Beinverlängerungen - Zentimeter, die Leben verändern
Von Sabine Dobel, dpa
(Foto - Archiv) =
Lange Beine gelten als schön. Zu kurze Beine aber können ein
gesundheitliches Risiko sein. Eine Beinverlängerung kann Menschen mit
ungleichen Beinen und Kleinwüchsigen helfen.
München (dpa) - Ein Schuh mit einer klobig erhöhten Sohle an einem
Fuß sieht nicht gerade elegant aus. Katja hatte schon als Kind ein
verkürztes Bein. «Als ich noch jünger war, habe ich immer brav
Schuherhöhungen und Einlagen getragen. Aber mit dem Teeniealter kam
die Eitelkeit und ich habe es einfach weggelassen», schreibt sie im
Internet. Sie bekommt Schmerzen in der Hüfte, in den Schultern, im
Rücken, im Sprunggelenk - und entschließt sich zur Beinverlängerung.
Im März 2009 lässt sie sich operieren. Eineinhalb Jahre später ist
die Behandlung abgeschlossen und das rechte Bein drei Zentimeter
länger - passend zum linken. Bei der Abschlussuntersuchung sagt sie,
dass sie sich viel besser fühle und nur noch wenig eingeschränkt sei,
berichtet Rainer Baumgart, Leiter des auf Extremitätenverlängerungen
spezialisierten ZEM-Germany in München, wo Katja behandelt wurde.
Eine Schuherhöhung braucht sie nicht mehr.
Einige hundert solcher anspruchsvollen, teuren und langwierigen
Behandlungen gibt es geschätzt jährlich in Deutschland. Ein
verkürztes Bein oder eine angeborene Fehlstellung sei nicht nur ein
ästhetisches Problem, sondern ein Risikofaktor für spätere Schäden
an
Wirbelsäule oder Gelenken, sagt Baumgart. Er ist Kongresspräsident
des 10. Kongresses der Gesellschaft für Extremitätenverlängerung und
-rekonstruktion (ASAMI Deutschland), der am Freitag in München
begonnen hat. Zu dem zweitägigen Treffen wurden rund 100 Chirurgen
und Orthopäden aus dem deutschsprachigen Raum erwartet.
Für die Behandlung wird der Knochen angebohrt und geschwächt, so
dass eine Art künstliche Wachstumsfuge entstehen kann. Ähnlich wie
bei einem Bruch wird das Bein - seltener der Arm - geschient. Teils
werden heute noch am Bein Gestelle angebracht. Baumgart setzt aber
auf Implantate, die über einen eingebauten Motor langsam gestreckt
werden. Einen Millimeter pro Tag könne der Knochen auseinandergezogen
werden und so wie bei einem Kind nachwachsen - nur schneller.
Bei der Operation geht es um Feinstarbeit. «Hinterher muss nicht
nur die Länge, sondern auch die Achse und die Drehung stimmen.»
Andernfalls drohten Folgeschäden. «Stellen Sie sich vor, Sie gehen
aus der Behandlung und haben O-Beine - und in zehn Jahren die ersten
Gelenkschäden.» Auch die Patienten müssen einen Beitrag leisten: Nur
mit Dehn- und Streckübungen könnten die Gelenke beweglich gehalten
werden, damit sie nicht einsteifen oder gar ausrenken. «Wenn die
Behandlungen in einem spezialisierten Zentrum durchgeführt werden
sind sie heutzutage sehr sicher», betont Baumgart.
Entdeckt wurde die Methode vor über 100 Jahren bei der Heilung von
Knochenbrüchen. Damals wurden Gewichte an die gebrochenen Gliedmaßen
gehängt, um die Schmerzen an der Bruchstelle zu lindern. Bei zu
schweren Gewichten war der Knochen danach länger als zuvor.
Heute wird mit Beinverlängerungen auch Kleinwüchsigen geholfen.
Menschen, die mit normal langem Oberkörper, aber zu kurzen
Extremitäten geboren werden, hätten mit einer Größe von 1,30 Metern
oft schon an Theken beim Einkaufen oder beim Einsteigen in den Bus
Probleme, schildern Experten. Bis zu 20 Zentimeter Knochenwachstum
könne im Einzelfall möglich sein - und bringe eine erhebliche
Verbesserung der Lebensqualität. Dafür müssten die Patienten aber
monatelange Behandlungen, oft auch bis zwei Jahre auf sich nehmen.
Blutgefäße, Nerven und Muskeln müssen mit dem Knochen mitwachsen.
Wird zu sehr «gedehnt», kann der Druck auf die Gelenke zu stark
werden - und im Laufe von Jahren zu verfrühtem Verschleiß und
Arthrose führen. Eine Gefahr sei auch, dass der neu gewachsene
Knochen nicht so belastbar sei wie der natürliche Knochen, sagt Fritz
Uwe Niethard, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für
Orthopädie und Orthopädische Unfallchirurgie (DGOOC).
«Es gibt sehr unterschiedliche Indikationen», sagt Niethard, der
am orthopädischen Uniklinikum Aachen früher selbst
Extremitätenverlängerungen speziell bei Kindern durchgeführt hatte.
Kleinwüchsige etwa sprächen gut auf die Behandlungen an, da Gefäße,
Haut und Muskeln bei ihnen in der Regel dehnungsfähig seien.
Die Kassen übernehmen bei entsprechender Diagnose die oft
sechsstelligen Kosten. Bei kosmetisch motivierten Eingriffen gehen
die Ansichten auseinander. «Es steht mir nicht an zu beurteilen, ob
jemand zu klein ist», sagt Baumgart. «Ich habe Patienten, die vorher
1,75 Meter groß waren und sich mit 1,87 Metern ihren Traum erfüllt
haben und total glücklich sind», schildert er. «Wichtig ist nur, dass
das Risiko dieser Operationen, wenn sie denn durchgeführt werden,
minimiert wird, damit die Patienten keinen Schaden nehmen und
natürlich nicht der Allgemeinheit zur Last fallen.»
Niethard warnt hingegen vor kosmetischen Operationen. «Das ist es
nicht wert, das Risiko einzugehen», sagt er. «Es gibt Patienten, die
gut reagieren, und Patienten, die nicht geeignet sind. Der normale
Patient, der 1,60 Meter groß ist und jetzt 1,80 Meter groß werden
will, ist kein guter Patient.»
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