Korrekturen im Intimbereich: Standards gibt es nicht Von Anja Sokolow, dpa
Schätzungen zufolge hat jede zehnte Frau relativ große innere
Schamlippen, was zum Problem werden kann. Eine Operation kann Abhilfe
schaffen. Doch einheitliche Standards gibt es noch nicht. Eine
Leitlinie ist in Arbeit.
Berlin/Düsseldorf/Leipzig/München (dpa) - Die Freibadsaison war für
Regina Schulz* jahrelang mit Angst verbunden. «Im Bikini habe ich
mich immer beobachtet gefühlt», erzählt die 50-Jährige. «Ständi
g
dachte ich, die Leute könnten sehen, dass da zu viel Haut in meinem
Bikinihöschen steckt», erinnert sie sich. Auch das Ausziehen vor
ihrem Ehemann sei ihr lange peinlich gewesen. Im Frühjahr habe sie
sich nun endlich ein Herz gefasst und sich zu einer
Schamlippenverkleinerung durchgerungen.
Intimchirurgische Eingriffe liegen im Trend. Sie reichen von
Peniskorrekturen und Hodensackstraffungen beim Mann bis hin zu
Korrekturen der Schamlippen bei Frauen. Letztere seien kein Randthema
mehr, sondern mit etwa 5400 Operationen im Jahr in der Mitte der
Gesellschaft angekommen, hieß es bereits 2013 in einem Bericht der
Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und
Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC). Die Zahl bezieht sich auf eine
Umfrage unter rund 900 Fachärzten.
Doch noch immer mangelt es an einheitlichen Standards für
Operationen. Laut DGPRÄC sind wissenschaftliche Kenntnisse in diesem
Bereich dürftig und Anbieter eher auf ihre persönliche Erfahrung
angewiesen. Auf Initiative der Gesellschaft wollen daher Experten
eine Leitlinie zur Intimchirurgie der Frau erarbeiten, in der die
gängigen Verfahren bewertet werden. Ärzte und Patientinnen sollen so
eine neutrale Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung bekommen.
Wann die Leitlinie erscheinen werde, sei noch offen, sagte ein
Sprecher der Gesellschaft. Offiziell angekündigt ist die
Fertigstellung zum 31. Dezember 2015.
Schätzungen zufolge sind bei etwa zehn Prozent der Frauen die inneren
Schamlippen so groß, dass sie die äußeren überragen. Das wird durch
Intimrasur immer häufiger sichtbar und stört manche Frauen nicht nur
optisch. Es kann auch medizinisch zum Problem werden.
«Beim Sport, etwa beim Reiten oder Fahrradfahren, scheuern die
Schamlippen. Es kann zu Schwellungen, minimalen Blutungen und auch zu
Entzündungen kommen», sagt der Leipziger Frauenarzt Marwan Nuwayhid,
Gründer der Gesellschaft für ästhetische und rekonstruktive
Intimchirurgie Deutschland (GAERID). «Es geht nicht darum, eine
Designer-Vagina zu schaffen, sondern den betroffenen Frauen zu
helfen. Die leiden richtig darunter», so der Arzt.
Auch der Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Erlangen,
Professor Matthias W. Beckmann, erlebt immer wieder Patientinnen, die
unter ähnlichen Problemen leiden: «Wenn eine Frau nach einem
Triathlon zum dritten Mal eine eingerissene Schamlippe hat, weil sie
60 Kilometer auf dem Fahrrad gefahren ist, dann sucht die eine Lösung
dafür.»
Regina Schulz hat sich vom Düsseldorfer Arzt Stephan Günther
operieren lassen, der die sogenannte 3D Reduction Labiaplasty
anwendet. Diese Technik, eine Art Baukastensystem, entwickle sich
langsam zum Standard, sagt Günther, Gründer der Deutschen
Gesellschaft für Intimchirurgie und Genitalästhetik (DGINTIM). Die
Technik erlaube gleichzeitig auch eine Korrektur des
Klitorishäutchens und Verlagerung der Klitorisspitze. «Man kann zwar
alle drei Dimensionen mit einer Operation korrigieren, muss es aber
nicht», betont der Arzt.
«Lange war die Keilschnitttechnik üblich, bei der die Schamlippen mit
einem keilförmigen Ausschnitt verkleinert wurden», berichtet der
Arzt. Doch wenn sie nicht richtig zusammenwachsen, bleibe ein
hässliches Loch, das nur schwer zu korrigieren sei. Immer wieder habe
er Patientinnen, bei denen Ärzten «Murks gebaut» hätten und die nun
eine weitere Operation bräuchten.
Auch Matthias W. Beckmann musste bei einigen Frauen Korrekturen
vornehmen. Irreparable Schäden seien ihm aber nicht bekannt. Möglich
seien eher Wundheilungsstörungen oder Asymmetrien. Auch die
Narbenbildung werde oft unterschätzt, ergänzt DGPRÄC-Präsidentin un
d
Professorin Jutta Liebau. Regina Schulz hatte nichts dergleichen,
fühlte sich allerdings auch erst nach sechs Wochen wieder fit.
Als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und
Geburtshilfe arbeitet Beckmann an der geplanten Leitlinie mit. Aus
rein ästhetischen Gründen unterstütze seine Gesellschaft
Schamlippenkorrekturen nicht, sondern nur aus medizinischen: «Eine
Frau hat das Recht, ihre Schamlippen reduzieren zu lassen, wenn sie
dadurch in ihrem täglichen Leben eingeschränkt ist», sagt er. Regina
Schulz bereut den Eingriff nicht: «Es war die beste Entscheidung
meines Lebens».
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