Tabakindustrie startet die Dampfmaschine 2.0 Von Roland Losch, dpa
Staatliche Vorgaben und gesundheitsbewusste Verbraucher lassen den
Absatz von Zigaretten sinken. Der Marktführer bringt jetzt den
Tabakverdampfer auf den Markt. Das sorgt für Kontroversen - auch in
der Branche selbst.
München (dpa) - Noch ist die Zigarette beim US-Tabakriesen Philip
Morris nicht wegzudenken - aber der oberste Marlboro-Mann sieht in
Deutschland bereits das nahe Aus für den Glimmstängel. «Ich glaube,
dass schon bald der Zeitpunkt kommen wird, an dem wir das Ende der
Zigaretten-Ära einläuten», sagte Konzernchef André Calantzopoulos i
m
Herbst. Mit Marlboro und LM ist das Unternehmen Marktführer in der
Bundesrepublik. «Damit verdienen wir unglaubliches Geld», so
Sprecherin Claudia Oeking. Dennoch sieht Philip Morris seine Zukunft
nicht etwa in der E-Zigarette, sondern: im Tabakverdampfer. In den
nächsten Tagen kommt das neue Produkt hierzulande in den Handel.
Die Tabakindustrie macht das nicht freiwillig. Gesundheitsbewusste
Verbraucher, Werbeverbote und höhere Tabaksteuern erschweren ihr das
Geschäft. 2016 verkaufte sie nur noch 75 Milliarden Zigaretten in
Deutschland - halb so viele wie 2000. «Wir sehen einen Rückgang von
ein bis zwei Prozent im Jahr», berichtet Jan Mücke, Geschäftsführer
des Deutschen Zigarettenverbands.
Die mit großem Hype gestartete E-Zigarette, die aromatisierte
Flüssigkeit mit oder ohne Nikotin verdampft, scheint vorerst ein
Nischenprodukt zu bleiben. Mit etwa 400 Millionen Euro Jahresumsatz
liegt ihr Marktanteil bei zwei Prozent. «Viele Raucher rauchen
parallel weiterhin Zigaretten», sagt Peter Raiser, Grundsatzreferent
bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen. Auch
Philip-Morris-Sprecherin Oeking sagt: «Wir sind sicher, dass die
meisten Tabak wollen.»
Konzerne wie British American Tobacco (BAT) und Japan Tobacco
International (JTI) testen inzwischen ebenfalls Tabakverdampfer in
mehreren Ländern. Das Prinzip des Geräts: Eine Filterzigarette mit
stark gepresstem Tabak wird in einem Stift auf 300 Grad Celsius
erhitzt, der Konsument atmet den Tabakdampf mit dem Nikotin ein.
Doch es gibt keinen Rauch, keinen Gestank, keine Asche mehr - und vor
allem: rund 90 Prozent weniger schädliche Stoffe als bei einer
klassischen Zigarette, die bei 800 Grad verbrennt. «Trotzdem sind
noch potenziell krebserzeugende Stoffe vorhanden. Aber für viele
Raucher, die vom Rauchen nicht loskommen, kann das eine Alternative
sein», sagt Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum in
Heidelberg.
Mit dem Tabakverdampfer will die Industrie raus aus der
Schmuddelecke. «In Japan ist das Ding durch die Decke gegangen»,
meint Oeking. Zweieinhalb Jahre nach dem Start liege der Marktanteil
dort bei 10 Prozent. Bei Tests in Berlin, Frankfurt und München sei
der Verdampfer namens «iqos» auf knapp 1 Prozent Marktanteil
gekommen, ebenso wie in der Schweiz.
BAT ist erst vor einem halben Jahr in der japanischen Millionenstadt
Sendai gestartet. Die Ergebnisse seien «sehr vielversprechend», sagt
Sprecherin Karin Schlömer. In einer führenden Einzelhandelskette habe
der BAT-Tabakverdampfer «glo» schon 7 Prozent Marktanteil.
Bei herkömmlichen Zigaretten kassiert der Fiskus in Deutschland gut
zwei Drittel des Verkaufspreises als Steuer. Trotzdem bleibe den
Herstellern noch eine Gewinnspanne von über 20 Prozent, ist aus
Branchenkreisen zu hören. Die Zigaretten für die Tabakverdampfer sind
zwar aufwendiger herzustellen und werden zum gleichen Preis wie
normale Zigaretten verkauft. Aber die Steuer beträgt hier nur ein
Drittel des Verkaufspreises. Das verspricht ein profitables Geschäft.
«Der Markt wird auf den Kopf gestellt», heißt es bei Philip Morris.
Jetzt beginne ein Wettbewerb der Technologien und Ideen. Die ersten
E-Zigaretten kamen fast alle aus Asien, mit dem Tabakverdampfer
bewegen sich die Konzerne wieder im eigenen Revier.
Der Pionier wirbt für seinen Verdampfer mit dem Slogan: «Das ändert
alles.» Calantzopoulos' Ankündigung vom baldigen Ende der klassischen
Zigarette hat für Verbandsgeschäftsführer Mücke jedoch «mehr mit
Marketing zu tun». Der Verdampfer werde das Angebot ergänzen, aber
die herkömmliche Zigarette nicht ersetzen. «Philip Morris hat das Rad
nicht neu erfunden. Es gibt viele, die da unterwegs sind.»
Die Amerikaner erwarten mit den Geräten bereits mittelfristig
weltweit einen Marktanteil von drei bis fünf Prozent. «Man muss die
Strategie sehen, die dahintersteckt», erklärt Raiser. Die Konzerne
hätten ein Interesse, «mit neuen Produkten neue Kunden zu gewinnen
und alte zu halten». Auch Mons sorgt sich: «Wir wollen nicht, dass
neue Lifestyle-Produkte auf den Markt kommen, die Jugendliche an
Tabak heranführen.»
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