Angriff auf die Betelnuss - «Speichel diszipliniert ausspucken» Von Verena Hölzl, dpa

Myanmarer kauen mit Vorliebe Betelnuss. Doch das Rauschmittel ist
krebserregend. Jetzt schlagen Politiker Alarm.

Rangun (dpa) - Win Zaws Atem riecht süßlich frisch, ein bisschen nach
Minze. Doch wenn er lacht, gruselt es manch unbedarften Beobachter:
Zwischen den Lippen kommen unter stark geschrumpftem Zahnfleisch
unappetitlich karminrot gefärbte Zähne zum Vorschein. Seit zehn
Jahren kaut der Obstverkäufer aus Myanmars größter Stadt
Rangun Betelnuss. Win Zaw hat noch Glück: bei anderen Betel-Kauern
sind nur noch faule Zahnstümpfe übrig.

Betel-Kauen ist in diesem bitterarmen Land in Südostasien wie eine
Epidemie. Jeder zweite Mann des 50-Millionen-Volkes konsumiert das
Rauschmittel, wie das Gesundheitsministerium schätzt. Die Betelnüsse
- botanisch korrekt handelt es sich eigentlich um Samen - stammen von
der Areca-Palme. Sie werden klein geschnitten, mit Gewürzen und meist
mit Tabak in Blätter gewickelt, dann wird der Priem in die Backe
gesteckt.

Das Kauen macht süchtig und kann Mundhöhlenkrebs und viele andere
Krankheiten verursachen, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
warnt. Kürzlich befasste sich auch das Parlament der einstigen
Militärdiktatur mit dem Thema. Die Parlamentarier verlangen mehr
Aufklärung über die Risiken. Und mehr Disziplin, um den Ruf des
Landes bei den in immer zahlreicher ins Land strömenden Touristen
nicht zu ruinieren.

Das Betelnusskauen produziert viel Speichel. Kauer müsse deshalb
ständig ausspucken: Auf den Straßen sieht es aus, als seien alle paar
Meter Blutspritzer gelandet. In Mandalay gibt es schon
Straßenschilder, auf denen steht: «Speichel nur diszipliniert
ausspucken».

Irgendwie weiß Win Zaw ja, dass die Betelnuss nicht gut für ihn ist.
Der 48-Jährigen findet Zigaretten aber schädlicher. «Den Rauch atme
ich in die Lunge ein, die Betelnuss spucke ich wieder aus», meint er.
Er ist Stammgast bei Ma Aye, die neben seinem Obststand Betel
anbietet. Einen Schuhkarton voller Blätter wird sie jeden Tag los.
Drei Päckchen kosten umgerechnet zehn Cent.

Betel ist ein weltweit verbreitetes Suchtmittel, nach Schätzungen der
Weltgesundheitsorganisation (WHO) kauen regelmäßig 600 Millionen
Menschen darauf herum. Und die WHO sieht darin ein ernsthaftes
Problem für die öffentliche Gesundheit.

Ma Aye weiß davon nichts. Sie hackt violett-weiß-marmorierte Nüsse in

Scheibchen und verteilt en paar auf einem tassengroßen Betelblatt.
Dann träufelt sie gelöschten Kalk darüber. Der sorgt dafür, dass de
r
Körper die stimulierende Substanz der Nuss aufnehmen kann. Dazu kommt
Tabak, und je nach Geschmack auch Zimt, Kokos oder Kardamom. Behände
wickelt sie die Blätter zu kleinen Päckchen. Ihre jüngsten Kunden
sind 15. Und gar nicht so selten auch weiblich.

Tint Tint Kyi ist Ärztin am General Insein-Krankenhaus und warnt vor
den Gefahren. «Wer Betel kaut, schädigt sich doppelt: einmal durch
den Tabak und dann noch durch die krebserregenden Substanzen der
Nuss.» Sie kämpft seit Jahren gegen das Betelkauen. Wenn sie aufs
Land fährt oder in ihrem Krankenhaus zu Aufklärungsrunden einlädt,
setzt sie auf einen Ekelschock: Sie zeigt Fotos von Mündern mit
Geschwüren und verfaulten Zahnstumpen. «Alleine kann ich nicht viel
ausrichten», sagt sie frustriert. Und die Zahl der Betel-Fans geht
nicht zurück.

Noch gibt es keine systematische Aufklärung. Kaum ein Taxifahrer in
Yangon reißt an der Ampel nicht die Tür auf, um die dickflüssige rote

Betel-Spuke loszuwerden. Wer einen Bus passiert, muss aufpassen:
Spucke fliegt regelmäßig in hohem Bogen aus dem Fenster.

Pyae Phyo hat auch einen Priem im Mund. Klar wisse er, dass das nicht
gut sei, sagt der 26-Jährige. Der Vater eines Freundes sei sogar an
Mundhöhlenkrebs gestorben. «Aber was soll ich tun? Ich bin
Lastwagenfahrer, ich brauche es, um wach zu bleiben», rechtfertigt er
sich. Außerdem sei Betel günstiger als Zigaretten. Finden Mädchen das

nicht ekelig bei einem jungen Mann? «Denen gefällt es doch, wenn wir
Betel kauen», behautet er. Ganz überzeugt scheint er aber nicht zu
sein.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite