Schrittmacher für die Zunge macht Schluss mit nächtlichem Schnarchen Von Jonas Mueller-Töwe, dpa
Nicht nur lästig, auch gefährlich: Schnarchen und Atemaussetzer
schlagen auf Herz und Kreislauf. Ein neuartiger «Zungenschrittmacher»
kann Abhilfe schaffen - zumindest bei manchen Patienten.
Dortmund/Mannheim (dpa) - Nacht für Nacht ringen viele Menschen nach
Luft, ohne es zu wissen. Wer am Tag trotz regelmäßigen Schlafs
erledigt ist, mit Kreislaufproblemen und Kopfschmerzen kämpft, der
leidet möglicherweise an Obstruktiver Schlafapnoe (OSA). Herzinfarkt-
und Schlaganfallrisiko steigen, die Unfallgefahr nimmt zu. Grund ist
die im Schlaf erschlaffende Muskulatur: Die Zunge sackt zurück in den
Rachen und versperrt die oberen Atemwege - die Folgen sind Schnarchen
und Atempausen, bis Stresshormone den Körper aufgrund des
Sauerstoffmangels wecken. Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung
sollen so im Schlaf nach Luft ringen.
Medizinische Abhilfe für einen kleinen Teil der Betroffenen könnte
künftig ein Zungenschrittmacher («Upper Airway Stimulation»)
schaffen, der die Mechanik des Atemvorgangs stimuliert. Unter dem
Schlüsselbein implantiert, misst das Gerät mittels eines Sensors
zwischen den Rippen den Druck der Lunge, kurz vor dem Einatmen sendet
es per Kabel ein Signal an einen Hirnnerv unter der Zunge. Die «milde
Stimulation» verhindert das Erschlaffen der Zungenmuskulatur. «Der
Patient atmet dadurch im Schlaf wieder regelmäßig», sagt Joachim
Maurer von der Universitäts-HNO-Klinik Mannheim.
Schon seit einigen Jahren testen Ärzte die Technologie an Patienten.
Derzeit kommen laut Maurer jedoch nur ein bis zwei Prozent von ihnen
dafür infrage. Er stellte am Dienstag in Dortmund die erste große
internationale Studie zur Wirksamkeit der Behandlung vor - zum
Auftakt der Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie (DGHNO KHC). Die
Atemaussetzer verringern sich mit dem Schrittmacher der Studie
zufolge bei den speziell ausgewählten Patienten um 68 Prozent, der
Sauerstoffabfall im Blut um 70 Prozent. Die Tagesschläfrigkeit nimmt
ab und die Lebensqualität verbessert sich.
«Fast die Hälfte aller Patienten ist bisher nicht ausreichend oder
überhaupt nicht behandelt», sagt Maurer. Der Grund: Die bisher
angewandte Therapie mit nächtlich zu tragenden Atemmasken
(«Continuous Positive Airway Pressure») hilft vielen Patienten zwar,
für manche ist die Prozedur aber derart unangenehm, dass die Geräte
oft im Schrank verschwinden.
Insgesamt 124 Patienten wurden im Rahmen der Studie international
behandelt, unter anderem in Deutschland, Russland und den USA. «Bei
70 Prozent zeigt die Behandlung genau so gute Ergebnisse wie die
Atemmasken, bei 20 Prozent zeigt sich Besserung, die noch optimierbar
ist - bei lediglich zehn Prozent der Patienten schlägt die Behandlung
nicht an», fasst Maurer die Ergebnisse der Studie zusammen.
Beim Allgemeinen Verband Chronische Schlafstörungen Deutschland
(AVSD) sind Betroffene bislang aber skeptisch. «Das ist ein immenser
Eingriff in den Körper und dazu extrem teuer - wobei unklar ist, ob
die Krankenkassen die Behandlung jemals bezahlen werden», sagt
Hartmut Rentmeister, Vorstand des Verbandes, der 4000 in Selbsthilfe
organisierte Patienten vertritt. Die Kosten werden pro Behandlung auf
etwa 20 000 Euro geschätzt. «Außerdem kann das Gerät nur bei einer
ganz bestimmten Patientengruppe eingesetzt werden», sagt Rentmeister.
Auch Maurer räumt ein, dass nur wenige der Betroffenen mit dem
Zungenschrittmacher behandelt werden können. Zwar ist die Obstruktive
Schlafapnoe eines der verbreitetsten Krankheitsbilder innerhalb der
schlafbezogenen Atmungsstörungen, die Therapie komme aber nur für
Patienten infrage, die die Standardtherapien wie Atemmasken oder
Kieferschienen nicht vertrügen. Und auch dann gebe es mögliche
Ausschlusskriterien wie zu große Mandeln, zu kleine Kiefer,
Herzschwäche oder Übergewicht. Die zentrale Schlafapnoe, bei der das
Atemzentrum betroffen ist, sei ebenfalls nicht auf diesem Wege
behandelbar.
Für die guten Ergebnisse der Studie sei eine akribische Vorauswahl
der Patienten verantwortlich. Maurer ist allerdings optimistisch,
dass mit fortschreitender Forschung bald auch weitere Patienten für
die Behandlung infrage kommen und damit möglicherweise langfristig
auch die Kosten sinken könnten. Derzeit sei die Kostenübernahme durch
die gesetzliche Krankenkasse aber noch an die Teilnahme an
weiterführenden Studien gebunden.
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