Depression: Volkskrankheit mit Versorgungsdefiziten Von Ruppert Mayr, dpa
Ich habe keine Lust, ich fühle mich so leer - schätzungsweise vier
bis fünf Millionen Menschen in Deutschland erleben depressive Phasen.
Doch immer noch wird die Volkskrankheit unterschätzt.
Berlin (dpa) - Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen
Erkrankungen. Bis 2020 werden sie laut Weltgesundheitsorganisation
weltweit die zweithäufigste Volkskrankheit sein, vor Diabetes
mellitus (Zuckererkrankung) oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dabei
gibt es immer noch erhebliche Versorgungsdefizite, so das Robert Koch
Institut (RKI).
Wie viele Menschen mit Depressionen gibt es?
Je nach Statistik haben schätzungsweise vier bis fünf Millionen
Menschen in Deutschland eine Depression. Nach Zahlen des
Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gab es
2015 insgesamt 1,12 Millionen stationäre Fälle von GKV-Patienten, die
die Diagnose Depression hatten. Der weitaus größte Teil davon wurde
jedoch wegen anderer Erkrankungen stationär behandelt. Depression war
also häufig «nur» Nebendiagnose. GKV-Patienten mit Hauptdiagnose
Depression gab es insgesamt bei rund 316 500 stationären Fällen.
Genaue Zahlen über ambulante Fälle gibt es nicht.
Wie kann man eine Depression erkennen?
Betroffene leiden unter einer gedrückten Stimmung, Traurigkeit oder
inneren Leere, Antriebs-, Freud- und Interessenlosigkeit. Weitere
Symptome können Konzentrationsmangel, schwindendes Selbstwertgefühl
und Selbstvertrauen sein. Dann auch Müdigkeit, Schlafstörungen sowie
Appetitlosigkeit und entsprechend Gewichts- sowie Libidoverlust. Auch
Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit kommen vor. Wenn eine bestimmte
Anzahl dieser Grund- und Zusatzsymptome über 14 Tage anhält, spricht
man je nach Anzahl und Schwere von einer leichten, mittelschweren
oder schweren depressiven Episode. Bei schweren Depressionen kann es
zu lebensmüden Gedanken kommen, die das Risiko einer Selbsttötung
steigen lassen.
Was passiert da im Kopf?
Depressionen haben auch körperliche Grundlagen, denn im Gehirn findet
da etwas statt oder besser nicht statt. Bisher geht man davon aus,
dass in bestimmten Regionen des Gehirns die Botenstoffe zwischen den
Nervenzellen reduziert sind, so dass nicht ausreichend oder falsche
Signale übertragen werden. Einer dieser Botenstoffe ist Serotonin.
Hier setzen auch die Medikamente an. Sie sollen die Konzentration
dieser Botenstoffe an den sogenannten synaptischen Spalten erhöhen.
Ist Depression vererbbar?
Grundsätzlich ja. Heute gehe man von einem bio-psycho-sozialen
Erklärungsmodell für Depressionen aus, erläutert die Direktorin des
Alexianer St. Joseph-Krankenhauses in Berlin-Weißensee, Iris Hauth.
Bio meint dabei auch, dass man eine angeborene Empfänglichkeit haben
kann. «Es gibt mehrere Gene, die mittlerweile in unserer
Erbausstattung identifiziert worden sind, die eine mögliche
Anfälligkeit für Depressionen mit sich bringen.» Doch Depressionen
müssten nicht zum Ausbruch kommen. «Da müssen psychische und soziale
Faktoren hinzukommen.» Etwa schlimmer akuter Stress nach einem
Autounfall oder längerer Stress, etwa durch Arbeitslosigkeit.
Sind Depressionen heilbar?
Wird eine depressive Erkrankung frühzeitig erkannt, ist sie in den
meisten Fällen gut behandelbar. Zwei Drittel der Episoden klingen
laut Hauth gut ab, auch wenn eine erhöhte Sensibilität bleiben kann.
20 Prozent werden chronisch. In der Regel gilt: Leichte Depressionen
werden mit psychotherapeutischen Maßnahmen behandelt, mittelschwere
mit psychotherapeutischen und - wenn der Patient es will - mit
Medikamenten. Bei schweren Depressionen kommt auf jeden Fall beides
zum Einsatz.
Haben Kindern Depressionen und wie machen sie sich bemerkbar?
Ja, können sie haben. Um die Kriterien für eine Depression zu
erfüllen, muss man sich ausdrücken und Gefühle äußern können. E
in
Kleinkind, das keine Fürsorge bekommt, ist traurig und zeigt Zeichen
einer frühkindlichen Depression. Aber eigentlich sieht man die
klassischen Symptome einer Depression bei Kindern erst vom Schulalter
an, erläutert der Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
und -psychotherapie in Neuruppin, Michael Kölch. Bei Kindern und
Jugendlichen gebe es einen hohen Anteil reaktiver Depressionen, etwa,
wenn sich die Eltern trennen, wenn die Eltern umziehen oder wenn der
geliebte Opa stirbt. Mobbing in der Schule ist ebenfalls ein
Risikofaktor. Die kindliche Symptomatik sei nicht nur traurige und
niedergeschlagene Stimmung, sondern drücke sich oft auch in einem
gereizten Stimmungswechsel aus.
Wie zeigen sich Depressionen bei alten Menschen?
Im Alter setzen sich Menschen mit ihrem Leben auseinander.
Traumatische Ereignisse aus der Vergangenheit können hoch kommen.
Verlusterlebnisse beim Tod des Partners oder der Partnerin können
Auslöser sein. Zugleich muss man sich immer mehr mit körperlichen
Gebrechen und Krankheiten abplagen. Typisch für das Alter sind auch
viele Medikamente. Das alles kann psychische Krankheiten nach sich
ziehen.
Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz gibt zu
bedenken, dass rund 1,2 Millionen der über 60-Jährigen in Deutschland
an Depressionen leiden. Doch nur sechs Prozent davon würden
behandelt. Depressionen seien Hauptursache für Suizide. In
Deutschland geht man insgesamt von 100 000 Suizidversuchen im Jahr
aus. Etwa 10 000 Menschen bringen sich tatsächlich um.
Gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau?
Ja. Statistisch haben etwa 10 bis 25 Prozent der Frauen im Leben
depressive Phasen, während es bei den Männern 4 bis 10 Prozent sind.
Oberarzt Stefan Rupprecht vom Alexianer St. Joseph-Krankenhaus sagt,
zwar sei die Depressionsrate bei Männern niedriger als bei Frauen,
dafür aber die Suizidrate höher. Männer geben aber ihre Depressionen
oft nicht zu, sind eher gereizt beziehungsweise aggressiv oder sind
in sich gekehrt.
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