«Die Darkrooms sind nicht das Problem» Interview: Ulrike von Leszczynski, dpa

Berlin (dpa) - Ungeschützter Sex im Darkroom als Kick? Vor der
Welt-Aids-Konferenz, die am 22. Juli in Washington (USA) beginnt,
räumt die Deutsche Aids-Hilfe mit Schwulen-Klischees auf. Das
Schutzverhalten sei hoch und stabil, sagt Sprecher Holger Wicht im
Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. In vielen anderen Ländern
aber breitet sich die Krankheit nach einer neuen Studie unter
homosexuellen Männern weiter aus. Gründe sind auch Sexpraktiken.

HIV-Infektionen treffen in Deutschland zu einem großen Teil
homosexuelle Männer. Warum ist es gelungen, Drogensüchtige zu
deutlich mehr Schutz zu bewegen - Schwule aber weniger?

Wicht: «Das stimmt so nicht. Schwule Männer sind zwar die am
stärksten von HIV betroffene Gruppe, aber ihr Schutzverhalten ist
seit vielen Jahren bemerkenswert stabil. Sonst würden die Zahlen der
Neuinfektionen nicht sinken - seit 2007 um 20 Prozent. 70 Prozent der
Jungen und Männer schützen sich nach Studien immer mit einem Kondom,
20 Prozent fast immer. Nur eine Gruppe von zehn Prozent hat häufiger
ungeschützten Sex, bei dem es zu einer HIV-Infektion kommen kann.»

Es gibt immer wieder Berichte darüber, dass es in Darkrooms ein
großer Kick sei, ungeschützt Sex unter Männern zu haben. Ist da was
dran?

Wicht: «Da wird ein völlig verzerrtes Bild transportiert. Medien
sehen da manchmal einen Trend, aber es ist keiner. Die meisten
Schwulen benutzen auch im Darkroom Kondome. Dass sich Leute der
Gefahr einer HIV-Infektion bewusst und mit Lustgewinn aussetzen - das
ist ein sehr seltenes Phänomen.»

Woran liegt es dann, dass so viele Schwule von HIV-Infektionen
betroffen sind?

Wicht: «Es gibt dafür verschiedene Gründe, teilweise rein
biologische: Analverkehr hat ein hohes Übertragungsrisiko. Denn über
die sehr dünne Darmschleimhaut kann das HI-Virus sehr leicht in den
Körper eindringen - leichter als durch andere Schleimhäute. Ein
weiterer Grund ist, dass unter Männern, die Sex mit Männern haben,
die Zahl der Menschen mit HIV bereits viel höher ist als beim Rest
der Bevölkerung. Das Risiko, auf einen HIV-positiven Partner zu
treffen, ist weitaus größer als im heterosexuellen Bereich.»

Wer um seine HIV-Infektion weiß und einem Sex-Partner nichts davon
sagt, der begeht nach deutschem Recht Körperverletzung, oder?

Wicht: «Die Übertragung oder potenzielle Übertragung von HIV kann als

Körperverletzung bestraft werden. Der HIV-Positive muss rechtlich
gesehen für den Schutz des anderen Sorge tragen. Das heißt nicht,
dass er ihm etwas von seiner Infektion sagen muss. Wenn er nichts
sagt, aber ein Kondom verwendet, ist das völlig in Ordnung. Nur beim
Thema Therapien als Schutz vor einer HIV-Übertragung ist die
Rechtsprechung noch nicht einheitlich. Eine gut funktionierende
Therapie schützt genauso gut wie ein Kondom, eine Weitergabe des
Virus ist dann so gut wie ausgeschlossen. Aber dieser Schutz wird
noch nicht verlässlich anerkannt.»

Heute lassen sich nach Ihrer Einschätzung mehr Menschen auf HIV
testen als früher. Ist der Schock bei einem positiven Ergebnis noch
genauso groß?

Wicht: «Die meisten Menschen reagieren noch immer mit einem großen
Schock und Angst, manchmal Todesangst. Da kommen die alten Bilder
noch hoch. Ein positiver HIV-Test ist ein sehr einschneidendes
Ereignis in der Biografie, das niemand so einfach wegsteckt. Aber man
kann heute besser damit umgehen. Früher war klar, dass HIV meist
relativ schnell zu Krankheit und Tod führte. Heute können wir sagen:
Es ist keine heilbare, aber eine weitgehend beherrschbare Krankheit.
Mit einer lebenslangen Therapie kannst du - wenn auch mit einigen
Einschränkungen und Nebenwirkungen - alt werden.»

Ist der Wandel in der Gesamtbevölkerung angekommen?

Wicht: «Wir befinden uns gerade in einem Übergangsstadium. Seit 1996
gibt es die Kombinationstherapien aus mehreren HIV-Medikamenten, das
war der Wendepunkt. Sogar wenn die Krankheit Aids voll ausgebrochen
ist, ist das heute oft wieder umkehrbar. Das Immunsystem kann sich
wieder erholen - wenn auch nicht vollständig. Doch die alten Bilder
sind tief eingegraben. Beispiel Arbeitsleben: Es sickert erst langsam
durch, dass erfolgreich therapierte Menschen mit HIV genauso
leistungsfähig sind wie andere. Es gibt auch immer noch große
Befürchtungen, wenn HIV-Positive im Krankenhaus, Kindergarten oder in
der Gastronomie arbeiten. Dabei kann man als HIV-Positiver jeden Job
machen. Nur Chirurgen dürfen einige Operationen mit hoher
Verletzungsgefahr für den Operateur nicht ausführen. Eine Ausnahme
waren ansonsten lange Zeit Piloten. Aber sogar da hat sich in Europa
ganz prinzipiell etwas verändert. Wer den Gesundheitscheck schafft,
darf demnächst auch als HIV-Positiver Pilot werden. Es muss aber ein
Co-Pilot mitfliegen.»

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