Ein Trend mit Risiko - künstliche Befruchtung in höherem Alter Von Anja Sokolow, dpa

Eine 65-Jährige aus Berlin ist mit Vierlingen schwanger - nach einer
künstlichen Befruchtung. Ein Extremfall. Doch auch bei anderen Frauen
und auch Männern, die bei unerfülltem Kinderwunsch ärztliche Hilfe
suchen, geht die Alterskurve nach oben.

Berlin (dpa) - Sie könnten ganze Städte wie Rostock oder Kassel
bevölkern: Seit 1997 wurden in Deutschland mehr als 200 000 Kinder
nach einer künstlichen Befruchtung geboren. Nach einem drastischen
Einbruch im Jahr 2004 wegen neuer Kostenregelungen setzen Paare jetzt
wieder zunehmend auf diese Methode. Eine Frau aus Berlin verleiht dem
Thema jetzt besondere Aufmerksamkeit: Sie ist 65 Jahre alt - und nach
einer künstlichen Befruchtung mit Vierlingen schwanger. Zwar handelt
es sich um einen Extremfall, doch bei unerfülltem Kinderwunsch suchen
Paare immer später Hilfe. Aus Expertensicht ist das trotz moderner
Medizin problematisch.

«Das optimale Fruchtbarkeitsalter liegt immer noch bei unter 30 und
nicht über 30 Jahren», sagt Tina Buchholz, Vorstandsvorsitzende der
Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin. Das Bewusstsein
dafür müsse wieder geschärft werden. «Die Politik muss dafür sorg
en,
dass ein Leben mit Kindern auch mit 28 statt mit 38 Jahren gut
möglich ist», appellierte die Ärztin. Auch das Anspruchsdenken sei
heute anders, ergänzt Monika Uszkoreit, Geschäftsführerin des
Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren. «Viele Menschen
glauben, dass sich alles planen lässt und wenn es dann mit dem
Kinderwunsch nicht klappt, ist der Schock groß», so ihre Erfahrung.

In den rund 130 Kinderwunschzentren deutschlandweit sind die
Patientinnen meist über 30, Tendenz steigend: Waren sie 1997 bei
einer künstlichen Befruchtung im Schnitt noch 32,6 Jahre alt,
entschieden sie sich 2013 erst im Alter von etwa 35 Jahren für diesen
Schritt - in einem Alter, ab dem die Fruchtbarkeit laut Buchholz
rapide sinkt. Die Chance, bei künstlicher Befruchtung schwanger zu
werden, hänge von vielen Faktoren ab, so Buchholz. «Sie ist aber
nicht höher als 25 Prozent.»

Doch Paare versuchen es wieder zunehmend auf diesem Wege: Im Jahr
2013 ließen sich Frauen in Deutschland rund 54 000 Mal Eizellen
entnehmen, um sie befruchten zu lassen. Seit 2007 bewegt sich die
Zahl wieder über 50 000, wie aus dem aktuellen IVF-Register
hervorgeht, das In-vitro-Fertilisationen (IVF) und
Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) deutschlandweit zählt.
Nach einem Höhepunkt im Jahr 2003, als noch mehr als 80 000 Entnahmen
gezählt wurden, gab es 2004 einen Einbruch auf rund 37 600, um danach
- je nach Befruchtungsmethode - wieder zu steigen oder sich zu
stabilisieren.

«Im Jahr 2003 wussten viele Paare, dass die Krankenkassen ab 2004 die
Kostenübernahme einschränken werden - und haben es deshalb 2003 noch
probiert», erklärt Uszkoreit. Seit 2004 müssen Krankenkassen nur noch

bei drei Behandlungszyklen die Hälfte der Kosten für IVF und ICSI
zahlen, die jeweils zwischen 3000 und 4000 Euro liegen. Vorher
übernahmen die Kassen vier Behandlungen komplett.

Sich bei ausbleibendem Kinderwunsch Hilfe zu suchen, sei heute längst
kein Tabuthema mehr, sagt Buchholz. Sie glaube aber nicht, dass Paare
schneller auf eine künstliche Befruchtung setzen, nur weil die
Hemmschwelle niedriger ist: «Wer das nicht machen muss, macht es auch
nicht. Es ist immer schöner, wenn es auf natürlichem Wege klappt.»


Etwa jeweils ein Prozent der Frauen und Männer seien unfruchtbar,
schätzt sie. Außerdem gebe es eine Dunkelziffer. Von Unfruchtbarkeit
sprechen die Experten, wenn Frauen nach einem Jahr regelmäßigem
Geschlechtsverkehr zum richtigen Zeitpunkt nicht schwanger geworden
sind. Hormonelle Störungen, die demnach zu den häufigsten Ursachen
für eine ungewollte Kinderlosigkeit bei Frauen zählten, ließen sich
auch gut medikamentös behandeln.

Auch die direkte Übertragung von Spermien in die Gebärmutter einer
Frau sei eine sanftere Variante, die im IVF-Register nicht erfasst
wird. Buchholz schätzt, dass die Zahl der sogenannten Inseminationen
mindestens genauso hoch ist, wie die Zahl der Eizell-Befruchtungen
außerhalb des Körpers.

Die 65-Jährige Berlinerin hat ein Verfahren genutzt, das
in Deutschland verboten ist: Sie hat sich im Ausland sowohl mit einer
Eizell- als auch einer Samenspende künstlich befruchten lassen.

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