Streit um Zahnarzt-Honorar - Patienten zahlen Zeche Von Basil Wegener, dpa
Klettern bei Ärzten die Kosten, müssen normalerweise alle
Beitragszahler bluten. Bei Zahnärzten drohen höhere Millionenkosten
direkt bei den Kassenpatienten zu landen. Verbraucherschützer werfen
den Kassen vor, diese machten sich einen schlanken Fuß.
Berlin (dpa) - Bisher haben die immer zahlreicheren Zahnärzte in
Deutschland ihre Einnahmen eher im Verborgenen steigern können. Mit
dem Streit um die geplante neue Gebührenordnung (GOZ) rückt die
Bezahlung der Dentisten ins Licht. Deutlich wird: Die Kassenpatienten
müssen wohl am meisten drauflegen.
Mit seiner Warnung vor Mehrkosten von 74 Euro für eine Voll- und
237 Euro für eine Teleskopkrone sorgt der Vizechef des Verbands der
gesetzlichen Krankenkassen, Johann-Magnus von Stackelberg, für
Empörung. Der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Peter Engel,
kontert: «Das Schüren von Ängsten für die Gesamtbevölkerung ist
unverantwortlich und dient nur der Panikmache.» Auch im Ressort des
zuständigen Ministers Daniel Bahr (FDP) findet man die Zahlen nicht
nachvollziehbar - während die SPD schimpft, Bahr verschenke
Wahlgeschenke an die Traditionsklientel der Freidemokraten.
«Mit der Novellierung wird das Honorar im Bereich der
Gebührenordnung um durchschnittlich plus sechs Prozent angepasst»,
betont ein Bahr-Sprecher. Vertretbar sei das, springt dem
FDP-Minister der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion, Jens Spahn
(CDU), bei. Die Koalition werde die «richtige Balance finden zwischen
einer maßvollen Anpassung der Vergütung für die Zahnärzte und der
zusätzlichen Belastung der Patienten».
Es ist kein Wunder, dass die Koalition an ihrem Referentenentwurf
zur GOZ festhält - entstanden ist er erst nach langem Ringen. 23
Jahre alt ist die derzeitige GOZ. Viele aktuelle Behandlungen kommen
darin gar nicht vor. Geregelt wird in der GOZ, was Zahnärzte
Privatpatienten in Rechnung stellen dürfen - und Kassenpatienten bei
allem, was ihre Kassen nicht zahlen.
Das Hickhack von Politik, Kassen und Ärzten dauerte lange. Eine
Öffnungsklausel konnten die Ärzte abwenden. Mit ihr hätten
Privatversicherer günstigere Bedingungen mit einzelnen Medizinern
aushandeln können. Doch als Ende März die Gesamtnovelle aus dem
FDP-Haus auf den Tisch kam, bedauerte mancher Zahnarztvertreter, dass
man einen alten Entwurf der Ex-Ministerin Ulla Schmidt (SPD) zu Fall
gebracht hatte. «Ulla war großzügiger», zitierte der «Dienst fü
r
Gesellschaftspolitik» einen Insider.
Nach Ansicht der Kassen kommen die Honorarregeln freilich trotzdem
nicht nur technisch auf dem neusten Stand, sondern lassen die Kosten
galoppieren. Dabei stiegen die Einnahme-Überschüsse der Zahnärzte
laut Referentenentwurf schon von 1992 bis 2008 schon zwischen 19 und
21 Prozent - obwohl die Zahl der Praxen um 25 Prozent zunahm.
Ein besonders großes Manko sind aus Kassensicht die
Steigerungsfaktoren, die die Ärzte bei höherem Aufwand pro Fall
selbst in Rechnung stellen können. «Es gibt eine Tendenz zu immer
höheren Steigerungssätzen», kritisiert ein Sprecher des Verbands der
privaten Krankenversicherung (PKV). Die PKV fürchtet, dass die Ärzte
mit Hilfe von freischaffenden Honoraroptimierern die Grenzen voll
ausreizen - so könnten sich die Ausgaben für die 66 000 Zahnärzte
nicht nur um 6, sondern um bis zu 20 Prozent erhöhen.
Eigentlich sollen gesetzlich Versicherte ja alles medizinisch
Notwendige von ihrer Kasse bezahlt bekommen. Doch die Festzuschüsse
beim Zahnersatz reichen den meisten nicht, weshalb nach Kassenangaben
fast zwei Drittel selbst bezahlt werden. Das setzt zunächst
Zahntechniker unter Druck. «Eine mit Keramik verblendete Stahlkrone
bekommt man in China für 6,50 Euro», stöhnt ein Zahnprothetiker aus
Düsseldorf. «Bei uns kostet allein eine Tüte Einbettmasse fünf Euro
.»
Am Ende zahlen die Zeche aber vor allem die Kassenpatienten. Laut
Referentenentwurf müssen Privathaushalte mit 162 Millionen Euro im
Jahr den Löwenanteil der Mehrkosten hinlegen, erst danach kommt die
PKV mit 113 Millionen. Dass besonders laut jetzt der Verband der
gesetzlichen Kassen warnt, bewerten Verbraucherschützer zumindedt
teilweise als Scheinheiligkeit. «Das sind deutliche Krokodilstränen»,
sagt die Gesundheitsexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands,
Ilona Köster-Steinebach.
Denn erst im Dezember habe der GKV-Spitzenverband im
Schulterschluss mit den Ärztevertretern im zuständigen Gemeinsamen
Bundesausschuss eine Evaluierung des Systems der Festzuschüsse
abgewehrt. «Die Kassen fürchten das Ergebnis, dass sie mehr bezahlen
müssen», sagt Köster-Steinebach. Die von den Kassen bezahlte
«Standardtherapie» sei beim Zahnarzt schon längst nicht mehr wirklich
Standard.
# dpa-Notizblock
## Internet
- [Zahnarztstatistik](http://dpaq.de/Q2zHD)
- [Referentenentwurf](http://dpaq.de/of7m0)
- [Stellungnahme Zahnärzte](http://dpaq.de/a62Qw)
## Orte
- [GKV-Spitzenverband](Mittelstraße 51, 10117 Berlin)
- [Bundesgesundheitsministerium](Friedrichstraße 108, 10117 Berlin)
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