Gerda Hasselfeldt - Unterschätzte Spitzenfrau Von Kristina Dunz, dpa

Gerda Hasselfeldt wird von vielen unterschätzt. Das ist ein Fehler.
Sie ist die erste Frau in der CSU-Geschichte, die die Landesgruppe im
Bundestag führt und Spitzenkandidatin geworden ist. Sollte Parteichef
Horst Seehofer einmal hinschmeißen, könnte sie Plan B sein.

Berlin (dpa) - Gerda Hasselfeldt kann Sprücheklopfer nicht leiden.
So direkt würde die stets höfliche 62-Jährige das natürlich nie
sagen. Sie formuliert es vornehmer: «Ich bin lieber sachlich, auch
wenn ich dafür keine Lacher ernte.» Bei FDP-Fraktionschef Rainer
Brüderle etwa schlagen sich Delegierte auf die Schenkel, so einfach
die Botschaften manchmal auch klingen. Bei Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber
klatschen die Anhänger, so sehr er seine Redezeit auch überzieht.
Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, reißt Zuhörer oft
nicht vom Hocker, so fundiert ihre Reden auch sein mögen.

Hasselfeldt ist im Sprechen so akkurat wie im Auftreten und
Kleiden: Alles sitzt. Der Schmuck passt farblich zum Kostüm, die
kurzen weißen Haare sind perfekt frisiert, das Leder der Schuhe
korrespondiert mit der Handtasche. Hasselfeldt zeigt wenig Ecken und
Kanten. Manchen in Politik und Medien ist sie damit zu langweilig und
unscheinbar. Doch ein bisschen gilt für sie dasselbe, was ihr
Parteichef, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, über Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) sagt: «Wer sie unterschätzt, hat schon verloren.»


Denn obwohl sie Kritik immer sachlich anbringt, sich nicht in den
Mittelpunkt drängt und Erfolge nicht zur Schau stellt, ist sie eine
der einflussreichsten Frauen in der CSU und der schwarz-gelben
Koalition sowie eine Vertrauensperson von Angela Merkel geworden.

Hasselfeldt ist die erste Frau an der Spitze der CSU-Landesgruppe,
die einst auch von Franz Josef Strauß und Theo Waigel geführt wurde.
Im April wurde sie als erste Frau in der CSU-Geschichte zur
Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl im September gekürt - fast
einstimmig mit 98,7 Prozent. Sie war Bundesbauministerin (1989-1991)
und Bundesgesundheitsministerin (1991-1992) unter Helmut Kohl (CDU).

Das Gesundheitsministerium - angesichts vieler Lobbyisten wohl
eines der anstrengendsten Ressorts der Bundesregierung - gab sie aber
schnell wieder auf. «Ich hatte gesundheitliche Probleme. Wenn ich
merke, das ist nicht mein Ding, dann muss ich das auch nicht
weitermachen», sagt sie selbstsicher.

Politisch geschadet hat ihr diese Rücktrittsentscheidung nicht.
1995 übernahm die studierte Volkswirtschaftlerin als erste Frau für
die CDU/CSU-Bundestagsfraktion das Amt des finanzpolitischen
Sprechers und blieb dies bis 2002. Danach wurde sie stellvertretende
Fraktionsvorsitzende und 2005 Bundestagsvizepräsidentin.

2011 waren fünf Kandidaten im Gespräch, Nachfolger von
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich zu werden, der für den
zurückgetretenen Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ins Bundeskabinett
wechselte. Darunter CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt,
Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt und der
Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller.


Die fünf Männer konnten sich nicht einigen, wer von ihnen es
machen sollte, hieß es damals. Seehofer bat daraufhin Hasselfeldt,
die Leitung der CSU-Bundestagsabgeordneten zu übernehmen. Beworben
hatte sie sich nicht. Heute spricht sie von einem Traumjob. «Das
jetzige Amt ist mir das liebste aller meiner bisherigen Ämter», sagt
sie. Sie hat bereits ihren Anspruch geltend gemacht, auch nach der
Wahl am 22. September Landesgruppenvorsitzende bleiben zu wollen.
2011 war vermutet worden, Seehofer habe sich für Hasselfeldt
entschieden, um parteiinterne Konkurrenz auszuschalten.

Einer der früheren Kandidaten gibt zu, dass er Hasselfeldt das Amt
nicht zugetraut hatte. Heute sei er froh, dass sie es geworden ist.
Und zwar nicht nur, weil die Sitzungen der 45 Abgeordneten unter
Hasselfeldt deutlich kürzer geworden sind (Hasselfeldt: «Wer in einer
Runde etwas sagt, was schon alle gesagt haben, betreibt für mich
organisierten Zeitdiebstahl.»)

