Richter entscheiden: Geld für künstliche Befruchtung auch ohne Ehe?Von Carolin Eckenfels, dpa
Wenn es mit dem Nachwuchs nicht klappt, können oft Ärzte helfen. Doch
das ist teuer, Zuschüsse gibt es nur für Ehepaare. Eine Krankenkasse
will auch Ledige unterstützen und zieht vor Gericht. Dort geht es nun
um Grundsatzfragen.
Kassel (dpa) - Die Liebe war da und der Wunsch nach einem Kind auch.
Doch der erfüllte sich nicht auf Anhieb, eine heute 41-Jährige und
ihr Partner benötigten die Hilfe von Medizinern. Und wie sich
herausstellte, besser auch einen Trauschein. Denn ohne gibt es für
die teuren künstlichen Befruchtungen kein Geld von den gesetzlichen
Krankenkassen. «Ich finde, alle sollten gleich behandelt werden»,
sagt die Frau, die anonym bleiben möchte.
Eine Kasse aus Berlin sieht das ähnlich und will auch ledige Paare
finanziell bei ihrem Wunsch nach medizinischer Hilfe bei der
Erfüllung des Kinderwunschs unterstützen. Ob sie das darf, darüber
wird das Bundessozialgericht in Kassel am Dienstag (18. November)
grundsätzlich entscheiden.
Zahlreiche Paare in Deutschland können nicht auf natürlichem Weg
Nachwuchs bekommen. Sie setzen ihre Hoffnungen auf die Methoden der
Reproduktionsmedizin, die teuer und häufig langwierig sind. Nach
Zahlen des Deutschen IVF-Registers haben sich im Jahr 2012 bundesweit
etwa 50 000 Frauen einer Kinderwunschbehandlung unterzogen. Dabei
ging es entweder um die In-vitro-Fertilisation (IVF) oder die
Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Die Kosten liegen je
nach Behandlungsform bei bis zu 4500 Euro.
Die Kassen zahlen Zuschüsse entsprechend der gesetzlichen Regelungen
für künstliche Befruchtungen für drei Versuche - aber nur an
Verheiratete. «Wir sind der Auffassung, dass die aktuelle Regelung
realitätsfern ist und nicht den Lebenswirklichkeiten entspricht»,
sagt Helge Neuwerk, der Stellvertreter des Vorstands der BKK
Verkehrsbau Union (BKK VBU).
Die Kasse änderte 2012 ihre Satzung, wonach auch Ledige in auf Dauer
angelegter Partnerschaft Geld für die Behandlungen bekommen sollen.
Das scheiterte am Veto des Bundesversicherungsamtes. Die Änderung
stehe nicht im Einklang mit höherrangigem Recht. Die BKK klagte,
verlor im vergangenen Juni aber vor dem Landessozialgericht
Berlin-Brandenburg. Nun geht es in die nächste Instanz.
«Ein Trauschein soll nicht Bedingung dafür sein, eine Leistung der
gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch zu nehmen», erläutert
Neuwerk den Gang vor das höchste Sozialgericht. Unverheiratete
zahlten ebenso wie Ehepaare Beiträge - warum sollten sie dann nicht
auch gleich behandelt werden?
Dass ledige Paare keinen Anspruch auf Zuschüsse haben, ist nach einer
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 mit dem
Grundgesetz allerdings vereinbar. Es stehe dem Gesetzgeber jedoch
frei, auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften Kassenleistungen für
eine künstliche Befruchtung zu gewähren, stellten die Richter in
Karlsruhe klar (Az: 1 BvL 5/03 vom 28. Februar 2007).
Doch immer mehr Eltern ziehen ohne Trauschein ihren Nachwuchs groß.
Die klassische Familie mit Ehepaar und einem oder mehreren Kindern
dominiert zwar weiterhin in Deutschland, 70 Prozent der Eltern sind
nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes verheiratet. 1996 waren es
mit 81 Prozent aber deutlich mehr. Und nichteheliche oder
gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften legten in dem Zeitraum von
5 auf 10 Prozent zu. Bevölkerungsforscher sehen denn auch einen
Bedeutungsverlust der Ehe.
Dass ledige, kinderlose Paare keine Kassenleistungen bekommen,
empfänden die Betroffenen als «ungerecht und nicht mehr zeitgemäß
»,
berichtet Petra Thorn, die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für
Kinderwunschberatung. «Sie fühlen sich als doppelt bestraft, das
sagen die Paare auch so.» Doch auch Eheleute beklagten sich oft über
eine Dilemma-Situation: «Sie wollen auf der einen Seite dem gängigen
Familienbild entsprechen und Kinder bekommen, sehen sich auf der
anderen Seite aber finanziellen Schranken gegenüber.» Denn es wird ja
nur ein Teil - in der Regel die Hälfte - von den Kassen bezahlt.
Die 41-Jährige und ihr Partner haben schließlich geheiratet, das ist
jetzt drei Jahre her. «Wir haben das zu diesem Zeitpunkt getan, um
auf unkompliziertem Weg die Zuschüsse für die Behandlungen zu
bekommen.»
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