Mit der «Selbsttötungsmaschine» in den Tod - Sterbehilfe in Europa Von Georg Ismar und Arved Gintenreiter, dpa
Hamburg (dpa) - Eine entstellte Krebspatientin in Frankreich, ein
kranker Schriftsteller in Belgien, der Selbstmord begeht,
verzweifelte Sterbewillige, die ihren Kopf in gasgefüllte
Plastiktüten stecken: In die Diskussionen um einen würdigen Umgang
mit dem Freitod platzt nun ein Hamburger Politiker mit der
Vorstellung einer «Selbsttötungsmaschine». Damit dürfte er den Stre
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um Sterbehilfe zumindest in Deutschland wieder neu entfachen. Das vom
früheren Hamburger Justizsenator und Ex-CDU- Mitglied Roger Kusch
entworfene Gerät funktioniert nach dem Muster der ebenfalls
umstrittenen Giftspritze in den USA.
Den Auslöser der Selbsttötungsmaschine muss der Patient selbst
betätigen - aus rechtlichen Gründen. Denn aktive Sterbehilfe ist in
Deutschland verboten. Wird der Knopf gedrückt, setzt sich der Motor
des kleinen grünen Automaten in Bewegung. Ein Metallteil drückt gegen
zwei gefüllte Spritzen. Zuerst läuft ein Narkotikum in die Vene, um
das Bewusstsein zu dämpfen. Dann folgt das tödliche Kaliumchlorid.
Spätestens nach vier Minuten soll der Patient tot sein.
Einen «assistierten Suizid bei einem voll zurechnungsfähigen
Sterbewilligen» nennt Kusch das. Er will, dass Todkranke nicht mehr
zum Sterben in die Schweiz fahren müssen, wie er sagt. Laut Schweizer
Sterbehilfe-Organisation Dignitas sollen es im Jahr 2006 etwa 120
Sterbewillige aus Deutschland gewesen sein. Erst kürzlich drangen
allerdings Horrormeldungen über grausame Sterbehilfe-Methoden aus der
Schweiz an die Öffentlichkeit.
Die mit einem Ableger auch in Deutschland vertretende Schweizer
Sterbehilfe-Organisation soll Sterbewilligen mit dem Gas Helium beim
Sterben geholfen haben. Der Staatsanwaltschaft liegen nach Berichten
eines Anwaltes Videos vor, auf denen Sterbende sich eine gasgefüllte
Plastiktüte über den Kopf ziehen und «mehrere zehn Minuten
lang» zuckend bewegen, bis sie reglos zusammensacken. In der Schweiz
ist es nicht verboten, Sterbewilligen beim Freitod zu helfen.
Aufregung und Diskussionen, wie weit Hilfe beim Sterben gehen
darf, gibt es auch in anderen europäischen Ländern - meist ausgelöst
durch spektakuläre Fälle, wie der von einem Krebsgeschwür entstellten
Chantal Sébire in Frankreich. Die 52-Jährige wollte nur noch
«würdevoll sterben». Selbstmord lehnte sie ab. Da in Frankreich
aktive Sterbehilfe verboten ist, untersagte ein Gericht einem Arzt,
ihr eine tödliche Medikamentendosis zu verabreichen. Zwei Tage später
war Sébire tot. Ob sie sich selbst mit Medikamenten das Leben nahm
oder Hilfe bekam, blieb unklar.
Als erstes europäisches Land hatten die Niederlande 2002 erlaubt,
dass Ärzte unheilbar Kranken beim Sterben helfen dürfen, wenige
Monate später folgte Belgien. Doch auch in Belgien ist jüngst - seit
dem Tod des Schriftstellers Hugo Claus, der wegen einer Alzheimer-
Erkrankung den Freitod wählte - ein heftiger Streit um eine
Ausweitung des Sterbehilfegesetzes entbrannt. Liberale Politiker
fordern, dass unheilbar kranke Kinder und altersverwirrte Menschen
auf Wunsch ebenfalls Unterstützung beim Sterben erhalten sollen.
Nicht verwunderlich ist ein absolutes Verbot von Sterbehilfe im
katholischen Italien. Immer wieder macht der Vatikan gegen Euthanasie
mobil. Zu einem Eklat kam es im Jahr 2006. Ein Arzt stellte dem
unheilbar kranken Piergiorio Welby - nach 40 Jahren fortschreitenden
Muskelschwundes konnte er sich nur noch mit den Augen verständlich
machen - das Beatmungsgerät ab. Daraufhin verweigerte die Kirche dem
Toten eine religiöse Begräbniszeremonie.
In Spanien und in Polen können Sterbehelfer trotz eines generellen
Sterbehilfeverbotes auf ein milderes Urteil hoffen, wenn der Patient
zuvor schwer leiden musste und der Helfer sich von Mitleid für einen
leidenden Patienten leiten ließ. Andalusiens Regionalregierung hatte
2007 nach Jahren erbitterten Rechtsstreits sogar einem Sterbewunsch
nachgegeben - trotz des nationalen Verbotes.
Praktische Hilfe für Leidende statt theoretischer Diskussionen
will Ex-Senator Kusch leisten, wie er bei der Vorstellung seines
Tötungsapparates in Hamburg sagte. Schließlich wolle er unheilbar
kranke Menschen von ihrem unsäglichen Leiden befreien. Allerdings
müsse vor einem Einsatz des Gerätes ein Arzt ein Gutachten erstellen,
das drei Dinge bestätigt: Dass der Patient todkrank ist, dass er den
Sterbewunsch bei vollem Bewusstsein äußert und dass er sich mit
Alternativen zum Suizid beschäftigt hat.
Beim ersten Mal, wenn statt wie beim Pressetermin Möhrensaft und
Wasser dann Narkotikum und Gift durch die Schläuche rinnen, will der
Erfinder dabei sein und das Sterben filmen. Seinen Angaben zufolge,
damit niemand ihm vorwerfen könne, er habe selbst den Knopf gedrückt.
Denn nach deutschem Recht wird «Tötung auf Verlangen» mit bis zu fü
nf
Jahren Haft bestraft. Straflos ist nur die Beihilfe zum Suizid.
dpa gin/ir xxzz/yyno a3 ol
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