Vorratsdatenspeicherung, die Zweite - Die Neuregelung und ihre Tücken Von Christiane Jacke, dpa

Das erste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung scheiterte krachend. Nun
hat die Bundesregierung Anlauf Nummer zwei gestartet. Einige Details
haben es in sich. Was kommt auf die Bürger zu? Was bringt das Ganze
Ermittlern? Und welche Chancen hat die neue Regelung vor Gericht?

Berlin (dpa) - Die Vorratsdatenspeicherung heißt nicht mehr
Vorratsdatenspeicherung - zumindest wenn es nach der Bundesregierung
geht. Die massenhafte und anlasslose Aufbewahrung von
Telekommunikationsdaten auf Vorrat ist derart in Verruf geraten, dass
die Regierung selbst nun lieber von «Höchstspeicherfrist für
Verkehrsdaten» spricht. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)
erklärt, die Neuregelung habe mit der alten Vorratsdatenspeicherung
kaum noch etwas zu tun. Kritiker sehen das anders. Linke, Grüne, FDP,
Piraten, Netzaktivisten und Datenschützer laufen Sturm gegen die
Wiedereinführung des Ermittlungsinstruments. Maas und der Regierung
stehen noch einige Auseinandersetzungen bevor.

Was kommt auf die Internet- und Telefonnutzer zu?

Zehn Wochen lang soll gespeichert werden, wer wann mit wem wie lange
telefoniert, simst, und wie sich jemand im Internet bewegt. Vier
Wochen sollen die Standortdaten von Handy-Gesprächen aufbewahrt
werden. Daten zum E-Mail-Verkehr werden nicht erfasst,
Kommunikationsinhalte ohnehin nicht. Die Sicherheitsbehörden bekommen
nur in bestimmten Fällen Zugriff auf die Daten. Doch die Erfassung
trifft nicht nur verdächtige Schwerverbrecher, sondern sämtliche -
auch völlig unbescholtene - Bürger. Das sorgt für heftige Proteste.

Gibt es Schlupflöcher, um der Datenspeicherung zu entgehen?

Ja, wer will, hat etliche Möglichkeiten, beim mobilen Telefonieren
oder im Internet seine Spuren zu verwischen - etwa mit
freigeschalteten Prepaid-Handys, die keiner bestimmten Person mehr
zuzuordnen sind, oder mit Krypto-Telefonen, die Kommunikation sicher
verschlüsseln und auch die Verbindungsdaten verschleiern. Im Internet
können Verbindungsdaten unter anderem durch das
Anonymisierungsnetzwerk TOR verborgen werden.

Was bringt dieses Instrument dann überhaupt bei den Ermittlungen?

Kritiker zweifeln wegen der Umgehungsmöglichkeiten am Nutzen der
Vorratsdatenspeicherung zur Verbrecherjagd. Niemand habe bislang die
Notwendigkeit dieses Instruments belegen können, argumentieren sie.
In Frankreich etwa, wo es die Vorratsdatenspeicherung bereits gibt,
schützte diese nicht vor den Terroranschlägen von Paris. Und deutsche
Ermittler selbst halten die Speicherfristen für zu kurz.

Können Berufsgeheimnisträger wirksam geschützt werden?

Die Daten von Seelsorgern, Rechtsanwälten, Ärzten, Apothekern,
Abgeordneten oder Journalisten sollen tabu sein. Die Anrufe bei
Seelsorge-Hotlines werden grundsätzlich nicht erfasst. In allen
anderen Fällen werden die Daten von Berufsgeheimnisträgern zwar
mitgespeichert, sie dürfen nur nicht verwertet werden.

Wo liegt dann der Schutz für diese Berufsgruppen?

Genau das bemängeln Kritiker. Das Problem: Die Daten dieser Menschen
lassen sich nicht vorab herausfiltern. Erst beim Zugriff auf die
Daten zeigt sich, ob jemand Klempner, Tatverdächtiger oder doch
Anwalt ist. Noch schwieriger ist der Rückschluss auf den Nutzer, wenn
jemand zum Beispiel über ein öffentliches WLAN im Internet surft.

Was kommt auf die Telekommunikationsunternehmen zu?

Sie müssen eine bestimmte Infrastruktur zur Datenspeicherung aufbauen
und dabei vorgeschriebene Sicherheitsvorkehrungen einhalten. Laut
Justizressort sind etwa 1000 Firmen betroffen. Branchenverbände
rechnen mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe. «Wenn wir das
technisch sicher realisieren wollen, wird das unfassbar teuer», heißt
es beim Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco).

Welche Chancen hat die neue Regelung vor Gericht?

Von verschiedenen Seiten kam bereits die Ankündigung einer Klage:
Unter anderem die FDP will gegen das Vorhaben vor das
Bundesverfassungsgericht ziehen. Die Karlsruher Richter hatten das
erste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung 2010 kassiert. Sie erklärten
die Datensammlung zwar nicht grundsätzlich für unzulässig, werteten
sie aber als schweren Eingriff in die Grundrechte und erklärten die
Vorgaben in ihrer damaligen Form für unverhältnismäßig. 2014 kippte

auch das oberste europäische Gericht die EU-weiten Vorgaben. Die
Neuregelung soll dem Rechnung tragen: mit weniger Daten, die
gesammelt werden, kürzeren Speicherfristen, höheren Hürden für den

Zugriff und strengeren Vorgaben für die Sicherung der Daten. Einige
Experten halten es daher für denkbar, dass das neue Konzept der
Prüfung vor Gericht standhalten könnte. Auch Maas gibt sich
zuversichtlich. Es gibt aber auch Gegenstimmen. Die Prognose ist
schwierig. Sicher ist nur, dass das Gesetz vor Gericht landen wird.

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