«Schattenzeit»: Depressions-Doku aus Krankensicht Von Andrea Barthélémy, dpa

Berlin (dpa) - In seinem früheren Leben war Olaf ein Boxer.
Hart im Nehmen. Einer, der Schläge einstecken konnte, sich nach
Niederlagen immer wieder aufraffte. Dieser Berg von einem Mann sitzt
nun zusammengesunken auf einem Stuhl und sucht nach Worten. «Es fängt
an mit einem Gefühl der Leere, der Frage: Warum?
Irgendwann stellt man sich die Frage: Warum lebst Du überhaupt
noch?», bringt er dann hervor und sein Blick schweift durch den Raum.
Gregor Theus fängt ihn ein. Zwei Jahre lang hat der Kölner
Filmemacher drei schwer depressive Patienten in der Berliner Charité-
Klinik für Psychiatrie begleitet - über alle Höhen und Tiefen hinweg.


Sein Film «Schattenzeit», die erste Langzeitdoku dieser Art
überhaupt, zeigt Hoffnung, aber auch schonungslos die ganze
Brutalität der Krankheit und erlebt am Montag in Berlin seine
Deutschlandpremiere. «Es ging mir darum, einen ehrlichen Film aus
Sicht der Betroffenen zu machen. Das geht nicht innerhalb von zwei
Wochen», sagte Theus der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Auf Umwegen war der Student der Kunsthochschule für Medien in Köln
auf sein Thema gestoßen. «Zuerst ging es mir nur um die
Elektrokrampftherapie. Seit dem Film 'Einer flog übers Kuckucksnest'
war das für mich eine echte Horrorvorstellung. Und dann erfuhr ich,
dass es das immer noch gibt.» Theus recherchierte, fuhr nach Berlin
in die Charité und schaute sich um - aus einem Kurzbesuch wurde ein
mehrmonatiges Praktikum. «Je länger ich da war, desto klarer wurde
mir, dass die Depression das eigentliche Thema war. Diese Krankheit
kann wirklich jeden treffen. Und für die schwerst erkrankten Menschen
ist die moderne Form der Elektrokrampftherapie manchmal sogar ein
Lichtblick», sagt Theus.

Lange kämpfte er darum, an der Charité eine Drehgenehmigung zu
bekommen. Den Ausschlag gab schließlich sein erster Film: Eine
Dokumentation über Alzheimerkranke, die bereits auf mehreren
Festivals Preise bekam und die Berliner überzeugte. «Danach
entwickelte sich eine sehr, sehr enge Zusammenarbeit mit den Ärzten»,
berichtet Theus. Trotzdem war der Weg für alle Beteiligten steinig.
«Immer wieder musste ich die Aufnahmen für eine Weile unterbrechen,
weil es einem meiner Patienten zu schlecht ging und er nicht gefilmt
werden wollte.» Um in absoluten Tiefphasen ohne Worte kommunizieren
zu können, hatten der Filmemacher und seine drei Protagonisten Olaf,
Mona und Maria spezielle Handzeichen ausgemacht - wenn Theus die sah,
packte er die Kamera weg.

Das Vertrauen zueinander wuchs und wuchs. Theus, der sich stets
diskret im Hintergrund hielt, durfte schließlich sogar mit der Kamera
bei Elektrokrampftherapien und einer Tiefenhirnstimulation dabei sein
- für die schwerst erkrankte Mona, bei der keine andere Therapie
anschlug, der allerletzte Ausweg. «Manchmal brauchte aber auch ich
Abstand», berichtet Theus. «Ich musste auf mich aufpassen, habe über

das Erlebte viel mit Freunden gesprochen. Ich kann mich nun gut in
die Angehörigen hineinversetzen, die irgendwann doch in einen
negativen Sog geraten.»

Die Charité-Psychologin Sara Zeugmann, mit der Theus während der
zwei Jahre eng zusammenarbeitete, ist bewegt von dem Film: «Selbst
für uns Fachleute ist vieles sehr eindrucksvoll. Der Film
dramatisiert nicht, aber er beschönigt auch nicht. Er zeigt Hoffnung,
aber auch die harte Arbeit und den langen Weg, den ein Patient beim
Heilungsprozess durchhalten muss.» Theus, der den Film alleine
finanziert und produziert hat, freut sich besonders über eines: «Alle
drei Patienten sind heute auf dem Weg der Besserung.»

«Schattenzeit» wird am Montag, 1. Februar, im Rahmen einer großen

Charité-Infoveranstaltung über Depressionen in der Berliner Urania
erstmals gezeigt (17.30 Uhr). Im Herbst wird der Film auch im RBB
ausgestrahlt. Theus sucht noch einen Film-Verleih für sein Werk.

(Internet: www.schattenzeit-derfilm.de)

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