Lepra-Behandlung mit Contergan-Wirkstoff bewährt Von Denise Donnebaum, dpa
Münster/Würzburg (dpa) - Eine gefürchtete Substanz als letz
ter
Ausweg: Der Contergan-Wirkstoff Thalidomid wird in vielen Teilen der
Welt erfolgreich zur Behandlung von Lepra eingesetzt. Experten
befürworten anlässlich des Welt-Lepra-Tages am Sonntag (31. Januar)
die Verwendung dieses Mittels, zum Beispiel Adolf Diefenhardt.
«Thalidomid ist ein sehr wirksames Medikament. Damit wird vielen
Menschen geholfen», sagte der leitende Mediziner der Deutschen Lepra-
und Tuberkulosehilfe (DAHW) im Gespräch mit der Deutschen Presse-
Agentur dpa in Münster. Rund 250 000 Menschen pro Jahr erkranken laut
Weltgesundheitsorganisation (WHO) an Lepra, die Dunkelziffer könnte
nach Einschätzung der DAHW noch einmal genauso hoch sein.
Verstümmelte Gliedmaßen und entstellte Gesichter - Lepra ist e
ine
Bakterieninfektion, bei der durch Entzündungen ganze Körperteile
absterben können. Lange wurden die Kranken als Aussätzige geächtet.
Doch Heilung durch Contergan? Bei vielen Menschen weckt dieser Name
schreckliche Erinnerungen an einen der größten Medizin-Skandale
Anfang der 1960er Jahre. Damals kamen weltweit 10 000 Kinder, davon
etwa 5000 in Deutschland, mit Missbildungen vor allem an Armen und
Beinen zur Welt. Ihre Mütter hatten in der Schwangerschaft das
rezeptfreie Schlafmittel eingenommen. Auf Jahre wurde das Mittel dann
in Deutschland verboten. Heute ist es bei der Behandlung bestimmter
Formen von Knochenkrebs wieder zugelassen.
«Es gibt Ausnahmen, bei denen Thalidomid im Sinne der Patienten
verwendet werden sollte», sagt Diefenhardt. Bei besonders schweren
Lepra-Erkrankungen etwa. In den meisten Fällen lasse sich Lepra mit
Antibiotika heilen. Dafür stellt die WHO weltweit die entsprechenden
Medikamente kostenlos bereit. Doch die Antibiotika-Therapie kann auch
Probleme bereiten. In jedem dritten Fall komme es zu Nebenwirkungen,
sagt Diefenhardt. Darunter seien schmerzhafte Entzündungen, auf die
Lähmungen folgen können. Dann greifen Mediziner zu Thalidomid. «Da
hat man nicht mehr viel Auswahl an starken, entzündungshemmenden
Medikamenten.» Wenn selbst Cortison versagt, bleibe nur Thalidomid.
Die meisten Lepra-Kranken leben in Indien und Brasilien. Laut
Diefenhardt wird der umstrittene Contergan-Wirkstoff Thalidomid vor
allem in Südamerika verwendet. «Das ist auch eine Frage der
Produktion.» Hergestellt werde er zum Beispiel in Brasilien. Dass es
auch dort immer wieder neue Fälle von Missbildungen bei Kindern gebe,
hat auch Diefenhardt gehört. Genaue Zahlen kennt er nicht. «Man muss
eben extrem vorsichtig sein mit dem Medikament.»
Es gibt jedoch auch entschiedene Gegner der Therapie mit dem
gefährlichen Wirkstoff: Es sei falsch, Thalidomid bei Lepra
anzuwenden, sagt Jörg Schaaber von der BUKO Pharma-Kampagne in
Bielefeld. Immer wieder komme es zu Missbildungen bei Kindern. «Unter
den Bedingungen dieser Länder ist es nahezu unmöglich zu verhindern,
dass das Medikament in die falschen Hände kommt.» Das BUKO-Netzwerk
kritisiert immer wieder die Praktiken der Pharmakonzerne in
Entwicklungsländern. Mit dem «Nein» zu Thalidomid beruft es sich auf
Empfehlungen der WHO.
Contergan sei in Notfällen legitim, findet Ivo Just, Arzt für
Mikrobiologie: «Man muss darauf achten, dass man es nicht Schwangeren
gibt. Ich würde Contergan weglassen, zumindest bei Frauen.» Für
Männer gelte diese Einschränkung nicht. Der Leiter der Gesellschaft
für Leprakunde in Münster, Ralf Klötzer, sagt: «Heute gibt es in
Deutschland verschwindend wenige Fälle von Lepra, vielleicht ein bis
zwei im Jahr. Das sind dann aber mitgebrachte Erkrankungen.»
(www.lepramuseum.de; www.dahw.de)
[Lepramuseum]: Kinderhaus 15, Münster
[DAHW]: Mariannhillstraße 1c, Würzburg
dpa dd yynwm a3 hu
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