Das vermessene Ich - Wie wirksam ist Self-Tracking? Von Irena Güttel, dpa

Gut geschlafen? Heute schon genug bewegt? Viele Menschen müssen da
erstmal ihr Smartphone oder ihren Schrittzähler fragen. Die tägliche
Selbstvermessung soll zu einem gesünderen Leben verhelfen. An
wissenschaftlichen Belegen fehlt es aber noch.

Oldenburg (dpa) - Nachts überwachen Sensoren unseren Schlaf. Morgens
steigen wir auf die Körperfettwaage. Ein Schrittzähler misst
tagsüber, wie viel wir uns bewegen. Das Smartphone zeichnet beim
Sport Kalorienverbrauch und Leistung auf. «Self-Tracking» oder
«Quantified Self» heißt dieser Trend. Unzählige Apps und technische

Geräte helfen dabei, sich selbst zu vermessen. Viele Menschen sehen
das als Motivation, um sich mehr zu bewegen und gesünder zu leben.
Doch kann das überhaupt dauerhaft funktionieren?

Genau das wollen Informatiker der Universität Oldenburg und des
Forschungsinstituts OFFIS herausfinden. In einer Studie untersuchen
sie zurzeit, ob Schrittzähler und andere Geräte dazu beitragen
können, ein größeres Bewusstsein für einen gesunden Lebensstil zu
entwickeln. «Neues Verhalten fängt an, sich nach 100 Tagen zu
stabilisieren», sagt Prof. Susanne Boll-Westermann. «Nach drei
Monaten kommt aber der berühmte Knick.» Das Neue verliert seinen
Reiz. Man vergisst immer wieder, das Gerät anzulegen. Irgendwann
landet es in der Schublade.

Langzeitbeobachtungen zur Wirksamkeit von Self-Tracking gibt es nach
Angaben von Boll-Westermann bisher nur wenige. Mit ihrem Kollegen
Jochen Meyer hat sie sieben Testpersonen zwischen 35 bis 65 Jahren
mit Schrittzählern, Körperfettwaagen und Schlafsensoren ausgestattet.
Sechs Monate lang sollen sie die Geräte regelmäßig nutzen. Einmal im

Monat müssen die Probanden einen Fragebogen ausfüllen, der ihre
Einstellung zu einem gesunden Leben überprüft.

Eine von ihnen ist Andrea Vieregge. Vor allem den Schrittzähler
empfindet die 44-Jährige als zusätzliche Motivation. «Ich habe immer

schon versucht, viel zu Fuß zu machen. Aber im Winter ist der innere
Schweinehund schon groß.» Jetzt fällt ihr die Überwindung leichter.

Auch die anderen Testpersonen schätzen ein gesundes Leben positiver
ein, wie die ersten Ergebnisse ergeben haben. Doch ob das so bleibt
oder mit der Zeit eine Abnutzung eintritt, wird sich erst nach Ende
der Studie im Sommer zeigen.

Die beiden Informatiker sehen auch danach noch viel Forschungsbedarf
zum Self-Tracking. «Wir sind aus meiner Perspektive erst am Anfang
einer Ära», sagt Boll-Westermann. Bisher messen die Geräte und Apps
meist nur einzelne Werte, die man selbst interpretieren muss. «Der
nächste große Schritt ist, die Daten verschiedener Geräte zu
vernetzen und dann daraus Empfehlungen abzuleiten», sagt der
Gesundheitsberater Florian Schumacher, der 2012 die Online-Community
«Quantified Self» in Deutschland gegründet hat.

So könnte das System frühzeitig Alarm schlagen, wenn man über einen
längeren Zeitraum schleichend Gewicht zunimmt oder sich Blutwerte
verändern. Oder es könnte einen ermutigen, heute mal eine Haltestelle
früher auszusteigen und den Rest zu laufen oder ein paar Liegestützen
mehr zu versuchen. Doch wie kann das gelingen? «Gerade beim Sport ist
der Ton entscheidend», meint Schumacher. Und natürlich der richtige
Moment. Forscher nennen diesen den «Meaningful Moment» - der
Zeitpunkt, an dem man sich letztendlich entscheidet.

Um diesen zu finden, bereiten Boll-Westermann und Meyer bereits eine
weitere Studie vor. Diese soll voraussichtlich im Juni starten. In
ihr wollen sie Testpersonen motivieren, kleine Übungen in den Alltag
zu integrieren. Ein Signal soll sie daran erinnern. «Die Frage ist
wann: wenn der Zeitpunkt gekommen ist, kurze Zeit vorher oder schon
morgens beim Frühstück?», sagt Meyer.

Gesundheitsexperten sehen darin ein großes Potenzial, warnen aber vor
zu viel Technikgläubigkeit. «Bewegung ist gut. Es ist aber ein
Irrglaube, dass genügend Sport und gesunde Ernährung alle Krankheiten
verhindern können», sagt Corinna Schaefer vom Ärztlichen Zentrum fü
r
Qualität in der Medizin. Self-Tracking könne eine Motivation sein,
einen aber auch verunsichern. «Nicht jedes Ausreißen von Werten ist
eine Gefahr.» Bei Auffälligkeiten empfiehlt sie deshalb, lieber zum
Arzt zu gehen anstatt gleich zu Medikamenten oder
Nahrungsergänzungsmitteln zu greifen.

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