IOC-Vize Thomas Bach vor dem olympischen Gipfelsturm Von Sven Busch, dpa

Der Sechskampf um die IOC-Präsidentschaft geht in die letzte Runde.
Alle Fragen sind gestellt, alle Diskussionen geführt, alle Argumente
ausgetauscht. Der deutsche IOC-Vize Thomas Bach geht als Favorit ins
Wahlfinale am Dienstag.

Buenos Aires (dpa) - Thomas Bachs Expedition auf den
Olympia-Gipfel ist auf den letzten Metern. Die Route liegt klar vor
ihm. Keine Fehltritte mehr, kein Risiko, nur noch mit Tunnelblick das
ultimative Ziel fixieren. «Meine Testwettkämpfe waren erfolgreich,
meine Form stimmt, jetzt kann's endlich losgehen», sagte Bach
zuversichtlich und kämpferisch. Franz Beckenbauer will dafür beten,
dass der 59 Jahre alte IOC-Vize aus Tauberbischofsheim an diesem
Dienstag in Buenos Aires zum mächtigsten Mann des Weltsports gewählt
wird. Höhenangst scheint der favorisierte Bach nicht zu haben - aber
er hat starke Gegner mit starken Beratern.

Der machthungrige Banker Richard Carrion wird seit kurzer Zeit von
James Carville gecoacht, dem Strippenzieher hinter Bill Clintons
Wahlerfolg. Ng Ser Miang, Bachs zweiter Hauptrivale, ist eher ein
Leisetreter, aber nicht weniger gefährlich. Der millionenschwere
Singapur-Chinese geht als Hoffnungsträger des aufstrebenden
Sportmacht-Kontinents Asien ins Wahlfinale. Die Stimmen des
einflussreichen Scheichs Ahmad al-Sabah bekommt er nicht - der
Kuwaiter unterstützt Bach. Jacques Rogge wird am Dienstag um 17.45
Uhr deutscher Zeit verkünden, wer als neunter IOC-Präsident sein
Nachfolger wird. Stabhochsprung-Weltrekordler Sergej Bubka (Ukraine),
Multifunktionär Denis Oswald (Schweiz) und Wu Ching-Kuo (Taiwan),
Präsident des Box-Weltverbandes, gelten in diesem Sechskampf eher als
chancenlose Mitstreiter.

Sein Büro im Lausanner Hauptquartier Château de Vidy hat der 71
Jahre alte Rogge bereits ausgeräumt. Bach, zehn Jahre lang Vize des
Belgiers, ist nach den gescheiterten Bemühungen von Willi Daume 1980
erst der zweite Deutsche, der den Aufstieg auf den Olymp versucht.

Auch vor dem Tag der Wahrheit blieb sich der ehrgeizige Netzwerker
treu. Händeschütteln, immer wieder Schulterklopfen und ein scheinbar
gelöstes Lächeln. Wahlkampf ist anstrengend, vor allem wenn er so
lange dauert wie bei Bach. Am 9. Mai hat er seine Bewerbung
öffentlich gemacht, hingearbeitet hat er darauf jahrelang. Jetzt
liegt sein Schicksal in den Händen von 101 Kollegen, von denen 96 in
der ersten Wahlrunde abstimmen dürfen.

Nur einmal in seiner 119-jährigen Historie wurde das
Internationale Olympische Komitee (IOC) von einem Nicht-Europäer
geführt - von 1952 bis 1972 vom US-Amerikaner Avery Brundage.
Carrion, der IOC-Finanzchef aus Puerto Rico, hat einen US-Pass und
viele Ziele, aber keinen Sport-Hintergrund. Mehr Weltgeltung will er
dem IOC verschaffen, das wie eine sportliche Ausgabe der Vereinten
Nationen sei, so der Geschäftsführer der Banco Popular und
Vorstandsmitglied der New Yorker Notenbank Federal Reserve.

Carrion will sich als Bachs Gegenentwurf positionieren, als
weltmännischer Staatsmann mit einer klaren Vision von einem IOC der
Zukunft. Sein stärkstes Argument blieb das Geld. Rogges wichtigster
Geldbeschaffer hat für den Ringe-Orden Verträge in Höhe von mehr als

acht Milliarden Dollar ausgehandelt, darunter den Rekord-Deal über
4,38 Milliarden Dollar mit dem TV-Giganten NBC. Den Wahlkampfsommer
verbrachte der 60-Jährige in seinem Haus in Barcelona.

Auch Ng ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Reich geworden ist er
mit der Übernahme eines Busunternehmens, das er später an den Staat
verkaufte. Für die Regierungspartei saß er bis 2005 im Parlament,
derzeit ist er Vorsitzender der größten Supermarktkette in Singapur.
Wichtige Reden lässt er wie Carrion gern von Profis verfassen. Der
64-Jährige hat sich seine Unauffälligkeit zunutze gemacht.
Unterschätzt wird er von keinem. Der Chef-Organisator der ersten
Olympischen Jugendspielen 2010 in Singapur weiß, was er will. Die
stille Diplomatie ist sein Spezialgebiet. Als ehemaliger Botschafter
in Ungarn und Norwegen konnte er dies reichlich üben.

Unermüdlich ist der leidenschaftliche Segler um die Welt gereist,
immer auf der Suche nach Rückenwind. «Die Zeiten ändern sich rapide,

und wir müssen mithalten, um relevant zu bleiben. Ich glaube an
Reformen und Stabilität», proklamierte er. Diese Aussage hätte auch
von Bach stammen können oder den anderen Kandidaten. Alle
propagierten die Null-Toleranz-Politik im Anti-Doping-Kampf, eine
Modernisierung des olympischen Programms, eine Reform der
Jugendspiele und die Eindämmung des Gigantismus, mit der das Problem
der sinkenden Zahl olympischer Bewerberstädte gelöst werden soll.
Bach will das sportliche Weltparlament zudem für Diskussionen mit
hochrangigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur öffnen und
eine professionellere Entscheidungsfindung fördern.

Seit seinem IOC-Eintritt 1991 hat der konservative Jurist dank
verschiedener Rollen viele Facetten des Hochglanzprodukts Olympia
kennengelernt. Dreimal wurde er bisher zum IOC-Vize gewählt. Jetzt
will der Olympiasieger von 1976 mit der Florett-Mannschaft ganz nach
oben.

Alle Fragen sind gestellt, einige Antworten stehen noch aus.
Welche Persönlichkeit könnte im Falle von Bachs internationaler
Beförderung eine taugliche Langzeitlösung an der DOSB-Spitze
darstellen? Und wie will die deutsche Dachorganisation mit einem
Führungsvakuum eine mögliche Münchner Olympia-Bewerbung um die
Winterspiele 2022 erfolgreich stemmen? Bach bleibt die Auflösung
(vorerst) schuldig. Er denkt weit voraus, geht seinen Weg aber
Schritt für Schritt.

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