Bausilikon in der Brust - Frauen fordern Schadenersatz Von Sabine Dobel, dpa (Mit Bild)

Für die Frauen mit den gefährlichen Brustimplantaten beginnt ein
schwerer Weg: Sie müssen die Silikonkissen wieder entfernen lassen.
Viele wissen sie noch nicht, ob sie selbst zahlen müssen und ob es
vielleicht doch Spätfolgen gibt. Mehrere Frauen wollen jetzt klagen.

München (dpa) - Cornelia Freitag wird wohl unters Messer müssen.
Erst am Sonntag erfuhr sie, dass auch sie die gefährlichen
Brustimplantate in sich trägt. «Nach unseren Unterlagen wurde bei
Ihnen ein Implantat der Firma Rofil Medro eingesetzt», las die
44-Jährige aus Ennepetal in Nordrhein-Westfalen in dem Schreiben der
Essener Klinik, in der sie vor neun Jahren den Eingriff vornehmen
ließ. Es gebe eine behördliche Empfehlung, möglicherweise schadhafte

Implantate dieser Firma zu entfernen. Freitag hat wie Zehntausende
anderer Frauen weltweit Industriesilikon im Körper - Dichtungsmasse
im Bauwesen sei das, sagt ihr Münchner Anwalt Michael Graf.

Die Kanzlei Zierhut & Graf will für Freitag und für gut ein
Dutzend weitere Frauen außergerichtlich Zahlungen erreichen, die
Kanzlei bereitet auch Klagen vor. Die erste soll bis Montag beim
Landgericht Karlsruhe eingereicht werden. «Wir werden mit diesen
Fällen an die verschiedenen Landgerichte müssen, weil das Gericht
zuständig ist, wo die entsprechende Behandlung stattgefunden hat.»

Besonders bitter: Freitag wollte nie Implantate und auch keine
größere Brust - der Arzt setzte sie ein, weil eine Bruststraffung im
Zuge einer medizinisch notwendigen Bauchstraffung nicht gelungen war,
praktisch «auf Garantie». «Ich habe vor der Einsetzung der Implantate

eine lange Diskussion mit meinem Operateur geführt, weil es ja schon
vor zehn Jahren Fälle von gerissenen Silikonkissen gab.» Doch der
Arzt habe die Implantate empfohlen - nun hat sie einen gefährlichen
Stoff im Körper.

Die Kassen zahlen, wenn Implantate aus medizinischem Anlass
eingesetzt wurden. Bei Schönheitsoperationen müssen Patientinnen
teils oder ganz selbst zahlen. Experten gehen von bundesweit bis zu
10 000 betroffenen Frauen aus. Insgesamt gehe es um Forderungen in
vielfacher Millionenhöhe, sagt Graf. «Die Frage ist nur, wie viele
Frauen die Kraft haben, sich auch zu wehren.»

Weltweit sollen bis zu 500 000 Frauen minderwertige Silikonkissen
der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) erhalten haben.
Deren Silikon kann heraussickern, sich im Körper verteilen und
Entzündungen auslösen. Nicht bewiesen ist, ob dies das Krebsrisiko
erhöht. Anfang Januar hatte das Bundesinstituts für Arzneimittel und
Medizinprodukte empfohlen, auch Rofil-Implantate auszutauschen.

Graf will bei der Klage 80 000 bis 100 000 Euro von der Klinik,
dem Arzt, dem Chemikalienhändler Brenntag und dem TÜV Rheinland
verlangen. Gegen die insolvente Firma PIP und gegen Rofil woll er
nicht gerichtlich vorgehen, da dies das Verfahren verzögern könne.

Brenntag habe zwar auf den Lieferscheinen vermerkt, dass das
Silikon nur für industrielle Zwecke genutzt werden durfte - aber
gewusst, dass der Empfänger Medizinprodukte herstellte, sagt Graf.
Damit trage Unternehmen Mitverantwortung. Der TÜV Rheinland wiederum
habe kein unangemeldeten Kontrollen durchgeführt.

«Die jährlichen Überwachungsaudits gaben bei PIP keinen Anlass,
nach Unregelmäßigkeiten unangemeldet zu suchen», sagt
Unternehmenssprecher Hartmut Müller-Gerbes von TÜV-Rheinland. Zu der
konkreten Klage werde er Stellung nehmen, sobald sie ihm vorliege.
Bei den regelmäßigen Kontrollen sei dem TÜV Rheinland stets das
korrekte Silikon und die korrekten Dokumente präsentiert worden. «Wir
sind betrogen worden, deswegen haben wir schon vor einem Jahr
Strafanzeige gegen PIP gestellt.»

Klar ist: Der Silikonskandal wird viele Gerichte beschäftigen.
Nach einer Klagewelle in Frankreich wollen auch in Großbritannien
Frauen den Rechtsweg einschlagen. Ein französischer Anwalt will wohl
den TÜV Rheinland verklagen, und die Universitätsklinik Münster (UKM)

stellte Strafanzeige gegen Unbekannt: Zwischen 2002 und 2005 seien an
dem Klinikum Silikonkissen von Rofil verwendet worden, die Rofil von
PIP bezogen hatte. Norbert Roeder, Ärztlicher Direktor und
UKM-Vorstandschef sagte am Donnerstag laut Mitteilung, die Implantate
seien als Markenprodukte mit europäischem Qualitätssiegel verkauft
worden. «Wir fühlen uns und unsere Patientinnen arglistig getäuscht.
»

# dpa-Notizblock

## Internet
- [BfArM zu PIP]( http://dpaq.de/2883J)
- [Kanzlei Zierhut & Graf, Patientenanwalt AG](www.ihranwalt24.de)

## Orte
- [Kanzlei Zierhut & Graf, Patientenanwalt AG](Residenzstraße 9,
München)
- [Brenntag](Stinnes-Platz 1, Mülheim/Ruhr)

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite