JAK-Hemmer: wirkungsvolle Rheuma-Therapie in Tablettenform Von Bernhard Sprengel, dpa
Rheuma ist nicht heilbar. Aber die Patienten können bei rechtzeitiger
Behandlung heute mit weniger Beschwerden leben als noch vor einigen
Jahren. Neue Medikamente stoppen die Gelenkentzündungen - und bieten
inzwischen einen weiteren Vorteil.
Hamburg (dpa) - Patienten mit entzündlichen Rheumaerkrankungen steht
eine neue und weniger komplizierte Behandlungsmöglichkeit zur
Verfügung. Seit etwa zwei Jahren können Ärzte in Deutschland zwei
Mittel verordnen, die die Autoimmunreaktion bei der rheumatoiden
Arthritis auf neuartige Weise unterdrücken. Die sogenannten
Januskinase-Inhibitoren verhindern, dass bestimmte Botenstoffe
(Zytokine) an der Zellmembran eine Signalkette auslösen, die im
Inneren der Zelle zur Produktion neuer Entzündungsstoffe führen.
Diese verursachen im Muskel- und Skelettsystem, aber auch an Herz und
Lunge schwere Schäden und Schmerzen.
Es gibt bereits Biologika, gentechnisch hergestellte Eiweißstoffe,
die als Medikament genauso spezifisch außerhalb der Zelle die
Botenstoffe hemmen. Diese Mittel sind bereits seit 1998 in
Deutschland zugelassen, sagt Hendrik Schulze-Koops, Präsident der
Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Seitdem hätten die
entzündlichen rheumatischen Erkrankungen ihren Schrecken verloren.
Noch in den 80er Jahren seien die Patienten im Schnitt zehn Jahre
früher als die Gesamtbevölkerung gestorben. Inzwischen sei ihre
Lebenserwartung dem Durchschnitt angeglichen. Die Betroffenen könnten
sogar Sport treiben.
Doch für viele Patienten haben die Biologika einen Nachteil: Sie
müssen unter die Haut oder in die Blutbahn gespritzt werden. Die
neueren Januskinase-Inhibitoren, auch JAK-Hemmer genannt, können
Betroffene dagegen einfach als Tablette schlucken. Die Leiterin der
Sektion für Rheumatologie und entzündliche Systemerkrankungen am
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Ina Kötter, bewertet die
Mittel als weiteren wesentlichen Fortschritt in der Rheuma-Therapie.
Ein anderer Vorteil, der sich in einigen Jahren bemerkbar machen
könnte: die Kosten. Zurzeit schlägt eine Behandlung mit Biologika
nach Angaben von Schulze-Koops mit 12 000 bis 25 000 Euro pro Jahr zu
Buche. Die JAK-Hemmer sind ähnlich teuer, eine Behandlung kostet nach
Angaben von Kötter 15 000 bis 18 000 Euro. Allerdings laufe der
Patentschutz für die Mittel innerhalb von sieben oder acht Jahren
aus. Dann könnten Nachahmer-Medikamente günstig hergestellt werden.
«Wir warten auf Generika», sagt Kötter. Die Produktion von Biologika
werde dagegen mit einem «Riesenaufwand» verbunden bleiben.
Schulze-Koops verteidigt die Verschreibung der teuren Medikamente.
Während der Patient an Lebensqualität gewinne, gewinne die
Bevölkerung an Arbeitskraft. Frühverrentungen würden vermieden,
betroffene Frauen könnten schwanger werden und Kinder bekommen. Die
Nebenwirkungen der neuartigen Medikamente sind meist Folgen der
geschwächten Abwehrkräfte. Kötter nennt vor allem Herpes-Viren, die
aktiv werden könnten. Auch die Nierenwerte müssten genau beobachtet
werden.
Allerdings sind die Biologika nicht das erste Mittel bei
entzündlichen rheumatischen Erkrankungen. Wer mit Schmerzen zum Arzt
geht, bekomme in der Regel zunächst Kortison. Damit werde die
Aktivität des Immunsystems vermindert. «Wenn es brennt, sind Sie
froh, wenn die Feuerwehr erstmal Wasser gibt», erläutert
Schulze-Koops das Vorgehen. Dann folge normalerweise die Gabe von
Hydroxychloroquin oder Methotrexat. Das eine ist eigentlich ein
Malariamittel, das andere ein Tumormedikament. In sehr niedriger
Dosierung könnten sie die Entzündungen zum Stillstand bringen, jedoch
in der Regel erst nach einigen Wochen oder mehr.
Eine Heilung rheumatisch entzündlicher Erkrankungen ist noch nicht
möglich - auch mit den neuen JAK-Hemmer nicht. «So suchen wir nach
wie vor nach dem Heiligen Gral», sagt Schulze-Koops. Entscheidend für
den Erfolg einer Therapie sei die frühe Diagnose. Wer erkranke, habe
nicht gleich Gelenkschmerzen, sondern Symptome wie bei einer Grippe:
Fieber, Nachtschweiß, Leistungsverminderung, Müdigkeitsgefühl. Ob
eine Entzündung vorliege, müsse ein Rheumatologe schnell klären.
Die Wahrscheinlichkeit eines Behandlungserfolgs sinke pro Woche um
ein Prozent. Die Zeitspanne von den ersten Symptomen bis zum ersten
Besuch beim Rheumatologen liege nach einer Studie aus dem Jahr 2016
bei rheumatoider Arthritis aber bei acht Monaten, bei Morbus
Bechterew, einer Erkrankung vor allem an der Wirbelsäule, sogar fünf
bis sieben Jahre. Darum fordere die Gesellschaft für Rheumatologie
eine bessere Früherkennung und Versorgungsstruktur. Es fehlten 600
niedergelassene Rheumatologen in Deutschland, sagt Schulze-Koops. Zum
Welt-Rheuma-Tag will die Selbsthilfeorganisation Deutsche Rheuma-Liga
an diesem Samstag (12. Oktober) den Blick auf die Volkskrankheit
lenken.
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