Coronavirus beschäftigt die Hauptstadt zunehmend

Das neue Coronavirus beschäftigt Berlin immer mehr. Die Zahl der
Infizierten steigt, Schulen werden geschlossen, und besorgte Menschen
stehen Schlange, um sich untersuchen zu lassen.

Berlin (dpa) - Die Zahl der Coronavirus-Infektionen in Berlin erhöht
sich weiter. Am Dienstagabend wurde ein weiterer Fall bekannt -
bislang gibt es damit sechs nachgewiesene Ansteckungen in der
Hauptstadt. Die Tests der jeweiligen Kontaktpersonen gingen
unterdessen weiter. Mehrere Schulen wurden wegen des Coronavirus
geschlossen.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) begrüßte zwa
r
das schnelle Handeln der Schulen, lehnte aber flächendeckende
Schließungen ab. An der Charité nahm am Montag eine
Untersuchungsstelle für Patienten mit Verdacht auf eine Infektion mit
dem neuartigen Coronavirus Sars-CoV-2 ihre Arbeit auf. Dort bildete
sich am ersten Tag eine Warteschlange.

Das Absagen von Großveranstaltungen hält Müller unterdessen für ein
en
möglichen Weg: «Wir müssen reagieren auf diese besondere Situation,
auch mit der Absage von Veranstaltungen», sagte er am Dienstag in
Berlin. Von Veranstaltungen mit vielen Besuchern gehe ein besonderes
Risiko aus. Es sei wichtig, kein Risiko einzugehen.

Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) teilte am Dienstagnachmittag
mit, es gebe rund 200 ausfindig gemachte Kontaktpersonen von
Infizierten. Ob sich die Zahl bis zum Abend deutlich erhöht hatte,
war unklar.

Bis Montagabend waren drei Coronavirus-Infektionen in Berlin bekannt,
am Dienstag wurden dann zunächst zwei neue Fälle diagnostiziert. Bei
einem weiteren Mann aus Mitte war am Abend das Testergebnis positiv,
so dass die Zahl der Infektionen auf sechs stieg.

Bei dem sechsten Fall handelt es sich um einen Mann aus Mitte, der
mit dem ersten Berliner Patienten, einem 22-Jährigen, in einem
Großraumbüro zusammengearbeitet hat. Die Senatsgesundheitsverwaltung
schrieb, sie habe alle zuständigen Amtsärzte aufgefordert, alle
Personen in dem Großraumbüro umgehend zu testen.

Bei den anderen Infizierten handele es sich um eine Frau und vier
Männer, darunter ein Lehrer aus Marzahn-Hellersdorf und ein Arzt
einer Neuköllner Tagesklinik, so Kalayci. Bei ihnen sei ein
Zusammenhang mit Reisen festzustellen. Eine weitere Auffälligkeit
sei, dass die fünf Fälle nichts miteinander zu tun hätten. Mehrere
Kontaktpersonen der Erkrankten seien kontaktiert und isoliert worden.
Sie sollten getestet werden.

Auf dem Campus Virchow-Klinikum der Charité in Wedding bildete sich
am Dienstag eine Warteschlange vor der neu eröffneten
Untersuchungsstelle für mögliche Coronavirus-Infektionen. Rund 100
Patienten warteten dort um die Mittagszeit, sagte Charité-Vorstand
Ulrich Frei. Er hoffe nicht, dass die Untersuchungsstelle zu einer
Dauereinrichtung werde. Das Pilotprojekt soll aber Vorbild für andere
Krankenhäuser sein. Das Interesse daran sei groß. «Die Charité kann

das nicht für die ganze Stadt machen», sagte Frei. Kalayci
versicherte, weitere Kliniken würden folgen. Unterdessen kündigte
Vivantes an, an Standorten in Tempelhof und Prenzlauer Berg ebenfalls
Anlaufstellen einzurichten.

Für viele Kinder sorgen die Infektionen in der Stadt für freie Tage:
Als Vorsichtsmaßnahme wurde nach der Emanuel-Lasker-Schule in
Friedrichshain-Kreuzberg auch ein nahe gelegener Teil der
Modersohn-Grundschule geschlossen. Dabei gehe es um eine Filiale der
Grundschule, die sich auf dem Gelände der weiterführenden
Lasker-Schule befindet, sagte ein Sprecher der
Senatsbildungsverwaltung.

Der infizierte Lehrer aus Marzahn-Hellersdorf unterrichtet an der
Emanuel-Lasker-Schule. Auch die private Berlin Metropolitan School in
Berlin-Mitte, die Vor- und Grundschule sowie die Sekundarstufe
umfasst, stellte am Dienstag vorübergehend den Betrieb ein.

Es sei richtig, dass Schulen direkt Maßnahmen ergriffen hätten, so
Regierungschef Müller. Trotzdem sei man sich im Senat einig darüber,
dass man schnell zu einem «normalen, geordneten Schulbetrieb»
zurückkehren wolle. «Es kann keine flächendeckende Lösung sein, das
s
wir den Schulbetrieb einstellen.» Vielmehr solle gezielt auf die
Menschen reagiert werden, die sich mit dem Virus infiziert hätten.

Ein schnelles Ende der Infektionen ist laut Kalayci nicht absehbar:
«Es kann durchaus passieren, dass wir mehrere Jahre mit dem Virus
leben müssen. Keiner kann die Ausbreitung verhindern.»