Helfer aus der Luft - wieviel Rettungshubschrauber braucht das Land? Von Christian Schultz, dpa
Rettungshubschrauber sind gefragt, wenn es ernst ist - nach schweren
Unfällen und bei akuten Erkrankungen. Sie können über Leben und Tod
entscheiden. Doch die Flüge sind teuer und sorgen bisweilen für
Streit.
Mainz (dpa/lrs) - Bei Schlaganfall, Herzinfarkt oder einem schweren
Unfall kann jede Minute zählen, um Menschenleben zu retten. In einem
Flächenland wie Rheinland-Pfalz mit entlegenen Ecken wie Eifel oder
Hunsrück sind schnelle Transportmittel immens wichtig - wie
Rettungshubschrauber. Die im Land stationierten Exemplare sind nur
bis Sonnenuntergang unterwegs, später muss im Notfall Hilfe von
jenseits der Landesgrenze angefordert werden. Die Meinungen darüber,
wieviel Maschinen es zwischen Westerwald und Pfalz braucht, gehen
auseinander - gerade in Zeiten, in denen manch kleines Krankenhaus
vor Problemen steht und sich Wege in Notaufnahmen verlängern können.
Vier Rettungshubschrauber gibt es aktuell in Rheinland-Pfalz - in
Wittlich, Mainz, Ludwigshafen und Koblenz. Sie alle werden von der
gemeinnützigen ADAC Luftrettung gestellt, in Koblenz gibt es eine
zivil-militärische Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Hinzu kommen
vergleichsweise grenznahe Stationen in Saarbrücken, Luxemburg, dem
nordrhein-westfälischen Siegen, in Frankfurt oder Mannheim. Demnächst
könnte eine Station in der Westpfalz dazu kommen.
Aufgabenträger in Sachen Luftrettung in Rheinland-Pfalz ist das
Innenministerium. Es legt das Anforderungsprofil für jeden Standort
fest, das der nach einer Ausschreibung ausgewählte Betreiber erfüllen
muss. Hierzulande erstreckt sich die Einsatzbereitschaft aller vier
Maschinen auf die Zeit von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, wie Jochen
Oesterle, ADAC-Sprecher für die Luftrettung erklärt. Der Nachtbetrieb
wäre technisch machbar, wenn auch aufwendiger. Dann braucht es neben
Notarzt und Notfallsanitäter und Pilot noch einen zweiten Piloten
sowie Nachtsichtbrillen.
Hinzu kommt nachts eine aufwendigere Arbeit vor dem eigentlichen
Flug, erläutert Günther Lohre, Geschäftsführer der Johanniter
Luftrettung. «Ein Nachtflug braucht eine ganz andere Vorbereitung.»
Es müsse noch genauer auf Begebenheiten am Einsatzort, wie etwa die
Lichtverhältnisse, oder Stromleitungen auf dem Weg geachtet werden.
Das Innenministerium rechnet vor, dass die Vorlaufzeit für einen Flug
in der Nacht nicht bei zwei bis drei, sondern über 15 Minuten liegt.
So verliere der Rettungshubschrauber in der Nacht seinen Zeitvorteil.
Das gilt vor allem für Primäreinsätze, wenn Retter zu einem Unfall
auf einer Landstraße oder einem Patienten irgendwo in einem
Wohngebiet müssen. «Das ist etwas ganz anderes, als auf einem gut
beleuchteten Klinik-Landesplatz zu landen», sagt Oesterle. Letzteres
ist Standard bei sogenannten Sekundäreinsätzen, bei denen es in der
Regel um die Verlegung von Patienten von einer in eine andere Klinik
geht.
Sekundäreinsätze waren kürzlich im Fokus beim Thema Schlaganfall.
Kliniken können von Krankenkassen höhere Behandlungssätze verlangen,
wenn sie bei Patienten eine Transportzeit von 30 Minuten zur nächsten
auf diese Behandlung spezialisierten Klinikabteilung gewährleisten
können. Das kann mancherorts mit einem Rettungswagen eng werden.