Der Kandidat von einst schätzt an ihr, dass das Schaulaufen und
die Spannungen zwischen der CSU-Zentrale in München und der
Landesgruppe in Berlin deutlich abgenommen haben. «Die Leute wollen
keinen Streit und keinen Klamauk mehr», ist er sich sicher. Andere
Parteimitglieder beobachten genau, wie die CSU in Bayern wieder aus
ihrer Verwandtenaffäre um die Beschäftigung von Familienmitgliedern
auf Staatskosten bei Landtagsabgeordneten kommt und ob Seehofer bei
der Landtagswahl im September Schaden nimmt. Hasselfeldt dürfte einer
der Namen sein, der angesichts dieser Biografie und Anerkennung in
der CSU für einen Plan B an der Parteispitze gehandelt werden würde.

Hasselfeldt macht nach diesem Motto Politik: «Die Front verläuft
für mich nicht innerhalb der Partei.» Und: «Das Amt ist wichtiger als

die Person.» So spricht sie mit Seehofer im Konfliktfall Klartext
unter vier Augen - wie im vorigen Jahr, als der CSU-Chef mehrfach mit
Koalitionsbruch drohte und Hasselfeldt den Ärger mit Merkel und
FDP-Chef Philipp Rösler auszubaden hatte.

Für die konservative, familien- und traditionsbewusste CSU ist
Hasselfeldts Karriere ungewöhnlich. Geboren im Bayerischen Wald als
eines von sechs Kindern half sie schon 14-jährig im elterlichen
Gasthaus in Haibach mit. Den unverkrampften Umgang mit Männern lernte
sie damit früh. Wer ihr dumm kam, bekam eine klare Ansage.

Mit 18 trat sie in die Partei ein und wurde Vorsitzende der Jungen
Union in Bayern. Sie hätte gern für den Gemeinderat in Haibach
kandidiert, was nicht ging, weil ihr Vater, Alois Rainer,
ehrenamtlicher Bürgermeister war. «Und im Gemeinderat durften nicht
zwei aus einer Familie sitzen.» Rainer war 36 Jahre Bürgermeister.

Das Verhältnis zum Vater war nicht einfach. «Mein Vater hat von
Frauen in der Politik zunächst nichts gehalten. Für ihn waren sie ein
"Krampfadergeschwader".» Das war in den 60er Jahren. «Das war eine
ganz andere Zeit. Er hat sich dann sehr verändert.» Als sie
Politikerin wurde, habe er oft mit ihr diskutiert. «Mein Beispiel
zeigt auch, wie sich die CSU verändert hat.» Und wie Politik in der
Familie bleibt.

Hasselfeldts Bruder, der wie der Vater Alois Rainer heißt - er ist
der jüngste und einzige Sohn neben fünf Töchtern - wurde Metzger und

hat den Gasthof der Eltern in Haibach übernommen. Seit 1996 ist er
Bürgermeister von Haibach. Bei der Bundestagswahl kandidiert er im
Wahlkreis Straubing. Bisher hatte Ernst Hinsken, der auch aus Haibach
stammt, diesen Wahlkreis. Er kandidiert nach 33 Jahren Bundestag
nicht wieder. Damit könnte Hinskens Nachfolger wie der Vorgänger
heißen: Alois Rainer. Denn Hasselfeldts Vater saß von 1965 bis 1983
im Bundestag und hatte den Wahlkreis vor Hinsken.

Hasselfeldt heiratete, bekam zwei Kinder und ging nach beiden
Geburten gleich wieder arbeiten. Nebenbei: Von dem Betreuungsgeld für
daheimbleibende Mütter, das die Koalition zum 1. August einführt,
hatte sie anfangs nicht viel gehalten. Dass die CSU aber dieses Thema
gegen den Widerstand von CDU und FDP im vorigen Jahr durchsetzte, hat
sie zu einem großen Teil Hasselfeldt zu verdanken. Im Stillen
verhandelte diese mit kritischen CDU-Frauen und argumentierte
erfolgreich, dass erst mit einem Betreuungsgeld (langfristig 150 Euro
pro Monat) eine Alternative zu Kindergarten und Tagesmutter und so
Wahlfreiheit geschaffen werde. Das Amt ist wichtiger als die Person.

1987 wurde sie in den Bundestag gewählt. «Als ich von Regen nach
Bonn gependelt bin, habe ich meine Tochter Montagmorgen in den
Kindergarten gebracht. Nicht selten habe ich dann im Auto geweint.»
Damals war die Tochter vier Jahre alt. Die Erziehung überließ sie
weitgehend ihrem Mann. Lautlose Emanzipation einer Konservativen.

Ihr Verhältnis zu den Kindern beschreibt sie als glänzend. 1998
kam es dann aber zur Trennung von ihrem Mann. Sie hatten sich wohl
auseinandergelebt. Hasselfeldt heiratete ein zweites Mal: Wolfgang
Zeitlmann, der von 1987 bis 2005 für die CSU im Bundestag saß. 1989
wurde Hasselfeldt Direktkandidatin im Wahlkreis
Fürstenfeldbruck/Dachau in Oberbayern. Sie hatte sich gegen vier
Kandidaten durchgesetzt. Vier Männer.

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