Bei drei Grad jeden Tag nackt in Ostsee - Die Winterbader von Kiel Von Georg Ismar, dpa
Kiel (dpa) - Raucher, die vor Kneipen in der Kälte bibbernd ihre
Zigaretten qualmen, entlocken Götz Teichmann nur ein müdes Lächeln.
Es ist minus vier Grad an diesem Morgen, von der Ostsee weht ein
schneidender Ostwind über Kiel, die grauen Wellen tanzen im
Morgengrauen hin und her. Ruckzuck entledigt er sich seiner Klamotten
und stürzt sich in die drei Grad kalten Fluten der Ostsee. Seit 30
Jahren trifft sich der 69-Jährige mit seinen Kollegen vom Verein der
«Kalten Füße» jeden Morgen im Winter um sieben Uhr zum Schwimmen in
der Kieler Förde. Mediziner halten den Bibber-Sport für eine überaus
gute Sache.
Eine Schmerzgrenze kennt Teichmann nicht. Der persönliche Rekord:
«Minus 17 Grad im Winter 1979.» Aus dem Kohlenkeller musste Teichmann
einen Stocher mitnehmen, um ein Loch in die gefrorene Ostsee zu
hacken. Anschließend tauchte er im eiskalten Wasser ab. Es ist ein
buntes Völkchen, das sich im Morgengrauen in dem alten Seebad in
Kiel-Düsternbrook einfindet: Ein Urologe, eine Pastorin, eine
Biologin, eine Krankenschwester, ein Zollbeamter und der Direktor des
schleswig- holsteinischen Landtags - sie alle schwören auf die
heilende Wirkung des Winterbadens. Nach dem Schwimmen gehen sie
direkt zur Arbeit.
Auch Annie Lander Laszig stürzt sich in die eisigen Fluten. Die
gebürtige Dänin fährt auf der als Fernseh-«Traumschiff» bekannten
«MS
Deutschland» als Kreuzfahrt-Pastorin. «Annie ist unsere Weltreisende
in Sachen Winterbaden, sie ist sogar schon in Grönland um Eisberge
herumgeschwommen», sagt der 71 Jahre alte Joci Schröder. Die 61-
Jährige verweist darauf, dass mit dem Schockbad in der Frühe jeder
Tag gut anfange. «Das ist wie eine Spritze am Morgen, man ist voll
von Energie.» Während sie wieder den kalten Fluten entsteigt, rennt
ihr Mann Reinhard (59) an ihr vorbei. «Halala, das reißt mir heute
das Bein ab.»
Der Wind sorgt für gefühlte minus zehn Grad. Auf der einlaufenden
Stena Line-Fähre aus Göteborg wagt sich kein Mensch an Deck, auf der
Promenade gehen einige Hartgesottene spazieren - eingehüllt in dicke
Mäntel, Schals und mit Wollmützen auf dem Kopf. Während die Schwimmer
sich wider anziehen, schimpfen sie auf Pläne der Stadt, «ihr» Seebad
an einen privaten Investor zu verkaufen. «Dann ist es mit dem
Winterbaden für uns wohl vorbei», sagt Teichmann. Es sei das einzige
Seebad außer Kopenhagen, das so idyllisch mitten in der Stadt liege.
Die medizinische Wirkung des Winterbadens ist eigentlich
unumstritten. «Das Immunsystem wird gestärkt und der Kreislauf
trainiert», sagt Burkhard Weißer, Professor für Sportmedizin an der
Universität Kiel. «Die, die das machen, haben nur ganz selten
Erkältungen.» Für 90 Prozent der Bürger sei Winterbaden sehr
gesundheitsfördernd. Nur Menschen mit Gefäßkrankheiten oder
Bluthochdruck sollten vorher mit ihrem Arzt sprechen, da durch den
extremen Kältereiz ein gewisses Risiko bestehe, rät Weißer.
(Berichtigung: Im 2. Absatz, 5. Zeile wurde berichtigt: ... in dem
alten Seebad in Kiel-Düsternbrook ... (statt: am Strand).)
dpa ir yyno a3 jg
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