Krankenkassen: Selbstzahler-Leistungen bringen meist nichts
Oft sind in der Arztpraxis Ängste und Sorgen im Spiel. Bei Leistungen
zum Selbstzahlen ist aber kühler Kopf gefragt. Die Krankenkassen
werfen den Ärzten teils aggressiven Verkaufsdruck vor.
Berlin (dpa) - Selbstzahler-Leistungen beim Arzt bringen den
Patienten nach Ansicht der Krankenkassen meistens keinen
nachweisbaren Nutzen. Die Angebote könnten vielfach sogar schaden,
sagte der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des
Kassen-Spitzenverbands (MDS), Peter Pick, am Dienstag in Berlin. Mehr
als eine Milliarde Euro verdienten die Ärzte jedes Jahr mit diesen
Leistungen. Die Ärzte setzten ihre Patienten teils unter «aggressiven
Verkaufsdruck», am häufigsten Orthopäden, Hautärzte und Urologen.
Der MDS hat 41 dieser Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)
überprüft. Nur 3 wurden «tendenziell positiv» bewertet: Akupunktur
zur Vorbeugung von Migräne, Lichttherapie bei depressiven Störungen
und Stoßwellentherapie bei Fersenschmerz.
Zu den häufigsten Risiken zählen laut den Kassen Fehlalarme bei
Ultraschall der Eierstöcke und der Brust zur Krebsfrüherkennung. Die
Gefahr sei, dass kleine Tumoren unnötig operiert werden. Keine oder
nur geringe Hinweise auf einen Nutzen gebe es beim PSA-Test zur
Früherkennung von Prostatakrebs sowie bei professioneller
Zahnreinigung.
Neu untersucht hat der Medizinische Dienst ergänzende
Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft, etwa das
«Baby-Fernsehen» in 3D. Das schade nicht - nutze bei Kosten zwischen
20 und 200 Euro aber auch nicht zusätzlich. Mehr als die drei
Routine-Ultraschalluntersuchungen seien medizinisch nicht nötig,
sagte MDS-Expertin Michaela Eikermann.
Keine neuen Studien gebe es zur häufig angebotenen Messung des
Augeninnendrucks zur Früherkennung des grünen Stars. Es bleibe bei
der tendenziell negativen Bewertung. Denn die Messung habe nur
eingeschränkte Aussagekraft. Patienten könnten verunsichert werden.
Die meisten Patienten - 82 Prozent - kennen Selbstzahler-Leistungen.
52 Prozent derer, die IGeL-Leistungen angeboten bekommen haben,
nehmen sie an. Drei von vier Patienten fühlen sich aber nicht
ausreichend über Schäden informiert, wie eine MDS-Befragung von 2149
Patienten ergeben hat.
Die Ärzte wehrten sich gegen die Vorwürfe. «Es ist falsch, IGeL unter
Generalverdacht zu stellen», sagte der Vorsitzende der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. «Im
individuellen Patientenfall können IGeL durchaus medizinisch sinnvoll
sein.» Die Kassen-Zahnärzte bemängelten, dass die Zahnreinigung
überhaupt als IGeL-Leistung eingestuft wird, handele es sich doch um
eine «wichtige prophylaktische und therapeutische Behandlung».
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne)
kritisierte: «Ein Verkauf von Zusatzleistungen gegen Bargeld kann die
Arzt-Patienten-Beziehung negativ belasten.» Der Vorstand der
Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte: «Viel zu
häufig werden Patienten überrumpelt von Angeboten, deren Nutzen oft
umstritten ist.» Nötig sei eine vierzehntägige Bedenkzeit.
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