Nichtsdestotrotz betont das Innenministerium, dass sowohl Rettungs-
als auch Intensivtransporthubschrauber nur ein ergänzendes Angebot
seien und «bodengebundene Rettungsmittel» wie Rettungs- und
Notarztwagen nicht ersetzen könnten. Das betonte Innenminister Roger
Lewentz (SPD) laut einem Sprechvermerk im Januar im Innenausschuss
des Landtages. Die Maschinen könnten nicht bei jedem Wetter abheben
und nicht jeden Einsatzort unmittelbar erreichen. Auch seien sie
nicht für alle Patienten geeignet, da sie für eine Reaktion auf
Veränderungen des Gesundheitszustandes nur wenig Platz böten.
Mit Blick auf Notfälle in der Nacht verweist das Innenministerium auf
eine Kooperationsvereinbarung mit Hessen. Demnach können nachts zwei
Maschinen der Johanniter-Luftrettung angefordert werden - und zwar
die Intensivtransporthubschrauber «Christoph Mittelhessen» aus
Reichelsheim in der Wetterau sowie «Christoph Gießen». «Diese
Kooperation wird auch in der Realität gelebt», teilt das Ministerium
mit. Im Jahr 2017 waren es zwischen 21.00 und 5.00 Uhr 28 Einsätze -
bei rund 8700 Einsätzen im ganzen Jahr. Nichtsdestotrotz werde über
die Verlängerung der Einsatzzeit von «Christoph 77» in Mainz
nachgedacht, es liefen Gespräche mit den Kostenträgern, den
Krankenkassen.
Der Landesvertretungsleiter der Techniker Krankenkasse (TK), Jörn
Simon, sagt: «Es ist anzunehmen, dass angesichts demografischer und
medizinischer Entwicklungen die Bedeutung von Rettungshubschraubern
sogar noch zunehmen wird.» Klar ist, bei Flügen geht es um gehörige
Kosten. Die TK spricht von rund 60 Euro pro Flugminute tagsüber.
Lohre von den Johannitern nennt einen ähnlichen Betrag. In anderen
Ländern wie Nordrhein-Westfalen würden mancherorts gar über 100 Euro
fällig. Die ADAC Luftrettung nennt Durchschnittskosten zwischen 1000
und 1500 Euro für den Einsatz eines Rettungshubschraubers in
Deutschland. Mal seien es einige hundert Euro teure Kurzeinsätze, mal
längere und mehrere tausend Euro teure Flüge in ländliche Regionen.
In der Westpfalz wird aktuell gerade geprüft, ob Bedarf für einen
weiteren Rettungshubschrauber besteht. In Sembach (Kreis
Kaiserslautern) steht seit Oktober 2018 eine Johannniter-Maschine,
die aber nicht Teil der offiziellen Rettungshubschrauber-Flotte ist,
für die also keine Auftragsvergabe des Innenministeriums vorliegt.
Deren Grundlage ist eine Vereinbarung mit dem Westpfalz-Klinikum für
Patiententransporte innerhalb des Krankenhausverbundes.
In der Realität fliege der Hubschrauber auch Primäreinsätze, sagt
Lohre von den Johannitern - seit Oktober rund 300 Primäreinsätze. Das
Spektrum reiche vom Schädel-Hirn-Trauma bis zum Herzinfarkt.
«Erklären Sie mir, dass da kein Bedarf ist», sagt er. Es habe Streit
mit Krankenkassen zu Abrechnungen gegeben, weil es kein offizieller
Rettungshubschrauber sei. Dabei werde dank der Johanniter-Maschine
Geld gespart. Es brauche weniger Flugminuten, sprich weniger Kosten,
als wenn ein entfernter stationierter Hubschrauber kommen müsse.
Vertreter des Innenministeriums, der Kreise Kaiserslautern, Kusel
sowie des Donnersbergkreises und der Krankenkassen setzten sich im
November zusammen und beschlossen, dass ein Gutachter den Bedarf für
die Westpfalz und das Saarland neu analyisert - mit Blick auf Primär-
und Sekundäreinsätze. Wenn die Analyse einen Bedarf zeige, folge die
Ausschreibung, heißt es im Ministerium. Noch gilt eine
Übergangsregelung zum Einsatz der Johanniter-Maschine bis Ende April.
Wie es dann weitergehe, sei noch unklar, sagt Lohre.
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