Die unheimliche Krankheit: Lepra lebt Von Georg Ismar, dpa
Gut, dass es den Weltlepratag gibt. So wird einmal im Jahr daran
erinnert, dass die Krankheit, die die Kranken oft zu Aussätzigen
macht, weiter existiert - mit über 200 000 neuen Fällen im Jahr.
Rio de Janeiro (dpa) - Schon in der Bibel spielt die Lepra eine
Rolle; auch an Mumien im alten Ägypten wurde der Erreger namens
Mycobacterium leprae bereits nachgewiesen. Doch Tausende Jahre später
ist die stigmatisierte Krankheit entgegen landläufiger Meinung nicht
ausgerottet. Und immer noch ein großes Mysterium. Indien ist mit
offiziell 125 785 neu erkrankten Menschen im Jahr 2014 das am
stärkste betroffene Land. Die Zahlen schwankten in den vergangenen
Jahren leicht, gingen aber nicht deutlich zurück.
Es folgt Brasilien, wo derzeit über 30 000 neue Lepra-Fälle pro Jahr
registriert werden. «Die Dunkelziffer ist auf jeden Fall noch viel
höher», betont der im fünftgrößten Land der Welt tätige Lepra-E
xperte
Reinaldo Bechler von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe.
Vormals hieß die Organisation Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk und hat
daher heute noch das Kürzel DAHW. Weltweit hätten rund 214 000
Menschen im Jahr 2014 die Diagnose Lepra erhalten, berichtet die
Organisation anlässlich des Weltlepratages an diesem Sonntag.
Der norwegische Arzt Armauer Hansen entdeckte 1873 das Bakterium, das
die Krankheit auslöst. Auch wenn Lepra nur schwach ansteckend ist,
wurden viele Erkrankte wie Aussätzige behandelt und in Leprakolonien
abgeschoben, schon das Handgeben galt als Übertragungsrisiko. Der
Name leitet sich ab vom griechischen «lepros», (schuppig, aussätzig)
- eine Analogie zum Krankheitsbild mit fleckiger, schuppiger Haut.
Nach und nach sterben die Nerven ab, alles wird taub - und es gibt
kein Schmerzempfinden, oft fügen sich die Kranken selbst Verletzungen
zu.
«Da will keiner drüber reden», kritisiert Bechler, dass es in
Brasilien trotz Zehntausender neuer Fälle zu wenig Bemühungen gebe,
Lepra auszurotten. So würden Ärzte nicht ausreichend ausgebildet, und
die Diagnosefähigkeit sei mangelhaft. Und: Die aktive Suche nach neu
erkrankten Menschen werde untersagt. In Brasilien dürfen
DAHW-Experten nicht selbst auf das Land fahren und aktiv leprakranke
Menschen suchen.
Wird genug getan, um die Krankheit zu besiegen? Das Land mobilisiert
derzeit alle finanziellen und personellen Ressourcen im Kampf gegen
das sich ausbreitende Dengue-Fieber und das ebenfalls von Mücken
übertragene Zika-Virus. Letzteres kann bei einer Infektion von
Schwangeren Schädelfehlbildungen der ungeborenen Kinder auslösen.
Lepra wird wahrscheinlich per Tröpfcheninfektion übertragen. Die
durchschnittliche Inkubationszeit beträgt vier bis sechs Jahre.
Gerade in Regionen mit viel Armut und mangelnder Hygiene kommt es zu
Infektionen. Die chronische Krankheit ist mit einer monate- bis
jahrelangen Medikamentengabe zwar heilbar, aber wenn sie zu spät
entdeckt wird, bleiben erhebliche körperliche Schäden.
Ein Problem ist auch die Definition von «Ausrottung» - gemäß den
Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein Land bereits
leprafrei, wenn es weniger als einen Patient pro 10 000 Einwohner
gibt, Deutschland wäre bei 8000 Lepra-Fällen offiziell Lepra-Frei.
«In Deutschland hatten wir in den vergangenen drei Jahren insgesamt
sechs Fälle, allesamt von Menschen mit Migrationshintergrund, die
wohl bereits in ihrem Heimatland infiziert waren», berichtet der
DAHW-Sprecher Jochen Hövekenmeier. Die Organisation erhält eigenen
Angaben zufolge Spenden und Zuschüsse von etwa 13 Millionen Euro, mit
denen Projekte in 120 Ländern unterstützt werden.
Vorbildlich sind laut Hövekenmeier afrikanische Länder wie Äthiopien,
Nigeria, Senegal, Tansania oder Uganda. Es gebe hier eine regelmäßige
und intensive Schulung des Personals im staatlichen
Gesundheitssystem, schnelle Diagnose und Therapie, regelmäßige
Kontrolle der Patienten - und Untersuchungen im sozialen Umfeld.
Aber auch das brasilianische Gesundheitsministerium sieht das Land
gemäß der WHO-Definition auf einem guten Weg - und weist den Vorwurf
der Vertuschung oder Vernachlässigung zurück. «Die Zahl der Patient
en
in Behandlung beträgt 25 738», betont eine Sprecherin. Das entspr
äche
1,27 Fällen pro 10 000 Einwohner. Derzeit gebe es über 30 000
Neuerkrankungen pro Jahr. «Aber 2005 hatte Brasilien noch 49 448 neue
Fälle», betont Camila Bogaz. Und es sei eine landesweite Kampagne zur
Aufklärung und frühzeitigen Diagnose in Schulen gestartet worden -
2014 seien 1,9 Millionen Schüler getestet worden, bei nur 265 sei
Lepra festgestellt worden, in Brasilien wird sie Hanseníase genannt.
Zugleich sei auch die Heilungsrate deutlich gestiegen, denn bei
frühzeitiger Diagnose ist Lepra heilbar. Konnten 2005 erst 69,2
Prozent der Patienten geheilt werden, stieg die Rate laut Ministerium
in Brasilien auf 82,73 Prozent (2014).
Laut DAHW kostet eine Therapie 50 Euro pro Patient. Das ist nicht
viel, doch ein wirksamer Schlüssel zur Ausrottung liegt trotz aller
Forschungen noch nicht vor: Ein Anti-Lepra-Impfstoff. Aber: neun von
zehn Menschen sind ohnehin gegen Lepra immun. Wer sich anstrecken
kann und wer nicht, das ist noch so eines der großen Lepra-Rätsel.
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