Menschenleben und Macht - Spanien wirft deutsche Leukämie-Helfer raus Von Marc Herwig und Hubert Kahl, dpa
Für Leukämiepatienten ist sie oft die letzte Hoffnung: 28 000
Menschen hat die Deutsche Knochenmarkspenderdatei das Leben gerettet.
Spanien will die Organisation nun mit einer Gesetzesänderung aus dem
Land werfen: Das eigene Transplantationsmodell sei in Gefahr.
Tübingen/Madrid (dpa) - Angefangen hat alles mit Hugo, einem
todkranken Leukämie-Patienten aus Spanien. Um sein Leben zu retten,
startete die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) ihre erste große
Kampagne auf der iberischen Halbinsel. Doch die Organisation wurde
nicht mit offenen Armen empfangen. Nun will die spanische Regierung
den Aufrufen der DKMS zu Knochenmarkspenden gar mit einer
Gesetzesänderung einen Riegel vorschieben.
Wie das Madrider Gesundheitsministerium mitteilte, soll die neue
Regelung möglichst rasch verabschiedet werden. Der in Deutschland
hoch angesehenen DKMS könnte ein zermürbender juristischer Streit
drohen. Bei Knochenmarkspenden geht es nicht nur um Menschenleben -
es geht auch um Macht und Geld. Gesetzlich festgelegt werden soll
nun, dass für die Sammlung von Knochenmark- und Stammzellen-Spenden
ausschließlich die spanischen Behörden zuständig sind. Zudem soll in
Spanien ein einheitliches, staatliches Register von potenziellen
Knochenmarkspendern eingerichtet werden.
Vier Jahre ist es her, dass Ärzte bei Hugo Pérez Blutkrebs
feststellten. Er bekam mehrere Chemotherapien, doch Mitte 2011 gaben
seine Ärzte alle Hoffnung auf. Nur eine Stammzellspende hätte sein
Leben retten können - doch weltweit fand sich kein passender Spender.
Dann las der 35-Jährige von dem modernen System für Stammzellspenden
in Deutschland und knüpfte den Kontakt zur DKMS.
Für zahlreiche Blutkrebs-Patienten weltweit sei Deutschland die
letzte Hoffnung: «Nirgendwo sonst gibt es ein so professionelles
System, um Leukämiekranken den passenden Spender für eine
lebensrettende Stammzelltransplantation zu vermitteln», sagt
Carlheinz Müller, Geschäftsführer des unabhängigen Zentralen
Knochenmarkspender-Registers (ZKRD) in Ulm.
Das liege daran, das hierzulande viele Organisationen die
Werbetrommel rühren und so viele Menschen als Spender registriert
seien wie nirgendwo sonst. Von den 19,1 Millionen Menschen, die in
der internationalen Datenbank Bone Marrow Donors Worldwide erfasst
sind, stammen 4,4 Millionen aus Deutschland. Fünf Prozent der
Deutschen sind registriert - aber nur 0,2 Prozent der Spanier.
Die spanischen Behörden weisen die Kritik zurück. «Spanien setzt
auf die Spenden von Nabelschnurblut», sagt Gregorio Garrido, der Chef
des medizinischen Dienstes bei der Nationalen Organisation für
Transplantationen (ONT). Das sei effektiver, als mit erwachsenen
Stammzell-Spendern zu arbeiten. «Die Bedürfnisse der spanischen
Patienten, die eine Transplantation von Knochenmark oder Stammzellen
brauchen, sind vollauf gedeckt», betont Garrido.
Von einer «Gefahr für das gesamte spanische
Transplantationsmodell» hatte der Leiter der Behörde, Rafael
Matesanz, zuvor mit Blick auf die DKMS-Aktivitäten im Land sogar
gesprochen. Schließlich gehöre Spanien bei der Transplantation von
Organen wie Niere, Leber oder Herz zu den führenden Ländern in der
Welt.
Die deutschen Experten verweisen auf internationale Zahlen: «Im
Jahr 2010 haben 4000 Deutsche für Patienten im Ausland
Blutstammzellen gespendet, aber nur 320 deutsche Patienten waren auf
eine Spende aus dem Ausland angewiesen», sagt Müller. Unterstützung
bekommt die DKMS von der spanischen Patientenorganisation Pelones
Peleones. Sie bezeichnet das System im eigenen Land als «veraltet»
und «nicht funktional». Die Spendenkampagne solle unbedingt genehmigt
werden - schon jetzt komme die Hälfte der in Spanien benötigten
Knochenmarkspenden aus Deutschland.
Die DKMS, die mit 2,6 Millionen registrierten Menschen die größte
und mächtigste Knochenspenderdatei weltweit ist, versucht seit
Jahren, auch im Ausland um Spender zu werben. «Jeder potenzielle
Spender, den wir dort finden, erhöht die Überlebenschancen aller
Leukämie-Patienten weltweit», sagt der Mitbegründer der Organisation,
Gerhard Ehninger.
In den USA und in Polen ist die Tübinger Gesellschaft nach
anfänglichen Problemen inzwischen aktiv, mit der Türkei gibt es eine
Kooperation. In Frankreich scheiterte die DKMS allerdings am
Widerstand der Behörden. «Denen geht es nur ums Geld», sagte die
Chefin des französischen Registers für Knochenmarkspenden, Evelyne
Marry, der Madrider Zeitung «El País». Sie spielte dabei auf die 50
Euro an, die es kostet, einen Spender auf seine Gewebemerkmale zu
untersuchen. Die DKMS bittet die Spender traditionell, diese Kosten
wenn möglich selbst zu übernehmen - Bedingung ist das aber nicht.
Im vergangenen Herbst startete die DKMS dann in Spanien ihre
vorerst letzte Aktion im Ausland - den Vorstoß, der nun zum Fall für
Juristen geworden ist. Die DKMS fühlt sich im Recht. «Wir werden
weitermachen», kündigte Ehninger an. Der 35-jährige Hugo Pérez, dem
die DKMS in Spanien helfen wollte, kann die ganze Aufregung nicht
verstehen. Der Zeitung «El País» sagte er: «Das Wichtigste ist es,
Leben zu retten und sich nicht hinter bürokratischen Vorschriften zu
verstecken.»
# dpa-Notizblock
## Redaktionelle Hinweise
- Hintergrund bis 1000 - ca. 20 Zl
## Orte
- [DKMS](Kressbach 1, 72072 Tübingen)
- [ZKRD](Helmholtzstr. 10, 89081 Ulm)
- [Gesundheitsministerium](Madrid, Spanien)
## Internet
- [Mitteilung des Ministeriums - spanisch](http://dpaq.de/GoHYN)
- [Mitteilung des Ministeriums - englisch](http://dpaq.de/Di6bm)
- [DKMS](http://www.dkms.de)
- [ZKRD](http://www.zkrd.de)
- [Bone Marrow Donors Worldwide)(http://www.bmdw.org)
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