Missbrauchsskandal: Katholische Sexualmoral in Kritik Von Michael Evers, dpa

Hannover (dpa) - Die Kirche gerät in die Kritik, nachdem immer
mehr Fälle, bei denen katholische Geistliche Kinder missbraucht haben
sollen, bekanntwerden. Selbst konservative Politiker wie
Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) beklagen eine
«Vertuschungsmentalität». Experten warnen unterdessen, Pädophilie s
ei
kein spezifisches Problem der katholischen Kirche und werde auch
nicht vom Zölibat, dem Eheverbot für katholische Geistliche,
ausgelöst. Kirchliche Laienverbände geben sich jedoch mit dem Ruf
nach schonungsloser Aufklärung nicht mehr zufrieden. «Wir brauchen
eine Wende in der katholischen Sexualmoral», fordert Christian
Weisner von der Bewegung «Wir sind Kirche».

«Die Kirche kann nicht länger den Reflex haben "Wir reden nicht
darüber, das schadet dem Ruf der Kirche"», sagt Weisner. «Wir stehen

kurz davor, dass es einen Generalverdacht gegen die katholische
Kirche gibt.» Dennoch gebe es bei den Katholiken nach wie vor ein
großes Interesse, die Problematik möglichst unter Verschluss zu
halten. So sei eine für den Ökumenischen Kirchentag in München
vorbereitete Podiumsdiskussion kurzfristig abgesagt worden.

«Auch die Zölibatsdebatte reicht nicht mehr aus.» Vielmehr gehör
e
die Einstellung der Kirche zur Sexualität - auch in
Priesterausbildung und Schulunterricht - auf den Prüfstand. Teils
seien die Täter selbst Opfer strenger Sexualmoral, die verdränge und
verbiete - etwa Sex vor der Ehe oder homosexuelle Handlungen.

«Das Neue ist, dass die Systemfrage gestellt wird», sagt der
Geschäftsführer der «Initiative Kirche von Unten», Bernd Hans Göh
rig.
Denn sexuelle Gewalt in der Kirche sei ein strukturelles Problem, das
autoritäre und streng hierarchische Kirchenbild fördere sie. «Es ist

damit zu rechnen, dass weitere Fälle ans Tageslicht kommen, das ist
immer das gleiche Schema.» Wie auch Weisner, fordert er bei den
Kirchen unabhängige Ansprechpartner und Beratungsstellen für
Menschen, die Opfer von Missbrauch geworden sind. Auch die
Verantwortung der Bischöfe für Fälle, die in der Vergangenheit
«intern geregelt» wurden, müsse endlich geklärt werden. «Dies
betrifft insbesondere den Straftatbestand der Strafvereitelung.»

Missbrauch sei nicht kirchenspezifisch, sondern komme in allen
Berufen vor, in denen Erwachsene mit Jugendlichen zu tun haben, sagt
Chefarzt Manfred Lütz vom Kölner Alexianer Krankenhaus, das
Therapiemöglichkeiten für Kirchenmitarbeiter bietet. Zugleich gebe es
kein Untersuchungsverfahren etwa für Priesteramts-Kandidaten, mit dem
pädophile Neigungen schon im Vorfeld entdeckt werden könnten. «Ganz
ohne Frage und wissenschaftlich unstreitig, gibt es an allen Schulen
- ob nun in staatlicher oder evangelischer oder katholischer oder
privater Trägerschaft - pädophile Lehrer», sagt der Leiter des
Instituts für Forensische Psychiatrie an der Charité in Berlin, Prof.
Hans-Ludwig Kröber. Dies komme an Schulen, deren Lehrer nicht zum
Zölibat verpflichtet wären, nicht seltener vor.

«Die Zahlen, soweit man sie auswerten kann, sprechen eher dafür,
dass die katholischen Priester und Ordensleute im Vergleich zur
Durchschnittsbevölkerung unterdurchschnittlich häufig sexuelle
Missbrauchsdelikte an Kindern begehen», sagt Kröber. «Der Zölibat
macht natürlich nicht pädophil; gleichwohl gibt es neben den
zahlreichen Priestern, die sich ein Leben ohne partnerschaftliche
Sexualität zu Recht zutrauen, einige Kandidaten, die glauben, von
ihren sexuellen Problemen durch die klaren Vorgaben des Zölibats
befreit zu werden.» Einige Priester würden sich erst im Laufe der
Zeit eingestehen, dass sie sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen.

«Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Pädophile gezielt ins
Priesteramt streben», sagt Kröber. Manche suchten gezielt Berufe, in
denen sie viel mit Kindern zu tun haben. «Priester oder Ordensmann
zu werden, um dann als Lehrer an Kinder heranzukommen, wäre unnötig
aufwendig und zudem unklug, weil der Priester oder Ordensmann sehr
viel mehr Kontrolle und Beobachtung unterliegt als der normale
Lehrer.»
dpa ev yyni a3 k6 gth

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