
Regierungsabkommen der «Bruderländer» Venezuela und Kuba macht es
möglich. Öl gegen Gesundheit lautet die Formel vereinfacht. «Ich war
verzweifelt in Caracas, habe viele Therapien versucht, immer wieder
abgebrochen», erzählt Mario aus Venezuela, während er die Speisekarte
im Klinik-Restaurant studiert. Für Mario ist die Behandlung gratis.
«Diesmal schaffe ich es. Das fühle ich», sagt der 43-Jährige. Wie z
ur
Bestätigung ballt er beide Fäuste.
Gesundheitspatienten aus Lateinamerika haben in Kuba generell gute
Karten - einmal der Sprache wegen, aber auch wegen ähnlicher
Mentalität. Und so gibt es Büros von «Turismo y Salud» in Mexiko-
Stadt, Buenos Aires, Panama-Stadt, Bogotá, in Bolivien und auf den
Bahamas, in Europa bisher nur in Madrid. Ein Büro im
niedersächsischen Bad Elisen ist im Aufbau. Es gebe «etliche
Gesetzeshürden in Alemania», erzählt Dr. Antonio Barciela Peña, der
häufig zwischen Kuba und Deutschland pendelt.
«Wir arbeiten intensiv an neuen Kontaktbüros und Broschüren sowie
umfassenderen Informationen im Internet. Auch in englischer und
deutscher Sprache.» Antonio Barciela Peña seufzt angesichts der
bürokratischen Hürden. Doch dann rührt er die Werbetrommel: Diagnose,
Behandlung und Rehabilitation seien leicht mit einem Urlaub unter
Palmen am türkisblauen Meer in Fünf-Sterne-Hotels und All-Inclusive-
Anlagen wie in Varadero oder Cayo Coco zu kombinieren.
Die Kubaner wissen, dass die Konkurrenz für den deutschen Markt
groß ist. Osteuropäische Länder wie Tschechien, Ungarn, Polen bieten
preiswert Kuren und Rehabilitation an und haben teilweise auch
Versicherungsabkommen mit Deutschland. Und Indien, Thailand und
Malaysia locken mit Palmen, viel Sonne, modernen Kliniken und
günstigen Preisen für alle Leiden.
Professor Erich Kröger, Leiter des Centrums für Reisemedizin (CRM)
in Düsseldorf, kann aber auch dem Gesundheitstourismus nach Kuba
einiges abgewinnen: «Kuba hat prinzipiell ein gutes Gesundheitswesen.
Vom medizinischen Standpunkt gibt es da keine besonderen Vorbehalte»,
sagt er, schränkt aber ein, dass die gesetzlichen Kassen in der Regel
keine Kosten übernähmen. Wer privat versichert sei, sollte vor der
Abreise seine Kasse fragen.
Schon vor dem Zerfall der Sowjetunion und der Anerkennung des US-
Dollars als Zahlungsmittel hat Kuba Patienten aus anderen Ländern
angelockt. «Die konnten damals sogar in kubanischen Pesos bezahlt.
Das war besonders günstig für die Ausländer», erinnert sich Dr.
Carlos M. Miyares Cao, Direktor der Hautklinik «Centro de
Histoterapia Placentaria» in Havanna. «Unsere Erfolgsquote bei
Vitiligo (Weißfleckenkrankheit) kann sich sehen lassen.» Und dann
grinst der 69 Jahre alte Hautexperte: «Die vielen Umarmungen und
Küsschen attraktiver Patientinnen, die besonders unter ihren Flecken
litten, kann ich gar nicht zählen.»
Ärzte und Schwestern sind einer der «Exportschlager» der Insel.
Nach amtlichen Angaben arbeiten sie heute in knapp 60 Staaten, meist
im Rahmen eines Programmes zu Kooperation und Auslandshilfe.
Mediziner der Zuckerinsel wirken außer in Lateinamerika und der
Karibik zum Beispiel auch in Äthiopien, Algerien, Ghana, Namibia,
Syrien, Iran und Pakistan. «Mancher wirft uns Propaganda vor», sagt
eine Krankenschwester in Varadero. «Aber ich und meine Kollegen
verkünden im Ausland nicht den Sieg über den Imperialismus, sondern
wir helfen Menschen mit Leid und Schmerzen.»
Allein zehntausende Patienten aus einkommensschwachen Familien aus
Bolivien, Kolumbien, Venezuela, El Salvador, Peru, Guatemala oder
Nicaragua werden im Rahmen des Programms «Misión Milagros» (Wunder-
Mission) nach Kuba geflogen, behandelt und operiert, ohne selbst zu
bezahlen.
Doch Kuba präsentiert sich nicht als medizinisches Wunderland.
Offizielle Stellen informieren - auch in Deutschland - über drängende
Gesundheitsprobleme auf der größten Karibikinsel. So bereitet der
Anstieg der Krebserkrankungen Sorgen. Es gebe Provinzen, in denen
bösartige Tumore heute die häufigste Todesursache seien, berichtet
«Cuba Kompakt», das auch in Kubas Botschaft in Berlin für Besucher
ausliegt. Ein besonderes Problem sei Lungenkrebs. Generell sollen
nationale Kampagnen gegen Tabak- und Alkoholkonsum helfen, daraus
resultierende Leiden zu reduzieren. Und das im Mutterland des Rum und
der Zigarren.
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