Skandal um Brustimplantate: Viele Frauen haben Angst Von Christiane Löll, dpa

Der Skandal um minderwertige Silikonkissen verunsichert viele Frauen
- auch Krebspatientinnen. Dabei sind Brustimplantate an sich «kein
Teufelsding», wie Experten betonen.

Berlin (dpa) - Seit dem offiziellen Rat an Frauen, sich
Silikonkissen der Firmen PIP und Rofil lieber entfernen zu lassen,
stehen die Telefone bei den Fachgesellschaften nicht still. «Wir
haben nun zahlreiche Anrufe von Frauen, teilweise in Panik, die
Implantate anderer Hersteller tragen und sehr besorgt sind», sagt
Prof. Diethelm Wallwiener, Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Senologie (DGS) mit Sitz in Berlin.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM,Bonn) hatte kürzlich empfohlen, die PIP-Silikonkissen
herausoperieren zu lassen. Auch ohne Risse könne
gesundheitsgefährdendes Silikon austreten. Die Experten sprechen
dabei von «Ausschwitzen». Ein Zusammenhang zwischen den Implantaten
und Krebs wird befürchtet, bewiesen ist er aber nicht.
Fachgesellschaften raten zu einer «Entfernung ohne Eile».

In den PIP-Implantaten war teilweise minderwertiges
Industriesilikon anstelle von medizinischem Silikon verwendet worden.
Ihr Einsatz war bereits im April 2010 europaweit untersagt worden.
Die niederländische Firma Rofil hat dem Bundesinstitut zufolge solche
Implantate bei PIP eingekauft und unter eigenem Namen vertrieben.

Silikon-Brustimplantate werden zur Vergrößerung von Brüsten aus
ästhetischen Gründen verwendet - aber nicht nur. Wallwiener mahnt zur
Besonnenheit. «Per se sind Brustimplantate ja kein Teufelsding.
Frauen nach einer Brustkrebserkrankung oder mit gutartigen
Fehlbildungen der Brust können dadurch ein ganzes Stück
Lebensqualität wiedererlangen», sagt der Ärztliche Direktor der
Universitäts-Frauenklinik in Tübingen.

«Dazu muss man wissen, dass früher alle Brustimplantate aus
Silikon unter Umständen nach 10 bis 15 Jahren gewechselt werden
mussten. Darüber werden die Frauen vor der Operation aufgeklärt.»
Inzwischen habe sich die Qualität des Materials jedoch verbessert.
«In vereinzelten Fällen kann es sein, dass nachoperiert werden muss,
weil sich die Brust verformt, entzündet oder schmerzhaft ist oder
sich eine Bindegewebskapsel um das Implantat bildet.»

Solch eine Kapselfibrose könne sich über viele Jahre entwickeln,
Symptome seien Verformungen und Schmerzen. «Die Ursache ist, dass der
Körper der Frau die Prothese als Fremdkörper ablehnt und darauf
reagiert.» Risse in den Silikonkissen kämen bei den nun gängigen
Produkten nur zu wenigen Prozenten vor. Zu den weiteren Herstellern
von Brustprothesen gehören unter anderem die Firmen Allergan und
Mentor aus den USA, sowie das deutsche Unternehmen Polytech Health &
Aesthetics GmbH aus dem hessischen Dieburg.

Die Implantate sind demnach entweder rund oder tropfenförmig
(«anatomisch geformt»), das Silikongel wird von einer festen
Silikonhülle umgeben. Diese sei bei tropfenförmigen Implantaten
angeraut, um eine bessere Haftfähigkeit zu gewährleisten.

Der Ratschlag der Fachgesellschaften lautet, von einem Arzt
untersuchen zu lassen, ob Implantate möglicherweise gerissen sind und
sich Silikon in der Brust verteilt hat. «Hinweise beim Abtasten sind
Knoten, Verformungen, Rötungen oder Schwellungen. Mit Ultraschall
oder der teureren Kernspintomographie kann man untersuchen, ob
Flüssigkeit aus den Implantaten ausgetreten ist», sagt Prof. Peter
Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen,
Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC). Doch könnten die

Ärzte nicht 100-prozentig feststellen, ob dies der Fall sei.

Auch die Fachgesellschaften lassen sich nun von Werkstoffexperten
beraten, was die Eigenschaften des Industriesilikons angeht, das
unerlaubterweise verwendet wurde. Unklar sei, ob und wie toxisch es
für den Körper ist. Vogt ruft dazu auf, bei Implantatswechseln das
umliegende Brustgewebe der Frauen im Labor untersuchen zu lassen, um
Erkenntnisse über mögliche Schäden zu gewinnen.

Welche Möglichkeiten aber haben Frauen, die nun ganz auf Silikon
in ihren Brüsten verzichten wollen? «Es gibt Implantate mit
Kochsalzlösung, die haben aber auch eine Silikonhülle und wirken
nicht so natürlich. Viele Frauen wollen diese nicht», sagt Vogt von
der Medizinischen Hochschule Hannover. Bei Sojaöl-Prothesen war
bereits vor Jahren die Entfernung empfohlen worden, weil eine
Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden konnte. Weitere
Verfahren wie eine Brustvergrößerung durch Unterdruck,
Fettinjektionen oder das Spritzen von Füllmaterialien wie
Hyaluronsäure würden derzeit noch nicht von der DGPRÄC empfohlen,
weil keine Langzeitergebnisse vorlägen.

Nach Brustkrebsoperationen bestehe auch die Möglichkeit, die Brust
durch körpereigenes Gewebe der Patientin wieder aufzubauen, sagt
Wallwiener. «Dabei werden Haut-Muskel-Gewebe-Lappen von anderen
Körperregionen entnommen, beispielsweise dem Rücken oder dem Bauch.
Diese Operationen sind aber aufwendig und kommen eher nicht infrage,
wenn eine Frau sich aus kosmetischen Gründen die Brust vergrößern
lassen möchte.» Weil es kein zentrales Register gibt, ist die
Gesamtzahl der jährlich eingesetzten Brustimplantate unklar. Weltweit
sollen zwischen 400 000 und 500 000 Frauen Implantate der
französischen Firma Poly Implant Prothèse erhalten haben.

# dpa-Notizblock

## Internet
- [Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und
Ästhetischen Chirurgen, DGPRÄC] (http://www.dgpraec.de/)
- [Deutsche Gesellschaft für Senologie, DGS]
(http://www.senologie.org/)
- [Deutsches Institut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM]
(http://www.bfarm.de)

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite