«Das kann so nicht weitergehen» - Leben in der griechischen Krise Von Hubert Kahl und Takis Tsafos, dpa
Gibt es endlich eine Einigung in Brüssel? Oder kommt die Drachme?
Diese Fragen stellen sich die Griechen, die vor den Geldautomaten
Schlange stehen.
Athen (dpa) - Der erste Gang am Morgen führt viele Griechen nicht zur
Arbeit ins Büro oder ins Geschäft, sondern zu einem Geldautomaten.
Dort reihen sie sich in die Schlange der Wartenden ein, um die
zugelassene Tagesration von 60 Euro abzuheben. «Das kann so nicht
weitergehen», schimpft ein Angestellter im Zentrum von Athen. «Dies
ist nun schon der achte Tag, an dem ich hier warten muss, um an einen
kleinen Teil meines Gehalts zu kommen.»
Wegen der dramatischen Finanzkrise sind die Banken in Griechenland
bis wenigstens Mittwochabend geschlossen. Wann sie zum normalen
Betrieb zurückkehren werden, steht in den Sternen. «Wenn die
Geldhäuser noch zwei Wochen geschlossen bleiben, bricht hier alles
zusammen», befürchtet der Besitzer eines Athener Restaurants.
Ihre Einkäufe können die Griechen größtenteils mit Bank- oder
Kreditkarten bezahlen. In den Supermärkten funktioniert das fast
überall reibungslos, an den Tankstellen ist es zuweilen schwierig.
«Ochi kartes» (keine Kartenzahlung) steht an vielen Zapfsäulen,
obwohl dies eigentlich illegal ist. Auch viele Tavernen verlangen
Bargeld. Die Gäste bekommen in den Gaststätten vom Kellner dann
häufig die Ausrede zu hören: «Es tut uns leid, aber unser
Kartenlesegerät ist leider defekt.»
Aufgrund der sogenannten Kapitalverkehrskontrollen würden viele
Griechen ihre Gehälter derzeit lieber wie früher in Lohntüten
ausgezahlt bekommen. Dies geht aber nicht. «Ich habe selbst kein
Bargeld», sagt der Besitzer eines Athener Schuhgeschäfts. «Was soll
ich machen? Ich bekomme selbst pro Tag nur 60 Euro aus dem Automaten.
Damit kann ich meine Angestellten nicht bezahlen.» Die Unternehmer
überweisen die Gehälter über das Internet, und die Beschäftigten
müssen dann zusehen, wie sie an ihr Geld kommen.
Die Krise und der Mangel an Bargeld führen dazu, dass Pfandhäuser wie
Pilze aus dem Boden sprießen. Solche Etablissements waren in
Griechenland bis vor kurzem fast unbekannt. Jetzt gibt es in Athen in
jedem Stadtteil gleich mehrere Läden, die Schmuck, Gold und andere
Wertsachen aufkaufen. Dort scheint kein Geldmangel zu herrschen. Ein
Teil der Pfandhäuser, so wird vermutet, könnte sich nicht allein
legalen Geschäften widmen, sondern auch Geldwäsche betreiben.
Größere Versorgungsengpässe sind in Griechenland bislang noch nicht
festzustellen. Das Benzin reicht nach Angaben der Mineralölkonzerne
noch für wenigstens vier Monate. Die Regale in den Supermärkten sind
gut gefüllt. «Ich kann nicht klagen», sagte ein Fleischverkäufer in
Athen. «Ich hatte zuletzt einen guten Absatz. Offenbar haben einige
Kunden sich einen Vorrat in ihren Kühltruhen angelegt.» Größere
Hamsterkäufe sind allerdings nicht festzustellen.
Die Lebensmittelbranche warnt jedoch davor, dass Fleisch und
Milchprodukte bald knapp werden könnten. Der Grund: Diese Produkte
führt Griechenland zu einem großen Teil aus dem Ausland ein,
einheimische Produzenten müssen Futtermittel importieren; zur
Bezahlung der Importe bedarf es einer Sondergenehmigung, weil
Überweisungen ins Ausland grundsätzlich untersagt sind.
Ausländische Urlauber bekommen von den Einschränkungen nur wenig zu
spüren. Dies könnte sich aber bald ändern. Wenn die ersten Engpässe
bei der Lieferung von Lebensmitteln auftreten, dürften auch die
Buffets in den Hotels und die Speiseauswahl in den Restaurants
weniger üppig ausfallen als bisher.
Allerdings: Ausgelöst wurde die dramatische Bankenkrise dadurch, dass
die Griechen aufgrund der unsicheren Finanzlage ihres Landes große
Mengen Bargeld von ihren Konten abgehoben hatten. Seit Anfang des
Jahres waren es nach Angaben der Zentralbank rund 30 Milliarden Euro.
Der größte Teil davon - rund 20 Milliarden Euro - blieb nach
Schätzungen der Medien im Lande und wurde vermutlich in Safes
eingeschlossen oder in Truhen versteckt.
Die Reichen überwiesen viel Geld ins Ausland, die einfachen Leute
haben diese Möglichkeit nicht. Manche haben - wie eine alte Frau in
der Athener Vorstadt Markopoulo - die Scheine in Plastiktüten
verpackt und im Garten vergraben. «Immer wieder steht die Oma aus
Angst um ihr Geld nachts auf und leuchtet mit der Taschenlampe dort
unter den Feigenbaum», sagte Ioanna, eine 32-jährige Apothekerin.
Ihre Großmutter hatte unter dem Baum mehr als 7000 Euro vergraben,
ihre gesamten Ersparnisse. Andere versteckten ihr Geld in alten
Kühlschränken oder in Gerümpelkisten in der Garage.
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