Diskussion über Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht bei Piloten

Hätte der behandelnde Arzt des Germanwings-Copiloten den Arbeitgeber
über die Krankschreibung informieren sollen? Oder müssen? Politiker
und Experten streiten darüber, wie weit die ärztliche Schweigepflicht
im Einzelfall reichen sollte.

Berlin (dpa) - Die Germanwings-Katastrophe in Frankreich hat eine
Diskussion über die Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht für
sensible Berufe wie Piloten ausgelöst. Umstritten unter Politikern
und Experten ist, wie weit die ärztliche Schweigepflicht im
Einzelfall reichen sollte.

Der 27 Jahre alte Copilot des Unglücksfluges 4U 9525 soll den
bisherigen Ermittlungen zufolge das Flugzeug absichtlich zum Absturz
gebracht haben und seinem Arbeitgeber nach Erkenntnissen der
Ermittler eine Erkrankung verheimlicht haben. Für den Tag des
Absturzes in Südfrankreich war er krankgeschrieben.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, warnte
vor «vorschnellen politischen und rechtlichen Entscheidungen». Er
erklärte laut einer Mitteilung vom Montag: «Die ärztliche
Schweigepflicht ist ebenso wie das verfassungsrechtlich geschützte
Patientengeheimnis ein hohes Gut und für alle Bürgerinnen und Bürger

in Deutschland ein Menschenrecht.»

Zuvor hatte der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer eine Lockerung der
Schweigepflicht für sensible Berufe gefordert. «Piloten müssen zu
Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden. Diese Ärzte
müssen gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der
ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein», sagte Fischer der
«Rheinischen Post».

Der Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek (CDU) schlug eine
Expertenkommission vor, die die Frage klären solle, wie mit
ärztlichen Diagnosen bei Menschen in besonders verantwortungsvollen
Berufen wie Piloten umzugehen sei.

Nach aktueller Rechtsprechung dürfen Ärzte Auskunft geben, wenn sie
von der Schweigepflicht entbunden worden sind oder wenn etwa
«besonders schwere Verbrechen» verhindert werden sollen oder eine
Gefahr für Leib und Leben besteht (§ 138 und 34 Strafgesetzbuch).

Der Vorsitzende des Hartmannbundes, Klaus Reinhardt, erklärte: «Es
bleibt festzuhalten, dass die ärztliche Schweigepflicht zu Recht
unter ganz besonderem Schutz steht. Sie darf auch zukünftig
grundsätzlich nicht infrage gestellt werden.»

Eine Lockerung dieses Rechtsschutzes könnte dazu führen, «dass
Patienten sich überhaupt erst gar nicht in Behandlung begeben oder
sich gegenüber ihrem Arzt öffnen». Zudem sei es «extrem schwierig,

eine objektive Einschätzung über eine fremdgefährdende oder suizidale

Situation eines Patienten zu treffen».

Allerdings regte Reinhardt an, «über die organisatorische Systematik
von Krankschreibungen» nachzudenken. So hielte er es in speziellen
Fällen wie dem des Copiloten, der nach bisherigen Erkenntnissen den
Airbus mit 150 Menschen an Bord absichtlich abstürzen ließ, für
denkbar, «dass eine Krankschreibung - selbstverständlich ohne Angabe
einer Diagnose - vom behandelnden Arzt direkt und ggf. elektronisch
an den Arbeitgeber weitergeleitet wird. Zumindest im vorliegenden
Fall wäre dies möglicherweise von Bedeutung gewesen.»

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte in der «Bild»-Zeitung,
wenn Leib und Leben anderer Menschen gefährdet seien, sei «der Arzt
verpflichtet, den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit des
Mitarbeiters zu informieren. Dies gilt ganz besonders im Fall
psychischer Erkrankungen und einer möglichen Selbstmordgefahr.»

Dem widerspricht Hans-Werner Teichmüller, der Präsident des Deutschen
Fliegerarztverbandes: «Dem Arbeitgeber dürfen wir gar nichts
mitteilen. Da haben wir gar keine Berechtigung zu», sagte Teichmüller
am Montag im ZDF-«Morgenmagazin». In diesem Fall hätte der Arzt
lediglich das Luftfahrtbundesamt informieren dürfen.

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