Gelungene Integration: Dr. Lee und die koreanischen Krankenschwestern Von Ira Schaible, dpa

Schreiende Babys brachten den Mainzer Klinik-Arzt Lee auf die Idee:
Südkoreanische Krankenschwestern könnten den Fachkräftemangel
mildern. Mehr als 10 000 Frauen kamen - viele sind geblieben.

Frankfurt/Oberursel/Mainz (dpa) - Koon-Ja Steckner arbeitet auch mit
70 Jahren noch ab und zu im Krankenhaus. Die erfahrene
Krankenschwester aus Südkorea springt gerne ein, wenn es Engpässe
gibt. «Ich habe noch Lust und Kraft zu arbeiten», sagt die dreifache

Mutter und Großmutter aus Oberursel im Taunus. Dabei war ihr Traum
eigentlich ein Pharmaziestudium - in den USA. «Im Gymnasium gab es
aber einen Boom, nach Deutschland zu gehen», erinnert sie sich. In
der Bundesrepublik waren koreanische Krankenschwestern gefragt. So
entschied sie sich für eine dreijährige Hochschulausbildung als
Krankenschwester und kam 1969 nach Frankfurt am Main.

Damals hatten koreanische Krankenschwestern in Deutschland schon
einen hervorragenden Ruf. Dazu hatte der südkoreanische Kinderarzt
und Radiologe Dr. Sukil Lee aus Mainz wesentlich beigetragen. «Die
Kinder haben immer geschrien», erinnert sich der 87-Jährige an die
Kinderstation der Uniklinik Mainz im Jahr 1965. «Da habe ich gemerkt,
dass Schwestern fehlen.» In der Bundesrepublik herrschte
Fachkräftemangel, in Südkorea fanden gut ausgebildete Schwestern
keinen Job. «Da bin ich auf die Idee gekommen, Krankenschwestern
herzuholen.» Einfach war das nicht.

Das Interesse sei zwar in den Kliniken in Frankfurt und Mainz groß
gewesen. In Rheinland-Pfalz habe er aber zunächst keine
Arbeitserlaubnis für die Frauen bekommen, berichtet Lee. In Hessen
fand er dagegen Mitstreiter. Dennoch gab es Probleme mit Behörden.
Nach einigem Hin und Her flog Lee schließlich nach Südkorea und traf
den damaligen Gesundheitsminister. «Nach zehn Minuten war alles
erledigt», erinnert sich der Mediziner.

Zunächst wurden 128 Krankenschwestern gesucht, etwa 600 bewarben
sich. «Sie mussten mindestens 28 Jahre alt sein, ledig und eine gute
Ausbildung haben», beschreibt Lee die Kriterien der ersten
Auswahlgespräche in Seoul. Am 31. Januar 1966 wurden 128
Südkoreanerinnen auf dem Frankfurter Flughafen empfangen. Das 50.
Jubiläum ihrer Ankunft feiert die Stadt Frankfurt an diesem Dienstag
(2. Februar). Ein offizielles Abkommen zwischen den Regierungen
beider Länder zur Vermittlung der Krankenschwestern wurde erst 1971
geschlossen.

Lee ging mit seinen Bemühungen allerdings auch ein erhebliches
persönliches Risiko ein, stellte die Stadt Mainz 2011 in einer
Jubiläums-Mitteilung fest. «1967 wurde er wegen eines falschen
Verdachts, die sogenannte Krankenschwestern-Aktion sei im Auftrag
Nordkoreas erfolgt, vom südkoreanischen Geheimdienst aus Mainz
entführt.» Vier Wochen später war er wieder frei. «Ein Polit-Krimi
im
Kalten Krieg mit Happy End.»

Rund 10 000 koreanische Krankenschwestern kamen nach Darstellung der
Deutsch-Koreanischen Gesellschaft (DKG) bis 1977 in die
Bundesrepublik. «Sie galten als hoch qualifiziert und immer sehr
freundlich», heißt es auf der Internetseite der Deutschen Botschaft
in Seoul. «Deshalb wurden ihre befristeten Arbeitsverträge in der
Regel verlängert.»

«Ich war herzlich willkommen. Die Patienten und Kollegen waren nett
und neugierig, weil ich aus einem so fernen Land kam», erinnert sich
Koon-Ja Steckner an ihre erste Arbeitsstelle in der Frankfurter
Uniklinik. 1969 habe kaum jemand gewusst, wo Korea liege. Sie sei mit
Englisch gut klar gekommen und habe auch fleißig Deutsch gelernt. «Es
gab viel zu sehen und zu erleben.» Allerdings: «Die Deutschen sind
sehr reserviert.» Dennoch habe sie eine Reihe enger Kontakte geknüpft
und 1974 auf der Hochzeit einer Freundin ihren Mann Friedbert
kennengelernt.

«1960 war Korea eines der ärmsten Länder der Welt», heißt es bei
der
DKG. «Als Grund für ihre Auswanderung geben die Betroffenen in der
Regel Armut und Perspektivlosigkeit an.» Einige hätten auch
«Abenteuerlust» genannt. «Vor allem für die Frauen war der Beruf in

der Bundesrepublik Deutschland mit Selbstständigkeit und Emanzipation
verbunden.»

«Ungefähr die Hälfte der Frauen ist geblieben», sagt
DKG-Geschäftsführerin Rhan Gunderlach. Die anderen kehrten entweder
nach Korea zurück oder gingen in andere Länder - vor allem in die USA
und nach Kanada. Viele Krankenschwestern arbeiteten wie Koon-Ja
Steckner bis zur Rente in ihrem Beruf.

Steckners Augen leuchten, wenn sie von ihrer Arbeit erzählt. «Auf der
Station habe ich so viel erlebt, ich könnte ein Buch schreiben», sagt
sie. «Ich hatte immer Glück mit meinen Arbeitsplätzen.» Schlimmes
Heimweh habe sie nie gehabt, sie sei aber immer viel gereist, durch
ganz Europa und auch ab und zu nach Südkorea. Ihre Begeisterung für
die Pharmazie habe sie nie ganz vergessen können. «Das ist immer noch

tief drin.» In jungen Jahren habe sie wohl nie damit angefangen, weil
sie immer gedacht habe, ich gehe doch noch irgendwann in die USA.

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