In Friedland ist alles für die syrischen Flüchtlinge vorbereitet Von Matthias Brunnert, dpa
Jahrzehntelang wurden in Friedland deutschstämmige Aussiedler
aufgenommen. Inzwischen leben im Grenzdurchgangslager vor allem
Asylbewerber. Jetzt werden Flüchtlinge aus Syrien in der
weltbekannten Einrichtung im Kreis Göttingen erwartet.
Friedland (dpa) - Angelika Jung lässt sich die Essenskarte geben,
stempelt sie ab und schiebt das Tablett über den Tresen. Es gibt
Nudeln mit Soße. «Bolognese mit Rind», sagt die Küchenhelferin.
«Wegen des Glaubens.» Viele Flüchtlinge, die an diesem Tag im Lager
Friedland ihr Mittagessen abholen und sich dann an langen Tischen
niederlassen, stammen aus dem arabischen Raum.
«Unsere Küche hat sich schon vor längerer Zeit auf die
Essgewohnheiten dieser Menschen eingestellt», sagt Heinrich
Hörnschemeyer, der die weltbekannte Aufnahmeeinrichtung im Kreis
Göttingen seit 22 Jahren leitet. Anders als früher, als vorwiegend
deutschstämmige Aussiedler und nicht Asylbewerber kamen, gibt es
Schweinefleisch nur noch in Ausnahmefällen. «Unsere Köche müssen si
ch
deshalb auch nicht besonders darauf einstellen, dass jetzt die ersten
Flüchtlinge des UN-Kontingents aus Syrien kommen», sagt der Leiter.
Die Bundesregierung hatte sich bereits im Frühjahr bereiterklärt,
5000 Menschen aus dem Bürgerkriegsland aufzunehmen. Viele von ihnen
kommen zunächst nach Friedland. Die ersten dieser UN-Flüchtlinge
werden an diesem Mittwoch in Deutschland eintreffen - 109 Menschen,
davon rund 40 Kinder und Jugendliche.
«Syrische Flüchtlinge sind für unsere Mitarbeiter allerdings
nichts Besonderes», sagt Hörnschemeyer. Denn schon jetzt stellen sie
in Friedland die größte Gruppe der Asylbewerber. Seit Beginn des
Bürgerkrieges im März 2011 sind 15 500 Syrien-Flüchtlinge auf eigene
Faust nach Deutschland gekommen, viele davon zuerst nach Friedland.
Einer von ihnen ist Wael Hindi aus Damaskus. Er sitzt mit seiner
Ehefrau, einer Literaturwissenschaftlerin, und den beiden Kindern
beim Nachtisch in der Lagerkantine. Es gibt Nektarinen.
Der 31-Jährige hat in der syrischen Hauptstadt im Auftrag der
Vereinten Nationen palästinensischen Flüchtlingskindern
Sportunterricht erteilt. Nachdem eine Granate in sein Haus
eingeschlagen sei und die Schießereien auf offener Straße immer
heftiger wurden, sei die Familie geflüchtet, sagt Hindi. Zumindest
für die Töchter erhoffe er sich eine gute Zukunft in Deutschland.
Abdulkadar Halabli stammt aus Aleppo. Er habe Angst um sein Leben
gehabt, berichtet der 42 Jahre alte Apotheker. Weil er sich in einer
nichtmilitanten kurdischen Organisation engagiert habe, sei er sowohl
von Anhängern des Präsidenten Baschar al-Assad als auch von
Regimegegnern bedroht worden. Um dem Wehrdienst in der syrischen
Armee zu entgehen, ist der Jurastudent Ahmed Hamadi aus seiner Heimat
geflüchtet. Seine Schwester, die im Bürgerkrieg eine Schussverletzung
erlitten habe, hat ihn begleitet.
Ein Arzt, der aus Angst um in Syrien zurückgebliebene Angehörige
seinen Namen nicht in den Medien lesen möchten, berichtet von
massiven Gewaltandrohungen syrischer Soldaten. Er habe auch verletzte
Rebellen behandelt, fügt er hinzu. Er habe sich nicht erpressen
lassen und gegen den ärztlichen Eid handeln wollen. Deswegen verließ
er Syrien zusammen mit Ehefrau und zwei Söhnen.
«Die Bürgerkriegsflüchtlinge haben zumeist nur das Nötigste bei
sich», berichtet Bettina Briesemeister vom Deutschen Roten Kreuz, das
ebenso wie andere Hilfsorganisationen im Lager vertreten ist. Die
Menschen brauchen Kleidung und Hygieneartikel, die Kinder Spielzeug.
Obwohl das Lager mit gut 450 Asylbewerbern, darunter etwa 160 aus
Syrien, gut gefüllt sei, gebe es in Friedland noch genügend Platz für
die erwarteten Neuankömmlinge, sagt Leiter Hörnschemeyer.
Die Zimmer sind schlicht. Etagenbetten mit dünnen Matratzen stehen
darin, Tisch und Stühle, ein Schrank. Toilette und Bad sind über den
Gang zu erreichen. «Im Vergleich zu anderen Asylbewerberunterkünften
ist das hier trotzdem Luxus», sagt ein Dolmetscher.
Die Syrien-Flüchtlinge werden zwei Wochen in Friedland bleiben. In
dieser Zeit sollen sie mit sogenannten Wegweiserkursen auf ihre Zeit
in Deutschland vorbereitet werden, sagt Hörnschemeyer. Die ersten
Worte in deutscher Sprache, Informationen über Kita, Schule,
Gesundheitssystem, Behördengänge, Beratungsstellen. Anschließend
werden die Flüchtlinge auf die verschiedenen Bundesländer verteilt.
Wie viele Bürgerkriegsflüchtlinge in den kommenden Monaten in
Friedland eintreffen werden, ist noch nicht abzusehen. Es gibt
bereits Forderungen, deutlich mehr als die zusagten 5000 Menschen in
Deutschland aufzunehmen.
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.